Schamlose Eigenwerbung


Sims Alabim; 2013-07-22

Dass es auf dieser Seite in den letzten Monaten sehr still geworden ist, liegt nicht etwa daran, dass die Autoren sich inzwischen gegenseitig an die Gurgel gegangen oder auf der Flucht von der CIA ins Ausland abgetaucht wären. Im Gegenteil. Ich und meine Freunde und Kollegen sind wohlauf und schwer aktiv, allerdings nicht mehr in diesem Blog. Stattdessen versuchen wir, unsere Steckenpferde zu veritablen Turnierhengsten upzugraden. Bei mir wäre es das Filmemachen, das mich in letzter Zeit so sehr beschäftigt, dass für Bloggerei keine Zeit mehr ist. Insofern bleibt mit im Augenblick nur noch, das Vorhandensein dieser Plattform zu nutzen, um schamlos Eigenwerbung für meinen Film zu machen und die paar verlorenen Seelen, die das hier lesen, gnadenlos ins Kino zu treiben.

Der Film heißt “Drei Stunden”, dauert nur halb so lang, kommt am 25.7. bundesweit ins Kino und ist sehr gut.

Er ist mein Versuch, dem in Deutschland oftmals schändlich misshandelten Genre der Romantic Comedy ein wenig Phantasie und Intelligenz zurückzugeben. Aufmerksame Leser dieses Blogs werden womöglich sogar Auszüge aus Texten wiedererkennen, die hier erschienen sind. Das liegt dann nicht daran, dass dieser Drehbuchautor und Regisseur Boris Kunz schamlos von dem unbekannten Blogger Sims Alabim geklaut hätte, sondern dass diese beiden tatsächlich eine Person sind. Das ist dann immerhin mehr, als Helene Hegemann von sich behaupten kann.

Auf dieser Homepage kann man mehr über den Film und die dazugehörigen Spielstätten erfahren. Ersterer und Letztere freuen sich bei diesem Sommerwetter über jede verkaufte Eintrittskarte!

Und um einem möglichen teuflischen Plan eventueller begeisterter Blogleser vorzubeugen: Nein, ein Boykott des Films wird nicht dazu führen, dass ich wieder mehr Zeit für instant-eistee haben werde. Und das tut mir sogar aufrichtig leid.

Zero Dreck Thirty


Sims Alabim; 2013-02-08

Ich hatte ja von Anfang an kein gutes Gefühl, als es nur wenige Wochen nach der Exekution von Osama Bin Laden hieß, man wolle einen Film über die ganze Operation drehen, und es ganz offensichtlich war, dass die Obama-Administration diesen Film auch mehr als billigte. Jetzt ist dieser Film aber von Kathryn Bigelow, und die hat (neben etwas Trash) schon ganz großartige Filme gedreht in ihrer Karriere. Ich persönlich bin ja großer Fan von Strange Days. Und dann spielt auch noch Jessica Chastain die Hauptrolle, in die man ja generell ein Bißchen verliebt ist. Und nun ist der Film ja weit davon entfernt, die Ergreifung Bin Ladens als heorischen Akt tapferer Soldaten zu schildern, sondern zeigt ungeschönt und ausgiebig CIA-Agenten dabei, wie sie Gefangene foltern und demütigen, oder wie schwerbewaffnete amerikanische Elitesoldaten Frauen und Kinder erschießen. Ein Film, der solche Bilder zeigt und unkommentiert im Raum stehen lässt, der einen so klinischen Blick auf das dreckige Geschäft der Spionage wirft, der auf jegliche triumphalen Momente, patriotischen Reden und gesteuerte Emotionen verzichtet, das kann doch kein Propagandafilm sein.

Oder?

Kann denn ein Film tatsächlich keine Haltung haben, wie der Bigelow-Film es vorgibt, und wie es ihm von zahlreichen Kritikern attestiert wird? Ist es denn tatsächlich so, dass er zum Nachdenken anregt, ohne diesem Nachdenken irgendeine vorgegebene Richtung zu geben? Oder lässt diese vermeintliche Neutralität am Ende nicht ein riesiges Hintertürchen für Propaganda offen?

Zero Dark Thirty setzt einen Trend fort, oder besser gesagt: perfektioniert einen Trend, der vor vielen Jahren mit der grandiosen Anfangssequenz von Saving Private Ryan begonnen hat. Da wurde die Landung amerikanischer Soldaten in der Normandie derart grausam und brutal dargestellt, dass der Film sich sofort von jeglichem Verdacht freigespielt hatte, etwas anderes als ein Antikriegsfilm zu sein. Das ändert aber nichts daran, dass er am Ende doch die amerikanischen Soldaten als Helden glorifiziert und ihren Einsatz für den Frieden auf der Welt gewürdigt wissen wollte. Natürlich kann man heute, im Zeitalter der Massenmedien, Satellitenübertragungen und Ego Shooter keine Schönfärberei mehr über die Grausamkeit und Brutalität von Krieg und Folter betreiben, man kann das reine Handwerk des Krieges nicht mehr so glorifizieren, wie Hitler das in “Mein Kampf” in seinen Passagen über den 1. Weltkrieg noch konnte. Und auch mit dem Hohelied der Kameradschaft kann man sich heute nicht mehr retten. Die Bildsprache hünenhafter Soldaten mit markantem Kinn vor Sonnenuntergängen und emotionaler Haudraufmucke hat (außer vielleicht in Fatansyfilmen und bei Michael Bay) ausgedient. Die neue Strategie ist also diese: Man geht in die Offensive und ist der erste, der zugibt, dass Kriegshandlungen dreckig, unmenschlich, barbarisch und brutal sind. Und gerade deswegen, weil manche Menschen sich das für ein höhres Ziel antun, sind sie Helden.

Das ist ungefähr das Spiel, das in Bigelows Film mit dem umstrittenen Thema Folter und Exekution fremder Staatsbürger getrieben wird. Der Film zeigt scheinbar ungeschönt und mit einer Attitüde, die man wohl als “entwaffnende Ehrlichkeit” verstanden wissen will, die Jagd nach Bin Laden, die Drecksarbeit, die dafür nötig war, den Kerl zu finden, und die Drecksarbeit, die getan wurde, um ihn zu ermorden, ohne das Ganze in irgendeinen moralischen Kontext zu stellen. Der Film verurteilt nicht, er rechtfertigt nicht, er zeigt einfach nur. Er tut das mit bewundernswerten handwerklichem Können, mit grandiosen Bildern, tollen Schauspielern und subtiler Musik, ohne dabei ein einziges Mal kitschig oder verklärend zu werden, ohne ein einziges Mal den Duktus von rekonstruierter Realität zu verlassen.

Erstaunlicherweise bemüht er sich nicht einmal, die Behauptung aufzustellen, Bin Ladens Exekution wäre eine misslungene Verhaftung gewesen: Es wird von Anfang an klar gemacht, dass das Ziel Bin Laden nicht nur gefunden sondern auch umgebracht werden soll. Niemand macht sich Gedanken darüber, ob es nicht rechtmäßiger wäre, den Mann festzunehmen und vor ein Gericht zu stellen. Solche und ähnliche Fragen werden komplett ausgeklammert. Die Handlungen in einen Kontext zu stellen, bleibt dem Zuschauer überlassen. Ob er das, was die CIA-Leute und Navy SEALs da tun, für gerechtfertigt hält, soll er anhand seiner eigenen Meinung zu Terrorismus und Menschenrechten tun, er selbst soll einordnen, ob das auf der Leinwand jetzt Helden, Pragmatiker oder doch vielleicht Arschlöcher sind. Sowohl der Film selbst als auch die Protagonisten verzichten auf moralische Rechtfertigung ihres Tuns, und damit verlagert der Film die Meinungsbildung über seinen Inhalt ganz nach außen, überlässt sie allein dem mündigen Zuschauer.

Zumindest ist der Film verdammt geschickt darin, diesen Eindruck zu vermitteln. Sieht man aber genau hin, dann gibt er dem Zuschauer unmerklich doch ein paar Argumente mit auf den Weg, die bei einer Reflexion über das Richtig und Falsch der gezeigten Geschehnisse ins Gewicht fallen sollen. Zum einen gibt es sie doch, jene glühenden Reden, in denen die Figuren ihr Herz auf der Zunge tragen und uns eindringlich mitteilen, warum es jetzt gut und richtig ist, zu handeln, wie sie handeln. Allerdings finden diese Momente nicht als motivierende Ansprachen im Angesicht des großen Kampfes statt, sondern als Wutausbrüche. Mark Strong als Leiter der Operation gegen Al Kaida und Jessica Chastain als Ermittlerin der CIA ist es je einmal vergönnt, ihren Kollegen mit vor Wut zitternden Lippen vor den Latz zu knallen, dass Bin Laden für den Tod von Tausenden verantwortlich ist, dass die noch operierenden Terroristen weltweit weiterhin seinen sinistren Befehlen lauschen, und dass es deshalb, verdammt noch mal, endlich an der Zeit ist, dass wir es schaffen, diesen Arsch zu finden!

Diese Argumentation seiner Protagonisten wird von dem Film subtil unterfüttert. Da der Film eigentlich konsequent die ganze Zeit über bei den Leuten bleibt, die aktiv an der Suche nach Bin Laden beteiligt sind, ohne irgendwelche Parallelhandlungen im Weißen Haus oder in den Kellerlöchern der Tailban einzuführen, da das Drehbuch verdammt gut durchdacht und konstruiert ist, ist es sehr aufschlussreich, darauf zu achten, wann der Film es sich dennoch erlaubt, die eingeengte Perspektive der Hauptfiguren zu verlassen, und Szenen einzubauen, die keinen unmittelbaren Handlungszusammenhang haben. Man kommt dann nämlich darauf, dass alle diese Szenen ausnahmslos einem Thema gewidmet sind: Explodierenden Bomben.

Das beginnt bei einer ach so subtilen Remineszenz an 9/11 ganz am Anfang des Films, bei dem keine Bilder zu sehen, sondern nur verzeifelte Anrufe aus dem WTC zu hören sind. Später sehen wird irgendwann gut eine Minute lang einen Doppeldeckerbus durch die Londoner Innenstadt fahren, ohne dass einer unserer Protagonisten darin säße. Wir ahnen es schon: Der Bus wird gleich explodieren, was er dann auch tut, allerdings als dezenter “Schockeffekt” außerhalb des Frames. Und auch in der einzigen Szene, die CIA-Agentin Maya nicht bei der Arbeit, sondern in einem Hotelrestaurant zeigt, und so etwas wie ein Privatleben der Figur andeutet, explodiert eine Bombe: Es ist das Attentat auf das Marriot Hotel in Islamabad 2008.

Mit objektiver Beobachtung und Ausgeglichenheit hat das wenig zu tun. Während wir auf der amerikanischen Seite also eine ganze Menge irgendwie doch sympatischer Figuren sehen, die zwar nackte Gefangene an Hundehalsbändern durch Fabrikhallen führen oder Väter vor den Augen ihrer Frauen und Kinder über den Haufen schießen, aber dabei doch alle eine dringende Aufgabe zu erfüllen haben (und irgendwie liebenswert bleiben), gibt es auf der Gegenseite genau zwei Arten von Figuren: Erfolgreiche Bombenleger, die Unschuldige in die Luft sprengen und festgenommene Informanten, die sich nach mehr oder weniger Folter allesamt als Mitglieder des Netzwerks von Bin Laden erweisen und mehr oder weniger freiwillig wichtige Informationen liefern. Rechtfertigungen und Begründungen auf deren Seite (wie man sie etwa in Three Kings sehr eindrücklich gesehen hat) werden ebenso ausgespart wie die Frage, wieviele unschuldig gefolterte hinter jedem solchen Informaten standen – denn wären sämtliche festgenommene Terrorverdächtige tatsächlich brauchbare Informanten gewesen, es hätte wohl kaum 10 Jahre gedauert, Bin Laden aufzuspüren. Obwohl es Zwischentitel gibt, die uns genau erklären, ob wir uns jetzt in Pakistan, Afghanistan oder Kuwait befinden, verschwimmen all diese Länder letztlich zu einem einzigen großen Hornissennest voller verschleierter Frauen und Bombenleger.

Nun gut, man könnte ja immer noch einwenden, der Film sei eben ein sehr nüchternes Portrait einer taffen, jungen CIA-Frau und ein paar ihrer Kollegen, und kein politisches oder moralisches Lehrstück, und man muss dem Film ja nun keinen Strick daraus drehen, dass er sich recht konsequent für eine Hauptfigur entschieden hat. Aber genau diese Entscheidung für eine Hauptfigur ist letztlich das Vehikel, mit dem die zweifelhafte Botschaft des Films transportiert wird. Im Mittelpunkt der Erzählung steht eine faszinierende junge Frau, oscarverdächtig gespielt von einer der tollsten Schauspielerinnen der Gegenwart, und diese Frau bekommt (sogar unfreiwillig) eine Mission: Bin Laden finden. An dieser Mission hält sie fest, zäh, unbeirrt, entgegen aller Rückschläge, gegen alle Widerstände aus den eigenen Reihen, sie kämpft sich durch, bleibt sich treu, und am Ende behält sie tatsächlich Recht und findet die Villa, in der der Terroristenführer sich versteckt hält.

Das Gemeine an diesem Aufbau ist: Bei einer so klaren Dramaturgie braucht es gar keine großen inneren Beweggründe, um den Zuschauer beinahe automatisch auf die Seite der Hauptfigur zu holen: Ein Mensch, der gegen alle Widerstände eine ihm gestellte Aufgabe zu Ende bringt – dass man sich mit so einer Figur zunächst einmal identifiziert, hat man als Zuschauer in 100 Jahren Filmgeschichte gelernt, man tut es ganz automatisch. Dass der Triumph dieser Figur am Ende ohne emotionalen Orgasmus auskommt, dass es eigentlich ein bitterer und völlig unglamouröser Moment ist, ändern doch nichts daran, dass es ein Triumph bleibt. Wenn niemals hinterfragt wurde, ob die Jagd nach Bin Laden einen Zweck hat, dann steht auch nicht zur Debatte, ob die Erlegung von Bin Laden etwas anders sein könnte als ein Sieg. In dramaturigscher Hinsicht ist es ein Sieg, und das ist es, was auf der Leinwand zählt.

Nun kann man natürlich einwenden, dass die Haltung des Protagonisten nicht identisch sein muss mit der Haltung des Films. In Psycho schafft es Hitchcock ja auch, dass die Zuschauer gemeinsam mit Norman Bates darauf hoffen, dass das blöde Auto im Sumpf versinkt und sämtliche Spuren seines Verbrechens damit getilgt sein werden. Trotzdem würden wir ja nicht auf die Idee kommen, Hitchcock vorzuwerfen, er würde Propaganda für triebgesteurte Frauenmorde betreiben. Es ist aber doch etwas anderes, ob filmische Mittel benutzt werden, um den Zuschauer in die Gefühls- und Gedankenwelt eines Mörders eintauchen zu lassen, dessen Taten in einem gesellschaftlichen Kontext ja trotzdem klar moralisch eingeordnet sind, oder ob ich damit einen nur vorgeblich neutralen Beitrag zu einer doch aktuellen gesellschaftspolitischen Frage abgebe, die in der Öffentlichkeit noch ganz und gar nicht geklärt ist. Filme wie Monster, die die Genese eines Mörders zeigen, bekennen sich zu ihrem Standpunkt und verstecken ihn nicht hinter geheuchelter Objektiviät.

Während wir zwar die Bombenattentate von Al Kaida zu sehen bekommen, kommt in dem Film kein einziges Mal das Wort “Menschenrechte” vor. Oder braucht es das gar nicht? Spricht die Brutalität der gezeigten Bilder nicht doch auch irgendwo für sich? Wenn der Film schon nicht zeigt, was die Folter mit den Opfern (langfristig) macht, zeigt er dann nicht wenigstens die Auswirkungen auf die Täter? Tatsächlich, Mayas Kollege begründet irgendwan seine Rückkehr in die Staaten mit dem Argument, er habe jetzt genug nackte Männer gesehen und müsse zur Abwechslung mal was Normales machen. Tatsächlich, einer der tapferen Navy SEALs macht am Ende große Augen, als er sieht, dass seine Einheit bei der Erstürmung von Bin Ladens Villa genauso viele unbewaffnete Frauen wie bewaffente Männer erschossen hat. Aber das ist genau die perfide Haltung, die ich zu Anfang meinte: In dem wir auch zeigen, dass so eine Arbeit Kratzer an der Seele der Folterknechte und Soldaten hinterlässt, gleichzeitig aber die Notwendigkeit ihrer Taten als gegeben hinnehmen, werten wir ihre dreckige Arbeit damit eigentlich erst auf. Diese Männer sind keine Helden, weil das, was sie tun, nobel wäre, sondern eben weil sie in Kauf nehmen, sich damit selbst kaputt zu machen. (Und dass sie sich damit kaputt machen, ist eine Annahme des geneigten Zuschauers, denn am Ende sind sie die Soldaten doch recht happy und stolz auf ihren gelungenen Einsatz, und auch der foltermüde CIA-Agent scheint, zu einem Bürojob in Langley zurückgekehrt, keinerlei Spätfolgen seiner Arbeit zu verspüren.)

Der Film zeigt all das mit einer Selbstverstänlichkeit, die man in einem europäischen Film als bewußt gesetzten Zynismus lesen würde, und die tatsächlich in Deutschland auch zu ein paar Lachern im Kinosaal führt, von denen der Autor dieser Zeilen annimmt, dass sie von den Machern an dieser Stelle kaum intendiert waren. Der Grund, warum die CIA irgendwann aufhört, Menschen zu foltern, ist nicht etwa Einsicht in die Unantastbarkeit der Menschenwürde, sondern eine neue Direktive aus Washington: Obama erklärt in einem Interview, die USA würden nicht foltern, also wird jetzt auch nicht mehr gefoltert – obwohl die Methode eigentlich recht effektiv war. Seufzend lassen sich unsere Agenten darauf ein, so wie sich Angestellte im Büro eben auf die Launen ihres Chefs einlassen müssen. Die Verordnung, nicht mehr foltern zu dürfen wird etwa so verständnisvoll begrüßt wie ein autofreier Sonntag.

Und dann, als beim beeindruckend inszierten Showdown des Films ungefähr 20 schwer bewaffnete, mit allem denkbaren High-Tech Gerät ausgestattete Elitesoldaten eine Villa stürmen und ein gutes Dutzend Menschen im Schlaf überraschen, von denen sich dann etwa drei tatsächlich mit einem Gewehr zu verteidigen suchen und ebenso gnadenlos niedergeschossen werden wie einige unbewaffnete Frauen und Kinder und schließlich der völlig wehrlose Bin Laden selbst, als dann die anwesenden Kinder laut heulen weil sie gerade zusehen mussten, wie ihre Väter und Mütter vor ihren Augen niedergestreckt wurden, flüstert einer der amerikanischen Soldaten ihnen beruhigend zu: “It´s okay.” Und man hat als Zuschauer plötzlich das bittere Gefühl, dass das tatsächlich so gemeint ist. Dass hier nicht das himmelschreiend unsensible Verhalten des Soldaten gezeigt werden soll, sondern dass das die Botschaft des Films ist: It´s okay. Der Zweck heiligt die Mittel. Es ist ein mieser Job, aber einer muss ihn ja machen. Es ist alles gut. Die Cowboys haben gewonnen.

Mit genau dem gleichen Duktus, mit dem Zero Dark Thirty die Suche nach Bin Laden inszeniert, könnte man auch die Geschichte eines Stasioffiziers erzählen, der sich darum bemüht, eine Gruppe staatszersetzender Elemente dingfest zu machen und zu destabiliseren. Oder die Geschichte eines SS-Mannes, der im besetzten Paris alles daransetz, die Rädelsführer der Resistance zu schnappen. Würde es so einen Film geben, die Welt würde aufschreien. Aber was wäre denn der Unterschied zu Zero Dark Thirty? Innerhalb des Films gäbe es keinen, die Motivation der Protagonisten wäre die gleiche. Würde man sich als Filmemacher dann auch darauf berufen können, dass man eben darum bemüht war, zu zeigen, was passiert ist, ohne moralisch zu werten?  Graham Greene hat einst geschrieben, manchmal müsse man Stellung beziehen, wenn man menschlich bleiben will. Bigelow tut so, als sei es möglich, keine Stellung zu beziehen. Doch irgendwie sind wir es als Zuschauer gewohnt, in Kunstwerken wenn nicht unbedingt Aussagen, dann doch wenigstens Haltungen präsentiert zu bekommen. Ist diese Haltung im Film selbst nicht zu finden, suchen wir sie automatisch in den Protagonisten. Und dann bringt uns der Versuch, das was wir da gerade gesehen haben, zu rechtfertigen, automatisch dazu, in den Mustern dieser Protagonsiten zu denken. Darin, dass der Film uns vorgaukelt, uns in der Bewertung des Gezeigten frei zu lassen, obwohl er doch genau auswählt, was er zeigt und was er weglässt, verrät er eigentlich recht deutlich, auf welcher Seite er steht.

Denn auch wenn der Film mehr als deutlich macht, was das für ein dreckiger Job ist bei der CIA – er bestreitet nicht, dass ihn einer machen muss.

Verbesserungsvorschlag für das Dschungelcamp


Sims Alabim; 2013-02-02

Ich hätte ein gute Idee, wie man das Dschungelcamp mit einem recht einfachen Trick nicht nur inhaltlich verbessern, sondern der Sendung auch noch eine so wunderbare gesellschaftliche Relevanz verleihen könnte, dass die Macher vielleicht nicht nur mit dem Grimmepreis, sondern sogar mit einem Bundesverdienstkreuz rechnen dürften.

Der Untertitel der Sendung wird geändert von “Ich bin ein Star, holt mich hier raus!” in “Ich bin ein Star, schickt mich nicht weg!” Der Aufbau der Show bleibt im Grunde derselbe, ein Haufen Metroprominenter wird in ein Camp im Dschungel gesperrt um dort allerlei Despektierliches zu äußern bzw. zu sich zu nehmen. Der Witz ist aber: Es geht bei den Prüfungen nicht mehr darum, Punkte zu sammeln, sondern Screentime. Pro verköstigtem Kakerlakenhoden eine Minute Sendezeit. Wer es schafft, sich sämtlichen Dschungelprüfungen so konsequent zu entziehen, dass er am Ende gar nicht mehr in der Sendung auftaucht, hat gewonnen und darf als Einziger aus der Staffel wieder nach Deutschland einreisen. Der Rest bleibt im Dschungel, wo er auch hingehört.

Von mir aus hätte man das von der ersten Staffel an so machen können…

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Kein Respekt für Schutzengel?


Sims Alabim; 2012-09-29

Dieser Beitrag könnte etwas aktueller sein, aber ich habe eine Weile gezögert, ihn wirklich online zu stellen, weil es mir etwas eitel vorkam, ausgerechnet über Til Schweiger herzuziehen – und dafür wieder schlafende Hunde zu wecken. Aber es hilft nichts.

Neulich haben sich Til Schweiger und Roger Willemsen in einer Talkrunde ein „Wortgefecht“ geliefert – was sich angesichts der Reputation der beiden Kontrahenten im Umgang mit den für ein Wortgefecht benötigten Waffen so absurd anhört, als würde man sagen, Chuck Norris und Papst Benedikt hätten sich ein Kickboxmatch geliefert. Trotzdem schien es in der Talkshow irgendwie so Vibes zu geben, als wäre Willemsen der Depp. Natürlich finde ich Til Schweiger grundsätzlich schlimm, wie man eben jemanden schlimm finden muss, der mit Methoden, die man für billig und durchschaubar hält, genau den immensen Erfolg als Filmemacher hat, den man selbst gerne hätte, und ich finde auch Roger Willemsen grundsätzlich sympathisch, wie man eben jemanden grundsätzlich sympathisch finden muss, der gerne sieben verschiedene Sorten Schieße aus Heidi Klum rausprügeln möchte. Trotzdem würde mir dieses Intermezzo am Gesäß vorbeigehen, obwohl es dabei sogar um ein Thema geht, mit dem ich mich selbst im Augenblick beschäftige, wenn auch aus relativ unideologischen Gründen, und auch sicher nicht ganz so intensiv, wie „Til“ und „Roger“ das bislang wohl getan haben – oder zumindest Letzterer.

Doch irgendwie fühlte ich mich durch die Kampagne, mit der Til Schweiger sein Actiondrama „Schutzengel“ an den Mann bringen will, auf mehr als nur beruflicher Ebene beleidigt. Nein, nicht beleidigt: Ich fühle mich unangenehm angefasst. Für den Film lief im Kino kein normalen Trailer, sondern ein überlanges Video, in dem die Reaktionen von in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten auf eine Exklusivvorführung zu sehen waren. Diese empfahlen dem deutschen Kinopublikum einen Besuch dieses Films, der endlich einmal zeigen würde, wie unsere Truppen sich fühlen.
Man halte sich vor Augen, dass es sich dabei (wie der richtige Trailer zeigt) um einen Thriller nach Hollywoodstrickmuster handelt, dem hierzulande kein krankes Huhn gesellschaftliche Relevanz bescheinigen würde, würde er als Importware mit Nicholas Cage in der Hauptrolle hier ankommen.

Dennoch zog unser Til von Talkshow zu Talkshow, und redete davon, wie wichtig es wäre, dass man in Deutschland den Soldaten (den Protagonisten seiner Werbekampagne!) endlich den Respekt entgegenbringen würde, den sie verdienen. Die gehen da in ein fremdes Land, riskieren täglich ihren Kopf, kommen dann nach Hause, und alles, was die da abbekommen ist übelster „Disrespect“.

Nun könnte man, wie auf dieser Seite ja auch schon durchexerziert, durchaus darüber streiten, ob der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sinnvoll ist – ob die Freiheit und Demokratie in Deutschland jetzt tatsächlich auch nur ein Jota mehr oder weniger in Gefahr ist als ohne diesen Einsatz. Das will Til Schweiger ja aber nicht einmal beurteilen. Ihm geht es nicht um den politischen Aspekt, sondern darum, dass diese Soldaten da unten eben einen lebensgefährlichen Job machen, und den machen sie für uns alle! Egal, ob gewisse Einsätze im Einzelfall sinnvoll waren oder nicht, jemand der es sich zum Beruf gemacht hat, sein Leben für die Sicherheit und Freiheit anderer zu riskieren, verdient den Respekt derer, für die er das riskiert. Denn das schlimmste, was so jemandem passieren kann, ist Zurückweisung von denen zu erfahren, die er beschützen will.

Für diese Haltung hat Til Schweiger sogar wissenschaftlichen Background (ob er das wohl weiß?). Glaubt man den Untersuchungen zum posttraumatischen Stresssymptom bei amerikanischen Soldaten, so ist die Kriegsheimkehrern in der Heimat entgegengebrachte Akzeptanz ein wesentlicher Faktor dafür, wie gut sie die schreckliche Erfahrung, entgegen all ihrer natürlichen Instinkte Artgenossen getötet zu haben, verarbeiten können. Die Tatsache, dass die Heimkehrer aus Vietnam im Gegensatz zu den Heimkehrern aus dem zweiten Weltkrieg von der Bevölkerung beschimpft und bespuckt wurden, sei demnach ein wesentlicher Grund dafür, warum PTSD bei Vietnamveteranen viel häufiger auftrete. Orden, Paraden und Memorial Days seien vor allen Dingen ein Signal der Gesellschaft (des Stammes, sozusagen) um den Traumatisierten zu vermitteln, dass das, was sie getan haben okay war.
Ich halte diese Theorie für ziemlich plausibel, und wenn sie stimmt, dann ist die mangelnde Akzeptanz des Afghanistan-Einsatzes für die heimkehrenden deutschen Soldaten sicherlich ein zusätzlicher, womöglich sogar ein entscheidender Stressfaktor. Nun liegt es mir natürlich fern, das Leiden von Menschen, die ohnehin schon viel gelitten haben, auch noch zu vergrößern, wenn ich doch meinen Teil dazu beitragen könnte, dieses Leiden zu mindern. Die Soldaten sind keine verachtenswerten Menschen, und es fällt mir ja auch schwer, keine Empathie für sie zu empfinden – sogar in diesem Schrecklichen Schutzengel-Werbevideo. Warum kann ich denn nicht über meinen Schatten springen, und auch als grundsätzlicher Gegner des Kriegseinsatzes trotzdem Respekt für den Mut und die Selbstlosigkeit der Soldaten empfinden, die ihn durchführen?

Ganz einfach: Weil die Argumentation von Til Schweiger auf emotionale Erpressung hinausläuft. Und ich will mich nicht emotional dazu erpressen lassen, das Commitment eines Anderen für eine Sache zu respektieren, wenn ich die Sache selbst für verkehrt halte.

Nun will ich sicher nicht bestreiten, dass in Einzelfällen Soldaten ungeheuer tapfere, bewundernswerte Dinge tun – wie sich etwa für einen verletzten Kameraden in den Kugelhagel werfen. Doch genauso wenig, wie einem die technische Brillanz von David Garrett Bewunderung für jeden Menschen abnötigt, der schon einmal eine Geige in der Hand hatte, sind einzelne Heldentaten eine ausreichende Begründung für die Glorifizierung des Soldatenberufes. Eines Berufes, der immerhin die weitläufige Selbstaufgabe eigner Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zugunsten eines absoluten Befehlsgehorsams erfordert. Ein Entwicklungshelfer, der in Afghanistan Brunnen bohrt, wird mit Fug und Recht behaupten können, sich diesen Ort und diese Aufgabe ausgesucht zu haben, weil er seinen Einsatz dort für notwendig befunden hat. Ein Soldat, der nicht dort sein könnte, hätte die Bundesregierung diesen Einsatz nicht beschlossen, hat es mit dieser Argumentation schon schwerer. Er hat stattdessen beschlossen, sein Leben in die Hände politischer Entscheidungsträger zu legen.

Selbst Roger Willemsen findet es dann aber im weiteren Verlauf der Diskussion auch ganz schlimm, wenn Leute sagen, ein Soldat, der verletzt aus dem Auslandseinsatz heimkehrt, sei selbst schuld, er habe es sich ja so ausgesucht. Natürlich ist es verdammt unsensibel, das einem verwundeten Soldaten ins Gesicht zu sagen, aber sorry: Das ändert nichts daran, dass das eine ganz einfache, simple Tatsache ist. Wir haben im Augenblick keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesem Land. Wer sich in den Auslandseinsatz schicken lässt, geht bewusst und aus freien Stücken ein hohes Risiko ein. Punkt.

Wenn sich Samuel Koch das Rückgrat bricht, weil er bei Wetten dass einen Stunt aufführt, dann ist das zweifelsohne eine Tragödie. Selbstverständlich empfinde ich für diesen jungen Mann Mitleid. Selbstverständlich kann ich mich in seine Lage versetzen, und selbstverständlich würde ich nicht zu ihm am Krankenbett sagen: „Das hat man davon, wenn man unbedingt zu Wetten dass will!“ Aber soll ich jetzt Respekt für seinen Plan empfinden, vor laufender Kamera über Autos zu hüpfen? Macht die Tatsache, dass eine Sache potentiell gefährlich ist, und dass jemand dieses Risiko bewusst auf sich nimmt, weil die Sache es ihm Wert ist, sein Anliegen deswegen respektabel? Verletze ich die Menschenwürde von Samuel Koch, wenn ich auch nach seinem Unfall der Meinung bin, dass er daran halt leider ganz einfach selbst schuld ist? Und würde tatsächlich ernsthaft jemand argumentieren, da ich theoretisch die Möglichkeit gehabt hätte, an jenem Samstagabend Wetten dass einzuschalten und mich von der Sendung unterhalten zu lassen, hätte Samuel Koch seinen Sprung im Grunde auch für mich gemacht?

Nun kann man ja argumentieren, dass es zwischen Samuel Koch und einem Soldaten im Kriegseinsatz einen entscheidenden Unterschied gibt: Der Erste hat das, was er getan hat, hauptsächlich für sich getan, der Zweite tut es für Andere. Für sein Volk. Aber auch diese Argumentation führt in eine dumme Zwickmühle.
Das Problem ist nämlich, dass es Soldaten anderer Nationen genauso geht. Und das gilt leider auch für die Taliban, um gleich direkt zum passenden Extrembeispiel zu kommen. Wenn man sich in die Lage eines Talibankriegers versetzt, dann hat auch dieser relativ selbstlose Motive für sein Tun. Er glaubt an seine Religion, an die Worte des Propheten, oder an die Freiheit seines Landes. Er kämpft dagegen, dass eine in seinen Augen teuflische, westliche Dekadenz sein Land und sein Volk infiziert, er kämpft dagegen, dass die Politik seines Landes von westlichen Kräften fremdgesteuert wird. Seine Methoden mögen brutaler sein, dafür ist seine Lage auch verzweifelter.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: In meinen Augen sind die Taliban eine ziemliche Pest, und es würde Afghanistan besser gehen, wenn man sie los wäre. Ich halte nichts von deren Auffassung ihrer Religion und von der Art, wie sie diese den Leuten aufdrücken. Das ändert aber nichts daran, dass deren Motive aus deren Sicht genauso lauter oder unlauter sind, wie die eines Bundeswehrsoldaten. (Einzelfälle von Machtgeilheit und Sadismus einmal außen vor gelassen, denn auch darauf haben die Taliban keineswegs das Monopol).
Wenn mir jetzt also gesagt wird, ich solle den Soldaten Deutschlands Respekt für ihren Einsatz entgegenbringen, auch wenn ich mit der Methodik ihres Tuns nicht einverstanden bin und nicht alle Werte mit ihm Teile, dann muss ich zurückfragen: Welchen Grund habe ich dann, nicht auch den Taliban Respekt entgegenzubringen, wenn meine Abneigung gegenüber deren Werten und Methoden offenbar kein hinreichender Grund sein darf? Kann ich denn meinen Respekt vor dem Tun eines Menschen mit meiner Beurteilung seiner Motive und Handlungsweisen entkoppeln?
Dann läuft es eben doch wieder darauf hinaus, dass die deutschen Soldaten sich ihren Respekt deswegen verdient hätten, weil sie eben Deutsche sind, und im Auftrag einer Regierung handeln, die ich hätte mitwählen dürfen. Das ist dann aber wieder Nationalismus, und den lehne ich ab. Auch und gerade wenn es um Kriege geht.

Damit wir uns hier nicht missverstehen: Ich spreche den Soldaten nicht ihre Menschenwürde ab – im Gegenteil, mein Glauben an diese ist der Hauptgrund für meine pazifistische Haltung. Ich kann aber einen Menschen ganz grundsätzlich in seiner Menschlichkeit respektieren und ihn trotzdem für ein dummes Arschloch halten. Ich kann Motivationen und Ziele verstehen, ohne sie dabei gleich zu werten. Das gilt für alle Menschen, von Loriot bis zum pädophilen Nachbarn um die Ecke. Ich würde ja auch nie auf die Idee kommen, tatsächlich sieben Sorten Scheiße aus Heidi Klum rausprügeln zu wollen, aber das ist eher eine Sache des Anstandes, als eines wirklichen Respekts, den dieser Mensch mehr als ein anderer verdient hätte. Sobald ich aber aufgefordert bin, dem Tun eines Menschen eine Art von Respekt entgegenzubringen, mit dem ich sein Tun höher werte als das der meisten anderen, muss ich dessen Motive nicht nur verstehen, sondern auch gutheißen. Und als grundsätzlicher Kriegsgegner kann ich zwar jeden Soldaten als Menschen, aber keinen Menschen als Soldaten respektieren.

Was also soll ich jetzt anfangen mit dieser komischen Forderung des Herrn Schweiger, wir müssten den Soldaten mehr Respekt entgegenbringen? Wie soll das aussehen? Diese Forderung hätte dann ihren Sinn, wenn es hierzulande wahrhaftig ein Massenphänomen wäre, dass wir Heimkehrern ins Gesicht spucken und Toilettenpapier in ihre Gärten werfen. Einzelne mögen das zwar tun, aber Gegenstand öffentlicher Debatten und des gesellschaftlich geführten Diskurses ist ja nicht die Verachtenswürdigkeit des Soldaten sondern die Fragwürdigkeit seines Einsatzes. Soll diese Diskussion jetzt verstummen, als Zeichen des Respekts? Das Leid des Soldaten als Totschlagargument gegen öffentliche Kritik an Kriegseinsätzen?

Es ist ja völlig in Ordnung, wenn Til Schweiger sich von soldatischen Heldengeschichten beeindrucken lässt. Es sei ihm völlig unbenommen, großen Respekt vor Soldaten zu empfinden. Es ist auch völlig legitim, diesem Respekt durch die Darstellung eines (Ex-)Soldaten in seinem Film Ausdruck zu verleihen. Ein künstlerisches Medium ist schließlich ein Vehikel der Weltsicht seines Schöpfers, das ist schon okay. Und ich wäre der Letzte, der sich weigern würde, Schutzengel anzusehen, wenn ich den Eindruck gewonnen hätte, dass hier jemand darum bemüht war, ein authentisches Bild der deutschen Soldaten im Einsatz zu zeichnen. Aber selbst dann möchte ich bitte die Entscheidung, ob mir das Respekt für irgendwen abnötigt, selbst treffen.

Aber das ist hier nicht der Fall. Hier hat sich jemand, der sich inzwischen weigert, seine Werke vor dem Kinostart der Presse zu zeigen, ein dankbares Publikum ausgesucht, benutzt dessen Reaktionen zu Werbezwecken, und will mir dann sagen, ich solle gefälligst für diese Menschen Respekt empfinden und deshalb deren Empfehlung folgen und mir seinen Film anschauen. Ich soll also aus Rücksichtnahme gegenüber den Gefühlen der Teilnehmenden nicht nur durchs Hintertürchen einen Kriegseinsatz moralisch sanktionieren, sondern mir zur eigenen emotionalen Rückversicherung dazu auch noch einen Film von Til Schweiger anschauen? Da weiß ich wirklich nicht mehr, was die größere Zumutung ist!

Wie bekämpft man Kindersoldaten?


Malibu Aircraft; 2012-03-10

Es gibt nicht mehr viel, was zu Kony2012 noch nicht gesagt wurde. Für mich ist es eines der Themen, wo ich eine leichte Antipathie gegenüber beiden Seiten (Kony2012 und den Kritikern) verspüre, ohne sie mir ganz erklären zu können.
Wobei: Die Aversion gegen Invisible Children, der Organisation hinter dem Video, ist schnell erklärt. Abgesehen von der Tatsache, dass von den Spenden grade mal ein Drittel ankommt, und man dazu verleitet werden soll, teure Aktions-Kits mit Armbändern und Plakaten zu kaufen, anstatt beispielsweise Geld in Flüchtlingslager zu stecken, widert auch die unglaubliche Vereinfachung des Konflikts an.
Ben Keesey, der CEO von Invisible Children, sagte: “There are few times where problems are black and white. There’s lots of complicated stuff in the world, but Joseph Kony and what he’s doing is black and white.”
Nichts ist simpel daran, eine Armee aus traumatisierten, gehirngewaschenen Kindern zu bekämpfen, die von einem christlichen Fanatiker mit Wahnvorstellungen und möglicherweise einer multiplen Persönlichkeitsstörung angeführt wird. Die LRA „initiiert“ ihre Kindersoldaten in dem sie die gerade Entführten auf Todesmärsche schickt. Die Kinder werden gezwungen, die Schwachen zu Tode zu schlagen, bevorzugt die eigenen Familienangehörigen, oder sie sterben selbst. Kony überzeugt sie dann, dass sie sein „Zeichen“ tragen und er sie überall wiederfinden kann, wenn sie sich von ihm abwenden.
Selbst wenn die ugandische Armee, die wir laut Invisible Children Inc. unterstützen sollten, eine weiße Weste hätte: Wie bekämpft man so eine Kinderarmee, ohne selbst Kinder zu töten?
Dazu kommt natürlich noch die Kleinigkeit, dass das ugandische Militär selbst Kindersoldaten einsetzt und für allerlei Grausamkeiten verantwortlich ist.
Und nicht zu vergessen: Die LRA ist in den letzten Jahren so gut wie gar nicht mehr in Uganda aktiv. Schon seit längerer Zeit wird sie von der sudanesischen Regierung gedeckt, den islamistischen Fanatikern, die auch für Darfur verantwortlich sind.
Und so bleibt nur der bittere Gedanke, dass man damals vielleicht sogar gleich das LRA-Problem hätte lösen können, wäre man militärisch eingeschritten.

Der Grund warum ich mich aber auch nicht ganz mit allen Kony2012-Bashern identifizieren kann, ist vielleicht, dass es doch beeindruckend ist, wieviel Aufmerksamkeit für die LRA in kürzester Zeit generiert wurde. Schade natürlich, dass das ganze ein so positives Beispiel für Netzaktivismus hätte sein können.
Das Hauptproblem liegt darin, wie sehr die Sache simplifiziert wird, was aber andererseits gerade auch ein Grund für den Erfolg des Videos sein dürfte. Was man vielleicht hoffen kann, ist dass zukünftige Projekte dieser Art (hoffentlich von transparenteren Organisationen) die Balance da besser finden und vom Erfolg von Kony2012 ermutigt werden.

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Wie es George Lucas auf die Berlinale schaffen könnte


Sims Alabim; 2012-02-16

Das Imperium ist vernichtet, die Jedi-Ritter zurückgekehrt um den Galaxien der Republik eine neue Ordnung zu geben. Mit diesem Ende seiner gefeierten Hexalogie könnte George Lucas zufrieden sein, doch nun geht der visionäre Regisseur einen Schritt weiter: Auf dem Wüstenplaneten Tatooine lässt er den neugegründeten Rat der Jedi unter dem Vorsitz von Meister Mondgerecht (Bruno Ganz) zusammentreten, um an einer neuen Verfassung der Republik zu arbeiten. In der Abgeschiedenheit der Wüste wollen sie der Welt eine neue Ordnung geben – und scheitern an sich selbst.

Episode VII erzählt in langen, beinahe quälend ruhigen Einstellungen von dem, was die meisten Space Operas ausblenden: Wie die Kaste der Jedi-Ritter letztendlich an ihrem eigenen Sieg über das Imperium innerlich zerbricht. Die karge Landschaft von Tatooine, in zurückhaltenden, beinahe farblosen Grau- und Brauntönen in Szene gesetzt, ist gleichsam Auslöser und Projektionsfläche der inneren Vorgänge, die der Film in ästhetischer Kompromisslosigkeit schildert. Hier wird die vierte Dimension des Films, die Zeit, erst wahrhaft spürbar. “Ich wollte die Unerträglichkeit von Höhe, Breite, Tiefe und Zeit zeigen,” erkärt Lucas die Entscheidung für das neue 4D-Verfahren, in dem der Film entstanden ist.

Ansonsten setzt der Film auf Reduktion der Mittel. Die in einer einzigen, 16-minütigen Einstellung gezeigte Selbstpenetration der Jedi-Schülerin Quai-Ga mit einem Laserschwert, kommt ohne Spezialeffekte oder künstlich gesetzte Beleuchtung aus. Nachwuchsschauspielerin Angjeszka Spyzynczsy ist für diese kontrovers diskutierte, darstellerische Tour de Force bereits mit mehreren renomierten Preisen ausgezeichnet worden.

“Der Sieg der Jedi-Ritter über Darth Vader ist für mich ein Sieg über die kommerzielle und popkulturelle Bedeutung meiner bisherigen Filme,” erklärt der Regisseur und Autor. “Frei von den Konflikten zwischen Jedi und Sith können meine Filme jetzt endlich zum menschlichen Kern jeder Erzählung vordringen: Dem Konflikt der Menschen mit ihrer eigenen Natur.”

Ein spannender und sehr politischer Film, der die Frage aufwirft, ob wir den Kampf gegen das Imperium überhaupt gewinnen wollen.

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Wie war das mit der Informationsfreiheit, Anonymous?


Malibu Aircraft; 2011-12-26

Wer immer sich von nun an Anonymous nennt, identifiziert sich auch mit der jüngsten Attacke auf Stratfor. Stratfor ist nicht, wie von tagesschau und anderen Medien behauptet, eine amerikanische “Sicherheitsfirma”, sondern eine Internetseite, die Analysen zu einer Vielzahl international relevanter Themen bietet. Jeder, dem es das Geld wert ist, kann sich dort anmelden und alle Analysen empfangen oder, gegen Angabe der E-Mail-Adresse, wöchentlich zwei Berichte, die von zahlenden Mitglieder als besonders lesenswert empfohlen wurden, gratis lesen. Die Kosten sind auch nicht höher als ein Zeitungsabonnement.
Begriffe wie “Schatten-CIA” sind dabei ein kaum zu begreifender Blödsinn. Die Analysen, die ich dort in der Vergangenheit gelesen habe, folgten Stratfors Motto: Wir sagen, wie die Situation unserer Meinung nach aussieht und wie sie sich entwickeln könnte, aber wir sagen nicht, wie sie sein SOLL, heißt: Wir bewerten nicht. Unter den vielen Medienoutlets hat sich Stratfor zu Recht den Ruf einer agendafreien und unabhängigen Organisation erkämpft.
Ob die Attacke etwas zu tun hatte mit der Tatsache, dass Stratfor als eine der wenigen westlichen Medien über den Kampf einer Anonymous-Gruppe gegen das mexikanische Drogenkartell Los Zetas berichtete, ist mir unklar. Stratfor berichtete in diesem Zusammenhang nicht unbedingt negativ über Anonymous, aber warnte auch vor den Gefahren, die in Los Zetas’ Brutalität und eigenen Hackerressourcen lägen.
Ein Punkt, den Stratfor hier erwähnte, ist auch jetzt wieder relevant. Anonymous ist keine koheränte Organisation sondern ein loser Verband von Hackern. Jeder kann sich Anonymous nennen. Wenn in den Startfor-Berichten Kritik durchklang, dann insofern, als dass Anonymous einzelne Mitglieder, die von Los Zetas identifiziert werden, nicht schützen kann und dass das Veröffentlichen von Informationen zu unüberschaubaren Folgen und auch zu Morden an Unschuldigen im komplexen Drogenkrieg Mexikos führen könnte.
Auch jetzt schreibt “Anonymous”, dass die, die unter Anonymous’ Flagge Stratfor angegriffen haben, gar nicht zu Anonymous gehören und Anonymus in Verruf bringen wollen. Aber das ist eben das Problem, wenn man sich Anonymous nennt. Man erklärt sich Teil einer Gruppe, die auch einem selbst gegenüber völlig anonym ist. Und die nun verantwortlich ist für eine Attacke auf das, was manchen dort so wichtig war: Transparenz und Informationsfreiheit.

Hitchslap


Malibu Aircraft; 2011-12-23

Einer meiner Lieblingsclips (nur Audio) des letzte Woche verstorbenen Christopher Hitchens:

Lasst sie reden


Sims Alabim; 2011-11-22

Um nach langer Zeit einfach Mal wieder irgendwas von mir zu geben, hier ein kurzer Gedanke zum Thema NPD-Verbot.

Irgendwie ein Thema, bei dem man nicht so recht weiß, wie man sich als “guter Demokrat” fühlen soll. Das Verbot einer Partei, egal welcher politischen Richtung, riecht immer ein wenig nach Zensur, nach einer ersten Verzweiflungstat der Mächtigen, die einem wachsenden Unmut nicht Herr werden und deshalb keine Stimme geben wollen, nach einem ersten Schritt in Richtung Faschismus. Gleichzeitig propagieren manche Parteien eben Faschismus, und diesem Gedankengut will man ja auch keine Plattform geben.

Wirklich nicht? Was ist mit dieser Plattform?

Wenn wir die Wahl haben, der NPD entweder die Möglichkeit zu geben, sich in politisch radikalen Kreisen zu Märtyrern ihrer verlorenen Heimat zu stilisieren, oder die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit eben dieser Heimat lächerlich zu machen und als ihrer eigenen Sprache nicht gewachsen bloßzustellen, sollten wir uns dann nicht für Letzteres entscheiden?

Limericks rule


Malibu Aircraft; 2011-10-22

There once was a nympho named Jill
who tried dynamite for a thrill.
They found her vagina
in North Carolina
and bits of her tits in Brazil.

There was a young vampire named Mable
whose periods always were stable.
So every full moon
she took out a spoon
and drank herself under the table.

Ein dreifacher:

There were two young ladies from Birmingham.
Shall I tell you the story concerning ’em?
They lifted the frock
and diddled the cock
of the bishop as he was confirming ’em.

Now the bishop was nobody’s fool.
He had been to a large public school.
So he dropped down his britches
and diddled those bitches
with his six-inch episcopal tool.

Said one girl as the bishop withdrew,
“Not bad for a bishop, ’tis true.
But the prick of the vicar
is thicker and quicker
and three inches longer than you!”


Einer meiner besonderen Lieblinge:

There was a young hooker from Kew,
who filled up her pussy with glue,
and said with a grin,
“If they pay to get in,
they can pay to get out of it, too.”

There once was a man from Nantucket,
Whose dick was so long he could suck it.
He said with a grin,
As he wiped off his chin,
If my ear were a cunt I would fuck it!

There once was a man from Kent
Whose tool was so long it bent
to save himself trouble
he folded it double
and instead of coming he went

Leider weiß ich bei allen bisherigen nicht den Autor, aber die letzten beiden sind von W. H. Auden:

As poets have mournfully sung,
Death takes the innocent young,
The rolling in money,
The screamingly funny
And those who are very well hung.

The Bishop elect of Hong Kong
Had a dong that was twelve inches long
And he thought that the waiters
Were admiring his gaiters
When he went to the loo. He was wrong.

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