Aus Cabuflés Meinungsbauchladen
Cabuflé; 2012-07-31
Muss das denn sein? Müssen wir uns denn schon wieder streiten? Jetzt war es hier allzu lange so schön ruhig. Wir haben aus so feinen Themen wie Atheismus und Esoterik schon vor langer Zeit alle Luft rausgelassen und als der mächtige Sims Alabim und der nicht minder mächtige Malibu Aircraft rund um Bin Laden und Libyen über den totalen Frieden diskutierten, habe ich es nahezu vollständig geschafft einfach meine Fresse zu halten, aus Faulheit einerseits und andererseits weil ich es da wie bei so vielen anderen Themen inzwischen mit dem großen Doug Stanhope halte, der so ungefähr zu Protokoll gab: “I used to be passionate about all the political stuff. I used to have solutions. Now I just want to kill peple.”
Jetzt hat der geschätzte Freund und Kollege Sims Alabim einen Witz gemacht und ich könnte ja eigentlich einfach über diesen Witz lachen, ergo mich amüsieren über das wirklich interessante Gedankenexperiment, eine israelische Fußballmannschaft würde die deutsche schlagen und darüber spekulieren, ob die Bildzeitung das – im Kontext ihrer Sportberichterstattung – Naheliegende täte, nämlich irgendwas über die hinterhältige Spielweise der Israelis, die Gier nach Gold oder einfach was mit Duschen schreiben.
Aber nee, Kollege Sims hat “Judentum” gesagt und da muss ich als fetter, satter deutscher Intelektueller natürlich eine Meinung haben. Wo kämen wir denn da sonst hin..?
Es ist der erste Satz, der mich den ganzen Artikel mit diesem ambivalenten Unbehagen des reflektierten gealterten Linksextremisten lesen ließ:
Es gibt ja zwei Dinge, die mich an meinem Heimatland aufregen. Erstens die übertriebene, bereits ins Hysterische abgedriftete Political Correctness beim Thema Judentum, und zweitens dieser gleichzeitig wiederaufkeimende Nationalstolz…
Die Tatsache, dass Deutsche sich wieder guten Gewissens einen auf ihre Nationaliät runterholen zu dürfen meinen, ist also nervig, ebenso nervig jedoch, dass sie sich immer noch nicht trauen, offen antisemitisch zu sein. Ja, ich überspitze hier etwas und ich bin vermutlich ziemlich unfair, denn mit Sicherheit ist es nicht das, was Kollege Sims meinte.
Ich nehme diese Äußerung nur mal zum Anlass, ein paar Dinge festzustellen: Dass es in großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit eine Ãœbersensibilisierung bei bestimmten als heikel empfundenen Themen gibt, für die sich die in meinen Augen unglückliche und irreführende Bezeichnung “political correctness” etabliert hat, ist ja richtig. Dass alles was irgendwie mit Juden zu tun hat, als besonders heikel empfunden wird, auch. Und wie immer ist das abstoßendste an der Debatte über PC, dass es zu keiner Zeit um die eigentlichen Themen oder Probleme geht, sondern bestenfalls, wie über die selben zu reden sei. Verkürzt ausgedrückt: Die widerwärtigsten rassistischen Ressentiments stören eine deutsche Öffentlichkeit kaum, so lange sie im Gewand einer “zivilisierten Debatte” daherkommen und niemand “Neger” sagt.
Dennoch hat es in meinen Augen immer etwas wohlfeiles, wenn weiße Mittelklasseärsche sich darüber beschweren, dass sie nicht über irgendwelche Minderheiten gerade so daherreden dürfen wie sie wollen. Nochmal verkürzt: “Ja okay, Schwule werden weltweit verfolgt und gemeuchelt, können auch in weiten Teilen Deutschlands nicht unbehelligt als Paare in der Öffentlichkeit auftreten, aber ich darf das Wort ‘schwul’ nicht als Beleidigung benutzen. Ich bin das eigentliche Opfer hier.”
Mich stört die Ãœberempfendlichkeit des Feuilletons beim Thema Judentum auch (zumal eben diese Ãœberempfindlichkeit, wie oben angedeutet, bestimmt allzu oft letztlich Zeugnis eines sublimierten antisemitischen Ressentiments ist), aber mehr stört mich wie viel nur mäßig kaschierter oder latenter Antisemitismus in Deutschland geduldet wird, gerade auch in der Linken. Dass es vielen Deutschen nicht genügt, sachlich richtig festzustellen, dass der israelische Staat im Gazakonflikt Kriegsverbrechen begeht, sondern behauptet wird “die Juden machen mit den Palästinensern das gleiche wie die Nazis mit den Juden”, womit man nebenbei einfach mal schnell den Holocaust relativiert hat, und im nächsten Schritt dann gerne noch die faschistische Hamas zu rechtschaffenen Widerstandskämpfern stilisiert.
Und dass es folgerichtig auch die umgekehrte Ãœberempfindlichkeit zur erwähnten PC-Haltung gibt, dass nämlich bei jeder öffentlichen Kritik an (tatsächlich oder vermeintlich) judenfeindlichen Äußerungen sofort von “Meinungskartell” oder “Antisemitismuskeule” fabuliert wird. Ein letztses mal verkürzt gesagt: Wenn Günter Grass Israel kritisiert, dann ist das Meinungsfreiheit. Wenn jemand Günter Grass dafür kritisiert, wie er Israel kritisiert hat, dann ist das Faschismus.
Egal. Das sind so ein paar Gedanken, die größtenteils nicht unmittelbar mit Sims’ Post zu tun haben, die ich aber ohnehin schon länger mal gesammelt formulieren wollte, zumal sie ja auch meine Arbeit als Komiker betreffen. Ich wollt’s halt mal gesagt haben.
Jetzt lasst uns einander nicht weiter ärgern, sondern lieber gemeinsam zuhören, wie der eingangs erwähnte Doug Stanhope meisterhaft die Juden beleidigt: