Wie war das mit der Informationsfreiheit, Anonymous?


Malibu Aircraft; 2011-12-26

Wer immer sich von nun an Anonymous nennt, identifiziert sich auch mit der jüngsten Attacke auf Stratfor. Stratfor ist nicht, wie von tagesschau und anderen Medien behauptet, eine amerikanische “Sicherheitsfirma”, sondern eine Internetseite, die Analysen zu einer Vielzahl international relevanter Themen bietet. Jeder, dem es das Geld wert ist, kann sich dort anmelden und alle Analysen empfangen oder, gegen Angabe der E-Mail-Adresse, wöchentlich zwei Berichte, die von zahlenden Mitglieder als besonders lesenswert empfohlen wurden, gratis lesen. Die Kosten sind auch nicht höher als ein Zeitungsabonnement.
Begriffe wie “Schatten-CIA” sind dabei ein kaum zu begreifender Blödsinn. Die Analysen, die ich dort in der Vergangenheit gelesen habe, folgten Stratfors Motto: Wir sagen, wie die Situation unserer Meinung nach aussieht und wie sie sich entwickeln könnte, aber wir sagen nicht, wie sie sein SOLL, heißt: Wir bewerten nicht. Unter den vielen Medienoutlets hat sich Stratfor zu Recht den Ruf einer agendafreien und unabhängigen Organisation erkämpft.
Ob die Attacke etwas zu tun hatte mit der Tatsache, dass Stratfor als eine der wenigen westlichen Medien über den Kampf einer Anonymous-Gruppe gegen das mexikanische Drogenkartell Los Zetas berichtete, ist mir unklar. Stratfor berichtete in diesem Zusammenhang nicht unbedingt negativ über Anonymous, aber warnte auch vor den Gefahren, die in Los Zetas’ Brutalität und eigenen Hackerressourcen lägen.
Ein Punkt, den Stratfor hier erwähnte, ist auch jetzt wieder relevant. Anonymous ist keine koheränte Organisation sondern ein loser Verband von Hackern. Jeder kann sich Anonymous nennen. Wenn in den Startfor-Berichten Kritik durchklang, dann insofern, als dass Anonymous einzelne Mitglieder, die von Los Zetas identifiziert werden, nicht schützen kann und dass das Veröffentlichen von Informationen zu unüberschaubaren Folgen und auch zu Morden an Unschuldigen im komplexen Drogenkrieg Mexikos führen könnte.
Auch jetzt schreibt “Anonymous”, dass die, die unter Anonymous’ Flagge Stratfor angegriffen haben, gar nicht zu Anonymous gehören und Anonymus in Verruf bringen wollen. Aber das ist eben das Problem, wenn man sich Anonymous nennt. Man erklärt sich Teil einer Gruppe, die auch einem selbst gegenüber völlig anonym ist. Und die nun verantwortlich ist für eine Attacke auf das, was manchen dort so wichtig war: Transparenz und Informationsfreiheit.

Ich biete 60! 90! 150! VERKAUFT!!!


Malibu Aircraft; 2011-11-06

Nachrichten auf Google News

Categories : Medien  Neuigkeiten  Politik

Feigling…. PC = fucking censorship


Malibu Aircraft; 2011-10-06

Wikimedia Commons
“Pirates of the Caribbean” actor Johnny Depp has apologized for comparing photo shoots to being raped in a Vanity Fair magazine article.

The actor told the November issue of Vanity Fair in an interview that he found being photographed a “weird” experience. “Well, you just feel like you’re being raped somehow,” he was quoted as saying in an excerpt released Tuesday..

Depp, one of the highest-paid leading men in Hollywood, issued a statement Wednesday apologizing for his poor choice of words, according to Entertainment Weekly.

“It was a poor choice of words on my part in an effort to explain a feeling,” he said in the statement. “I understand there is no comparison and I am very regretful.”

Quelle

Categories : Gesellschaft  Medien

Wenn das echt ist…


Malibu Aircraft; 2011-09-24

…dann macht sogar mir so langsam der schnelle Fortschritt der Neurowissenschaften Angst.

The reconstruction (on the right, obviously) was, according to Gallant, “obtained using only each subject’s brain activity and a library of 18 million seconds of random YouTube video that did not include the movies used as stimuli. Brain activity was sampled every one second, and each one-second section of the viewed movie was reconstructed separately.”

Mehr auf Pop Sci.
[via]

Homöopathie tötet – Teil 2


Malibu Aircraft; 2011-09-15

Ich hatte ja schon mal einen Post geschrieben, in dem es darum ging, dass zahlreiche Ärzte und Forscher die Weltgesundheitsorganisation WHO anflehten, Stellung zum Thema Homöopathie, besonders im Zusammenhang mit tödlichen Krankheiten, zu beziehen. Der erfreuliche Nachtrag hierzu: Die WHO hat reagiert.

The World Health Organization has said that homoeopathy should not be used to treat several serious diseases such as HIV, tuberculosis, and malaria, after doctors drew attention to the continuing promotion of such complementary therapies in many developing countries.

WHO also said that it does not recommend homoeopathy for treating diarrhoea in infants or flu.

Quelle: BMJ

Erfreulich auch dieser Beitrag der BBC:

[via]

Gegenexperiment: Man gebe “Homöopathie” in die Suchmaschine auf der ARD-Homepage ein und freue sich über die Ergebnisse. Der erste Treffer: Homöopathie für Haustiere.

Deutsche Konsistenz


Malibu Aircraft; 2011-07-10

Bahrain; Quelle: Wikimedia, Riyaz Ahamed
In der Online-Ausgabe des britischen Guardian erschien gestern ein sehr empfehlenswerter Artikel mit dem Namen “Germany’s contribution to the Arab spring: arms sales”. Er beleuchtet wie das einst linke Mantra “Nie wieder Krieg” zu einer Mainstream-Richtlinie in der deutschen Außenpolitik geworden ist, selbstverständlich nicht im wörtlichen Sinne, sondern nur im Bezug auf eigene militärische Interventionen. Er zeigt auch, dass das aktuelle Beispiel des Panzerdeals mit Saudi-Arabien, kurz nach dem Einmarsch saudischer Truppen in Bahrain zur Niederschlagung dortiger Proteste, sich ebenfalls in ein Grundmuster deutscher Politik einordnet (auch wenn natürlich Zeitpunkt, Ausmaß und die einhergehende Heimlichtuerei eine herausstechende Perfidie darstellen). So erinnert er daran, dass Deutschland nach den USA und Russland nach wie vor der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist.
Doch der Artikel bezeichnet diese beiden Stränge als Widerspruch und eben “etwas heuchlerisch”. Meiner Meinung ist es mehr als das. Deutschland kommt als einer der Supermächte der Welt mit seinen massiven Waffenexporten davon, ohne bisher in der Weltöffentlichkeit als allzu kriegstreiberisch angesehen zu werden (z.B. im Vergleich zu den USA oder Großbritannien), gerade weil es sich mit Berufung auf die eigene Geschichte aus internationalen Militäreinsätzen immer mehr heraushält. Würde es sich diesbezüglich ähnlich engagieren wie Großbritannien würde es im öffentlichen Auge noch wesentlich schlechter dastehen als das Vereinigte Königreich, da dann auch schmutzige Geschäfte wie der Saudi-Deal international noch mehr in den Blick fallen würden.
Es erscheint insofern auch weniger schizophren, sondern vielmehr systematisch, dass Militäreinsätze vom Bundestag abgesegnet werden müssen, während Waffendeals in fast absoluter Geheimhaltung vom Wirtschaftsministerium oder Bundessicherheitsrat beschlossen werden. Ähnlich systematisch wie die Tatsache, dass die zunehmend “pazifistische” Außenpolitik Deutschlands der letzten fünf bis sechs Jahren mit einer Erhöhung der Rüstungsexporte um mehr als 100 Prozent im selben Zeitraum einhergeht.
Auch wenn die Beweggründe für den 200-Panzer-Vertrag sicherlich vornehmlich wirtschaftlicher Natur sind, sollte man aber natürlich auch auf mögliche politische Rechtfertigungsversuche eingehen.
Im mehrheitlich schiitischen Bahrain, dessen Königshaus jedoch sunnitisch ist, findet seit langem eine kaum verhohlene Diskriminierung der Schiiten statt. So sind diese laut Welt z.B. trotz 70 Prozent Bevölkerungsanteil mit nur 2 Prozent in den Sicherheitskräften vertreten. Die Proteste, die momentan stattfinden, gehen vor allem von Schiiten aus und die Wut und Kompromisslosigkeit ist entsprechend hoch.
Es ist nicht klar, wieviel die schiitische Führung des Iran mit den Protesten zu tun hat, aber Israels Zustimmung zum Panzervertrag dürfte vor allem mit Blick auf den großen Nachbarn von Bahrain auf der anderen Seite des persischen Golfs geschehen sein. Es ist zu befürchten, dass Irans Einfluss im Nahen Osten in der Zukunft stark zunehmen wird. Die USA will bis Ende dieses Jahres ihre Truppen aus dem Irak abziehen, was Teheran noch mehr Einfluss dort ermöglichen wird, Khamenei und seine Handlanger haben bisher recht erfolgreich Proteste im eigenen Land niedergeschlagen ohne wie in vielen arabischen Staaten zumindest symbolische Zugeständnisse an die Demonstranten machen zu müssen, die generell instabile Situation in der Region erlaubt dem Iran auf zahlreichen Wegen sympathisierende Gruppen noch mehr als bisher zu unterstützen und das Thema Nuklearwaffen ist auch noch lange nicht vom Tisch.
Saudi-Arabien ist der direkte Konkurrent Irans und wenn Bahrains Königshaus zu Gunsten einer Iran-freundlichen Regierung fällt, haben die Saudis womöglich nicht nur einen wichtigen Handelspartner verloren und müssten eine Destabilisierung der eigenen angrenzenden schiitischen Gebiete befürchten, sie hätten auch einen unberechenbaren militärischen Faktor direkt vor der Haustür.
Die westliche Taktik scheint also zu sein, sich öffentlich auf die Seite der Demonstranten in Saudi-Arabien und Bahrain zu stellen, aber in Wahrheit den alten Verbündeten zu unterstützen. Sicher, man könnte auch gut argumentieren, dass die täglichen Öl-Importe, ohne die der Westen aufgeschmissen wäre, die Herrscher in Riad mehr unterstützt als 200 Panzer. Aber das eine rechtfertigt natürlich nicht das andere und während man das Ölabnehmen irgendwie als Notwendigkeit hinbiegen kann, sind derartige Waffenexporte eine unüberhörbare “Keep going, you’re doing great!”-Botschaft.
Die Ungerechtigkeiten, die in Saudi-Arabien und in Bahrain geschehen, und die Brutalität mit der jeder Protest erstickt wird sind zudem so groß und die Ausdauer des arabischen Frühlings-Sommers so phänomenal, dass es nicht nur aus moralischen, sondern auch aus pragmatischen Gründen mehr Sinn macht, Flagge für die Protestbewegungen zu beziehen und zu hoffen, dass die Menschen, nachdem sie ihre alten Fesseln abgeschüttelt haben, sich keine neuen von den iranischen Machthabern anlegen lassen.
Deutschlands Rolle in all dem ist selbstverständlich doppelzüngig, heuchlerisch und verlogen, aber sie ist nicht in sich widersprüchlich, sondern in alter Tradition systematisch.

Auf Teufel komm raus


Sims Alabim; 2011-05-15

Aus mehrfach aktuellem Anlass erlaube ich mir ganz dreist an dieser Stelle alle Leser (und Autoren!) dieses Blogs auf den spannenden Dokumentarfilm “Auf Teufel komm raus” aufmerksam zu machen. Ich sage das nicht (nur), weil die Regisseurinnen gute Freunde von mir sind: Diesen Film sollte man sich anschauen!

Zu sehen im Monopol in München,  im fsk-Kino in Berlin, in der Filmpalette in Köln, im Mal Seh´n in Frankfurt und im Apollo in Aachen. Und vermutlich nicht länger als Ende Mai. Also sputet Euch!

Noch einmal Bin Laden


Malibu Aircraft; 2011-05-13

Als ich vor kurzem die Anne Will-Sendung „Bin Ladens Liquidierung – darf man sich darüber freuen?“ schauen wollte, wusste ich ungefähr, was mich erwartet. Anne Will – Das ist Wutfernsehen in perfecto. So eine typische Show, die man sich nur anschaut, um sich aufzuregen, weil man es genießt, sich aufzuregen. Und genau das war mir klar und deswegen sollte ich mich nicht beschweren. Ich schaute aber tatsächlich nur die ersten zehn Minuten, in denen nichts anderes geschah, als Folgendes:
Die Anwesenden sind sich darüber einig, dass sie „erleichtert“ waren, als sie die Neuigkeit gehört haben, dass es aber unerhört und dumm von Merkel ist, zu sagen: „Ich habe mich gefreut.“ Die logische Folgerung: Es ist vollkommen absurd und geradezu bösartig, sich zu freuen, wenn man Erleichterung verspürt. (Und wenn man Kanzlerin ist, nach der unwidersprochenen Meinung eines durchgeknallten Richters, möglicherweise gegen das Gesetz.)
Wenn ich an Momente in meinem Leben denke, in denen ich erleichtert war, dann folgte dieser Erleichterung in der Regel auch eine Art Freude. Vielleicht hätte Merkel es spezifizieren müssen:
„Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin erleichtert über Bin Ladens Tod, aber ich verspüre keine explizite Freude. Es ist mehr die Sorte von Erleichterung, die ich auch nach einem richtig ordentlich Schiss verspüre. Man fühlt sich leichter, aber Freude wäre zuviel gesagt. Verstehen Sie, was ich meine?“
Ganz abgesehen davon, dass man theoretisch auch trotz Freude an der Legitimität des Einsatzes zweifeln kann (und dass ich nicht dachte, dass ich mal Merkel verteidigen muss), ist die Korinthenkackerei um ein subjektives Emotionswort fast noch absurder, als die Tatsache, dass es mittlerweile also unerhört ist, beim Tod eines Massenmörders allzu angenehme Gefühle zu haben.
Wie gesagt: Das bedeutet nicht mal, dass es nicht besser gewesen wäre, ihn zu verhaften. Damit kommen wir zum zweiten Punkt:
Ja, es wäre meiner Meinung nach besser gewesen, ihn zu verhaften, auch wenn bzw. gerade weil das folgende Gerichtsverfahren schwer gewesen wäre. Und auch, obwohl es ohne Frage zu grausamen Freipressungsversuchen geführt hätte und zu Anschlägen, welche die, scheinbar nicht an Brutalität zu überbietenden, Racheaktionen in Pakistan auf Dauer wahrscheinlich noch überboten hätten.
Aber warum gehen alle mit dieser Selbstverständlichkeit davon aus, dass es sich um eine geplante Exekution handelte? Nicht dass ich das Gegenteil beweisen könnte, aber ich kann nachvollziehen, warum Soldaten keinerlei unnötige Risiken eingehen wollen in einem völlig unbekannten Gebäude, in dem überall Sprengfallen sein könnten, in dem sich Osama nach den ersten Schusswechseln locker eine dieser „besonderen Westen“ hätte anziehen können und in dem sogar ein „Self-Destruct-Button“ sich nicht so absurd und unlogisch angehört hätte, wie normalerweise. Ich habe auch kein Problem damit zu glauben, dass Bin Laden lieber gestorben wäre, als sich gefangen nehmen zu lassen und sich entsprechend verhalten hat.
Ein gefangener Bin Laden wäre besser gewesen, als ein toter, aber ein toter ist besser als ein freier.

When did you all learn to stop worrying and love the bomb?


Sims Alabim; 2011-05-03

Gegenrede zu 80% der in den letzten Wochen hier veröffentlichten Posts

Werter Kollege Malibu Aircraft,

ich wollte mich zu dem Thema Libyen nicht weiter äußern, ich war zu beschäftigt und des Themas zu müde. Aber die Beharrlichkeit, mit der Du hier im Blog immer wieder drauf herumreitest, wie gerechtfertigt der Nato-Einsatz dort unten eigentlich sei, zwingt mich jetzt doch zu einer Gegenrede. Meine Argumente sind weder neu noch so toll recherchiert wie Deine, aber die müssen jetzt hier einfach stehen, damit ich auch zukünftig andere Menschen guten Gewissens auf die Existenz dieses Blogs hinweisen kann.

Du unterstellst Gegnern des Kriegseinsatzes „Naivität“, stützt Deine komplette Argumentation jedoch auf eine einzige, auch nicht gerade durch intellektuellen Tiefgang auffallende Grundannahme: Gaddafi ist ein böser Mensch, der böse Dinge tut und ausgeschaltet werden muss, weil es dann mit den bösen Dingen ein Ende hat.

Wäre es doch nur so einfach. Wäre Frieden doch einfach damit erreicht, dass man die fünf, sechs bösen Diktatoren auf der Welt (mehr sind es ja nicht) einfach mal wegputzt. Alle übrigen Staatsmänner, Kriegsminister, Generäle, Feldwebel, Korporäle, Tamburmajore, Fußsoldaten, Söldner und wie sie alle heißen (die Waffenindustrie nicht zu vergessen), sind ja im Grunde friedlebende Menschen, die diesen dreckigen Job eigentlich nur machen müssen, weil die fünf, sechs Bösewichte auf der Welt sie beständig aufmischen. Mit irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen hat das nüscht zu tun.

Nein, nein, nein, so sieht die Welt leider nicht aus.

Du selbst hast dich ja schon darüber gewundert, warum es legitim sein soll, Soldaten zu töten, aber nicht die Menschen, die ihnen befehlen (also Gaddafi selbst als primäres militärisches Ziel). Damit hast Du die Absurdität des Kriegseinsatzes, den Du die ganze Zeit verteidigst, selbst schon auf den Punkt gebracht. Allerdings halte ich Deine Argumentation, Gaddafis Soldaten würden alle „von ihrem Diktator unter Todesdrohung zum Kämpfen gezwungen,“ für fadenscheinig. Zwischen Gaddafis Soldaten, die zu ermorden Dir allerdings in einem früheren Artikel eine Sache schien, „von der man nicht einmal weiß, ob sie ein Ãœbel ist“ und den Soldaten der Nato (oder der Bundeswehr, for that matter), besteht kein nennenswerter Unterschied. Beide befolgen denselben Ehrenkodex, gehorchen demselben Pflichtgefühl, sind getrieben von der gleichen Vaterlandsliebe und Autoritätshörigkeit. Die einen haben eben nur das Pech, dass ihr oberster Befehlshaber der böse Gaddafi ist, die anderen das Glück, dass sie dem guten Obama unterstehen. Mehr Unterschied besteht nicht. Ob es „Zivilisten“ oder Soldaten erwischt, es erwischt immer Menschen, die nicht aufgrund ihrer Schlechtigkeit den Tod verdient haben, sondern die einfach zur falschen Zeit im falschen Staat leben.

Nebenbei gesagt halte ich es auch für ein etwas absurdes Bild, sich vorzustellen, wie ein Diktator bei Todesstrafe die eine Hälfte seines Volkes zwingt, die andere Hälfte umzubringen. Wie kann eine Armee von sich behaupten, nicht anderes handeln zu können, als eben zu kämpfen, weil sie von ihrem Diktator dazu gezwungen wurde? Das Druckmittel, das ein Diktator auf andere Menschen ausüben könnte, besteht eben nur darin, eine Ãœbermacht bewaffneter Männer auf seiner Seite zu haben – die bewaffneten Männer können sich also schlecht darauf hinausreden, von sich selbst zum Kriegseinsatz gezwungen worden zu sein – obwohl das ironischerweise auf einer übergeordneten Ebene der Wahrheit wieder Nahe kommt, denn Diktatoren funktionieren nur in einem System, in dem die Legitimation von Waffengewalt eine erhebliche Rolle spielt.

Und nach diesem System funktionieren dann auch jene Kriege, die uns von diesen bösen Diktatoren befreien sollen. Freilich bleiben dabei einige von ihnen (den bösen Diktatoren) auf der Strecke. Aber das System erhält sich weiter. Das System, das sie besiegen soll, ist dasselbe, das sie erst hervorgebracht hat – und wir wundern uns dann, dass es Neue hervorbringt.

Also gut: Dann eben nicht Soldaten töten, sondern gleich nur ihre bösen Anführer. Möglichst gezielt ausschalten. Sich ruhig die Finger dabei dreckig machen. Auch wenn das heißt, dass man die Völker- und Menschenrechte, die man dabei verteidigt, im Einzelfall eben brechen muss. Schnelle militärische Konfliktlösungen (früher Blitzkriege genannt) und internationales Recht beißen sich eben. Da muss man durch, wenn es darum geht, den Bodycount gering zu halten. (Man sollte dann allerdings schon auch zusehen, dass man die Typen auch sauber erwischt. Erst ihre Söhne und Enkelkinder abknallen ist strategisch vielleicht kein so guter Move…)

In meinen Augen geht es bei dem Einsatz aber nicht vordringlich um das Niedrighalten des Bodycounts. Dieses Zurückhalten von Bodentruppen, dieses halbherzige Eingreifen, dieser verquere Vorsatz, der regulierenden Gerechtigkeit von außen sei genüge getan, wenn man durch Waffenlieferungen an die Rebellen ein „Gleichgewicht der Kräfte“ herstellte, ist nichts anderes als der Versuch, zu demonstrieren, wie zivilisiert, überlegt, zurückhaltend und streng nach Protokoll man also einen Krieg führen kann. Man will damit zeigen, dass man das Leid der Zivilbevölkerung ernst genug nimmt, um nicht „beiseite zu stehen“, aber den Krieg doch so weit verachtet, dass man ihn eben nur so ein Bisschen einsetzt, so viel wie gerade sein muss, aber auch nicht mehr. Und damit verlängert man das Leiden aller Beteiligten. Für mehr war Krieg auch noch nie gut.

Wir werden hier Zeuge der Neuinszenierung einer Farce, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges schon mehrfach aufgeführt worden ist. An unterschiedlichen Bühnen, mit unterschiedlichen Akteuren und mit unterschiedlich überzeugender Inszenierung, aber letztendlich ist es immer dasselbe: Auf der einen Seite der böse Diktator, der wahlweise damit droht, den Kommunismus auf der Welt zu verbreiten, waffenfähiges Plutonium zu horten, oder eben, Zivilisten umzubringen, auf der anderen die humanitäre westliche militärische Ãœbermacht, die aus reiner Menschenfreundlichkeit eingreifen muss. Hier geht es doch auch wieder darum, der ziviliserten Welt zu beweisen, dass das Militär eine zwar unschöne aber notwenige Einrichtung ist, weil manchmal nur so das Blutvergießen gestoppt werden kann. Ein moderner Mythos, der immer wieder genährt werden muss, um die Existenz von Armeen zu legitimieren.

Während des ersten Irakkrieges hieß es, die Soldaten Saddam Husseins hätten kurdische Babys aus den Brutkästen gezerrt und in Öfen verbrannt. Später stellte sich dann heraus, dass die Augenzeugen, die davon berichteten, von den USA geschmierte Schauspieler waren. Beim letzten Irakkrieg hieß es, Saddam hätte Massenvernichtungswaffen. Sie wurden nie gefunden. Jetzt heißt es: Gaddafi tötet Zivilisten. Gibt es irgendein neues, irgendein originelles, irgendein nachvollziehbares Argument für diesen Kriegseinsatz, das sich nicht herunterbrechen lässt auf: „Diesmal aber echt. Zivilsten, wirklich. Kam auf BBC. Der Typ is so übel!“

Ich will damit nicht einmal unterstellen, dass das genauso gelogen ist, wie die Argumente gegen Saddam Hussein. Ich will damit nicht einmal unterstellen, der Bürgerkrieg sei durch den CIA angezettelt worden, obwohl dieser Gedanke naheliegt und ich die Selbstverständlichkeit, mit der die Rebellen militärische Unterstützung der Nato verlangen, verdächtig finde. Traurigerweise kommt es darauf gar nicht an, sondern darauf, dass diese Buhmannagrumentation impliziert, das Problem wäre nicht die Existenz von Militär (oder die jahrzehntelange Fremdbestimmung sämtlicher Politik im Nahen Osten durch die USA), sondern immer nur einzelne, durchgeknallte Bösewichte.

Was uns hier verkauft wird, ist das Idealbild eines gerechtfertigten, aus humanitären Gründen geführten Krieges. An dieses Bild müssen wir glauben können, wir müssen es am Leben erhalten, wenn wir weiterhin Armeen unterhalten, Waffen herstellen und uns die Mittel über die wirtschaftliche Kontrolle anderer Völker in der Hinterhand behalten wollen. Und damit läuft eine Maschinerie weiter, die den Nährboden für Kriege und für Typen wie Gaddafi überhaupt bereitet: Wieder sind es die USA und andere westliche Industrienationen, die darüber entscheiden, welche Regierung ein arabischer Staat, auf dessen Boden sich Öl befindet, haben darf und welche nicht. Wieder wird es nicht das Volk selbst sein, das über seine Regierung bestimmt, und das kann einfach nicht zu einer dauerhaft stabilen Lage führen.

Es gibt keine in sich stimmige Logik der humanitären Kriegsführung, die nicht irgendwann auf Widersprüche und Paradoxien stößt, wie sie dir ja teilweise selbst aufgefallen sind. Es gibt kein Recht, keine internationalen Verträge, keine Genfer Konventionen, keine Un-Resolutionen, die in letzter Konsequenz nicht lächerlich wären, denn sie alle sind ein Versuch, das Töten als Mittel zur Verhinderung des Tötens weniger grausam zu machen, was nicht funktionieren kann. Die einzige Logik, nach der ein Krieg letztlich funktioniert, ist das Recht des Stärkeren. Nicht wer für die richtige Sache ist, sondern wer stärker zuschlagen kann, gewinnt. So einfach ist das. An einer Gesellschaft zu glauben, in der Krieg als Mittel zur Gerechtigkeitsschaffung wirksam sein kann, hieße also, an eine Gesellschaft zu glauben, in der der Gute auch immer die Stärkere und der Böse immer der Schwächere sein muss. Dann aber bitte gleich Schluss mit der Heuchelei und her mit einer Weltpolizei, die einfach ohne Mandat überall eingreifen kann, wo es kracht, um sämtliche Streithähne sofort und gezielt auszuschalten. Wenn du mir jetzt erklären kannst, wie eine solche Weltpolizei sich legitimieren und vor jeglichem Machtmissbrauch schützen kann, bin ich wirklich bereit, dir zuzuhören, wenn Du mir weiterhin etwas von humanitären Kriegseinsätzen erzählen willst.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin kein Fan von Gaddafi, ich sehe in ihm keinen verleumdeten Staatsmann, der Gutes für sein Volk will, ich bestreite nicht einmal, dass es Situationen gibt, in denen ein gezielter und übermächtiger Kriegseinsatz unterm Strich Menschenleben rettet – wenn man nur die Parameter unter denen man die Lage betrachten will, eng genug fasst. Ich bestreite nicht einmal, dass meine Forderung, Krieg als Mittel zur Konfliktlösung kategorisch und unter allen nur erdenklichen Umständen schlicht und einfach abzulehnen, mit Recht ebenfalls naiv genannt werden kann.
Aber wenn es erwachsen ist, Kriegseinsätze für gerecht zu halten, weil man viel Christopher Hitchens gelesen hat, und stolz darauf ist, zu was für einer kontroversen Meinung man sich als eigentlicher Kriegsgegner durchgerungen hat – dann will ich nicht erwachsen werden.

Nein, ich habe auch keine Patentantwort auf die Frage, die unvermeidlich kommen wird: Was will man denn dann gegen Typen wie Gaddafi unternehmen, bitteschön? Wenn solche Typen erst einmal da sind und genug Macht in ihren Händen haben um damit übel anzurichten, ist die Lage wirklich vertrackt. Aber dass man mit militärischen Mitteln immer nur mit viel Blut erkaufte Teilsiege erringt, die letztendlich die gleiche Ausgangslage früher oder später erneut heraufbeschwören, sollte uns nach einigen tausend Jahren Menschheitsgeschichte inzwischen klar sein…

Mit besten Grüßen,

Sims Alabim.

Pakistan – ein Verbündeter, der nicht wirklich einer sein will und kann


Malibu Aircraft; 2011-05-03

Während die Tatsache, dass Bin Laden getötet wurde, allgemein als Erfolg für die USA und Obama persönlich bewertet wird, sollten die Umstände etwas mehr zu denken geben.
Osama wurde bereits seit August in Abbottabad vermutet, einem Ort nur 50 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt entfernt. Er lebte in einem dreistöckigen Haus (geschätzter Wert: 1 Million Dollar), das erst vor ein paar Jahren gebaut worden ist und welches sich nur einen Kilometer entfernt von der angesehensten Militärakademie Pakistans befindet.
Und nun stellt sich die Frage, ob Pakistan im Voraus eingeweiht wurde. Angesichts des “offenen Geheimnisses”, dass Pakistans Militär, Geheimdienst und Politik bis in die höchsten Ebenen von Talibansympathisanten durchwuchert ist, erscheint dies eher unwahrscheinlich. Manchmal sind in solchen Fällen die ersten Meldungen glaubhafter, als die später in Politikersprache gekleideten Stellungsnahmen. So berichtete die Washington Post:

The United States did not share any intelligence with foreign governments, including Pakistan’s, and only a “very small number” of people within the U.S. government knew about it, one official said.

Obamas Aussagen scheinen dem nur oberflächlich betrachtet zu widersprechen. Er sagte in seiner Ansprache zwar:

“it’s important to note that our counterterrorism cooperation with Pakistan helped lead us to bin Laden and the compound where he was hiding.”

Doch ein anderes Bild ergibt sich, wenn man das Zitat im Zusammenhang betrachtet:

Over the years, I’ve repeatedly made clear that we would take action within Pakistan if we knew where bin Laden was. That is what we’ve done. But it’s important to note that our counterterrorism cooperation with Pakistan helped lead us to bin Laden and the compound where he was hiding. Indeed, bin Laden had declared war against Pakistan as well, and ordered attacks against the Pakistani people.

Der erste Satz hört sich deutlich genug an und enthält kein “aber nur mit Zustimmung Pakistans”. Der letzte Satz klingt fast wie eine halbe Entschuldigung für das Nichteinweihen. Und der mittlere Teil widerspricht bei genauerer Betrachtung dem Zitat aus der Washington Post mitnichten.

Obama fährt fort:

Tonight, I called President Zardari, and my team has also spoken with their Pakistani counterparts. They agree that this is a good and historic day for both of our nations.

“Tonight”, das bedeutet ungefähr soviel wie im selben Zeitraum in der er seine kurze Rede gehalten hat (11:35 P.M.). Also als Osama schon längst tot war. Hätte der Austausch schon vorher stattgefunden, wäre dies die perfekte Stelle gewesen, um es zu sagen.

Der ganze Ablauf symbolisiert perfekt die Beziehung zwischen Amerika und Pakistan. Zardari könnte genau wie Karzai keine Woche ohne die Unterstützung durch US-Millionen im Amt überleben. Gleichzeitig gehört auch Kuhhandel, Korruption und das Hintergehen der USA zu seinem täglichen Geschäft.

Pakistanische Politiker, genau wie das Militär, wussten schon immer, dass sich Amerika im Gegenzug offenhält, auch ohne Zustimmung auf ihrem Gebiet zu operieren. Der im Einsatz benutzte Hubschrauber war natürlich auf dem Radar sichtbar, also muss es theoretisch eine minimale Zusammenarbeit gegeben haben, die sich aber auch auf “Das ist unsrer, also Schnauze.” beschränkt haben könnte.

Das Ganze zeigt, dass Pakistan nicht wirklich ein Staat im herkömmlichen Sinne ist. Selbst Zardari könnte wahrscheinlich auf irgendeiner Ebene nachvollziehen, warum sein löchriger Geheimdienst nicht eingeweiht wurde. Wenn er selbst Bescheid wusste, könnte er aber auch kaum rechtfertigen, warum er diesem nichts gesagt hat.

So unerfreulich es ist: Dass die USA in Pakistan ungefragt rumschießt, war in diesem Fall wohl die beste Variante.

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