Dass es auf dieser Seite in den letzten Monaten sehr still geworden ist, liegt nicht etwa daran, dass die Autoren sich inzwischen gegenseitig an die Gurgel gegangen oder auf der Flucht von der CIA ins Ausland abgetaucht wären. Im Gegenteil. Ich und meine Freunde und Kollegen sind wohlauf und schwer aktiv, allerdings nicht mehr in diesem Blog. Stattdessen versuchen wir, unsere Steckenpferde zu veritablen Turnierhengsten upzugraden. Bei mir wäre es das Filmemachen, das mich in letzter Zeit so sehr beschäftigt, dass für Bloggerei keine Zeit mehr ist. Insofern bleibt mit im Augenblick nur noch, das Vorhandensein dieser Plattform zu nutzen, um schamlos Eigenwerbung für meinen Film zu machen und die paar verlorenen Seelen, die das hier lesen, gnadenlos ins Kino zu treiben.
Der Film heißt “Drei Stunden”, dauert nur halb so lang, kommt am 25.7. bundesweit ins Kino und ist sehr gut.
Er ist mein Versuch, dem in Deutschland oftmals schändlich misshandelten Genre der Romantic Comedy ein wenig Phantasie und Intelligenz zurückzugeben. Aufmerksame Leser dieses Blogs werden womöglich sogar Auszüge aus Texten wiedererkennen, die hier erschienen sind. Das liegt dann nicht daran, dass dieser Drehbuchautor und Regisseur Boris Kunz schamlos von dem unbekannten Blogger Sims Alabim geklaut hätte, sondern dass diese beiden tatsächlich eine Person sind. Das ist dann immerhin mehr, als Helene Hegemann von sich behaupten kann.
Auf dieser Homepage kann man mehr über den Film und die dazugehörigen Spielstätten erfahren. Ersterer und Letztere freuen sich bei diesem Sommerwetter über jede verkaufte Eintrittskarte!
Und um einem möglichen teuflischen Plan eventueller begeisterter Blogleser vorzubeugen: Nein, ein Boykott des Films wird nicht dazu führen, dass ich wieder mehr Zeit für instant-eistee haben werde. Und das tut mir sogar aufrichtig leid.
Es gibt nicht mehr viel, was zu Kony2012 noch nicht gesagt wurde. Für mich ist es eines der Themen, wo ich eine leichte Antipathie gegenüber beiden Seiten (Kony2012 und den Kritikern) verspüre, ohne sie mir ganz erklären zu können.
Wobei: Die Aversion gegen Invisible Children, der Organisation hinter dem Video, ist schnell erklärt. Abgesehen von der Tatsache, dass von den Spenden grade mal ein Drittel ankommt, und man dazu verleitet werden soll, teure Aktions-Kits mit Armbändern und Plakaten zu kaufen, anstatt beispielsweise Geld in Flüchtlingslager zu stecken, widert auch die unglaubliche Vereinfachung des Konflikts an.
Ben Keesey, der CEO von Invisible Children, sagte: “There are few times where problems are black and white. There’s lots of complicated stuff in the world, but Joseph Kony and what he’s doing is black and white.”
Nichts ist simpel daran, eine Armee aus traumatisierten, gehirngewaschenen Kindern zu bekämpfen, die von einem christlichen Fanatiker mit Wahnvorstellungen und möglicherweise einer multiplen Persönlichkeitsstörung angeführt wird. Die LRA „initiiert“ ihre Kindersoldaten in dem sie die gerade Entführten auf Todesmärsche schickt. Die Kinder werden gezwungen, die Schwachen zu Tode zu schlagen, bevorzugt die eigenen Familienangehörigen, oder sie sterben selbst. Kony überzeugt sie dann, dass sie sein „Zeichen“ tragen und er sie überall wiederfinden kann, wenn sie sich von ihm abwenden.
Selbst wenn die ugandische Armee, die wir laut Invisible Children Inc. unterstützen sollten, eine weiße Weste hätte: Wie bekämpft man so eine Kinderarmee, ohne selbst Kinder zu töten?
Dazu kommt natürlich noch die Kleinigkeit, dass das ugandische Militär selbst Kindersoldaten einsetzt und für allerlei Grausamkeiten verantwortlich ist.
Und nicht zu vergessen: Die LRA ist in den letzten Jahren so gut wie gar nicht mehr in Uganda aktiv. Schon seit längerer Zeit wird sie von der sudanesischen Regierung gedeckt, den islamistischen Fanatikern, die auch für Darfur verantwortlich sind.
Und so bleibt nur der bittere Gedanke, dass man damals vielleicht sogar gleich das LRA-Problem hätte lösen können, wäre man militärisch eingeschritten.
Der Grund warum ich mich aber auch nicht ganz mit allen Kony2012-Bashern identifizieren kann, ist vielleicht, dass es doch beeindruckend ist, wieviel Aufmerksamkeit für die LRA in kürzester Zeit generiert wurde. Schade natürlich, dass das ganze ein so positives Beispiel für Netzaktivismus hätte sein können.
Das Hauptproblem liegt darin, wie sehr die Sache simplifiziert wird, was aber andererseits gerade auch ein Grund für den Erfolg des Videos sein dürfte. Was man vielleicht hoffen kann, ist dass zukünftige Projekte dieser Art (hoffentlich von transparenteren Organisationen) die Balance da besser finden und vom Erfolg von Kony2012 ermutigt werden.
Um nach langer Zeit einfach Mal wieder irgendwas von mir zu geben, hier ein kurzer Gedanke zum Thema NPD-Verbot.
Irgendwie ein Thema, bei dem man nicht so recht weiß, wie man sich als “guter Demokrat” fühlen soll. Das Verbot einer Partei, egal welcher politischen Richtung, riecht immer ein wenig nach Zensur, nach einer ersten Verzweiflungstat der Mächtigen, die einem wachsenden Unmut nicht Herr werden und deshalb keine Stimme geben wollen, nach einem ersten Schritt in Richtung Faschismus. Gleichzeitig propagieren manche Parteien eben Faschismus, und diesem Gedankengut will man ja auch keine Plattform geben.
Wenn wir die Wahl haben, der NPD entweder die Möglichkeit zu geben, sich in politisch radikalen Kreisen zu Märtyrern ihrer verlorenen Heimat zu stilisieren, oder die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit eben dieser Heimat lächerlich zu machen und als ihrer eigenen Sprache nicht gewachsen bloßzustellen, sollten wir uns dann nicht für Letzteres entscheiden?
Am 24.09. haben Thomas Jäkel und Marco Brüders [shameless plug] mit denen ich in der Improgruppe Changeroos spiele [/shameless plug] für ihre auch sonst rundum empfehlenswerte Seite Impro-News.de ein Interview mit dem Godfather of Impro, dem großartigen Keith Johnstone geführt. Ein Muss für jeden, der an Impro interessiert ist, aber auch generell zum Thema Kreativität interessant. Gibt einem als Impro-Spieler jedenfalls einiges zu denken und zum Teil auch ein schlechtes Gewissen.
…dann macht sogar mir so langsam der schnelle Fortschritt der Neurowissenschaften Angst.
The reconstruction (on the right, obviously) was, according to Gallant, “obtained using only each subject’s brain activity and a library of 18 million seconds of random YouTube video that did not include the movies used as stimuli. Brain activity was sampled every one second, and each one-second section of the viewed movie was reconstructed separately.”
Ich hatte ja schon mal einen Post geschrieben, in dem es darum ging, dass zahlreiche Ärzte und Forscher die Weltgesundheitsorganisation WHO anflehten, Stellung zum Thema Homöopathie, besonders im Zusammenhang mit tödlichen Krankheiten, zu beziehen. Der erfreuliche Nachtrag hierzu: Die WHO hat reagiert.
The World Health Organization has said that homoeopathy should not be used to treat several serious diseases such as HIV, tuberculosis, and malaria, after doctors drew attention to the continuing promotion of such complementary therapies in many developing countries.
WHO also said that it does not recommend homoeopathy for treating diarrhoea in infants or flu.
Gegenexperiment: Man gebe “Homöopathie” in die Suchmaschine auf der ARD-Homepage ein und freue sich über die Ergebnisse. Der erste Treffer: Homöopathie für Haustiere.
Was man in den letzten Tagen von den Anti-Interventionisten hört, bestätigt mal wieder, mit viel …sagen wir es freundlich… Naivität man hierzulande davonkommt, solange man sich “Frieden” auf die Flagge schreibt.
Im Moment steht die Frage im Raum, ob sich das Eingreifen als “Krieg” bezeichnen lässt. Dafür spricht, dass die Koalition bereits über das Einrichten einer Flugverbotszone hinausgegangen ist und Frankreich beispielsweise eine Panzerkolonne auf dem Weg nach Benghazi zerbombt hat. Auch wenn solche dankenswerten Ziele die Ausnahme bleiben werden, ist die Frage berechtigt, ob man etwas nur dann als Krieg bezeichnen kann, wenn alle Seiten Bodentruppen einsetzen. Das Herumtanzen um das K-Wort, z.B. durch amerikanische Offizielle, erinnert unschön an die Ewigkeit, die es gebraucht hat, bis die deutsche Regierung den Afghanistaneinsatz endlich als das bezeichnete, was er von Anfang an war: Krieg. Dass die Intervention aber kriegerisch ist, bedeutet mal wieder nicht, dass die Alternative Frieden heißt.
Es fällt jedenfalls auf, dass viele, die jetzt für klare Begriffe werben, größere Schwierigkeiten mit Begriffen wie “Krieg gegen die eigene Bevölkerung” oder “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” haben, wenn es um Gaddafis “Politik” geht.
„Der Diktator führt Krieg gegen sein eigenes Volk, bombardiert systematisch seine eigene Bevölkerung, massakriert die Zivilbevölkerung seines Landes“ – ja, das alles, in den vergangenen Tagen tausendfach wiederholt, wären Beispiele für gravierende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töteten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf – in bestimmten Grenzen – bewaffnete innere Aufstände zunächst einmal bekämpfen.
Der letzte Satz ist nach allgemeiner, internationaler Auffassung sogar richtig. Um die verzerrte Wirklichkeit des Rests deutlich zu machen, sollten wir erst mal ein paar Schritte zurückgehen.
Gaddafi is implementing a strategy of scorched earth. It is reasonable to fear that he has, in fact, decided to largely eliminate, wherever he still can, Libyan citizens who stood up against his regime and furthermore, to systematically and indiscriminately repress civilians. These acts can be characterised as crimes against humanity, as defined in Article 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court.
Selbst die psychopathischen Ansprachen mit Endzeit-Rhetorik des Diktators selbst scheinen jedoch Manche von seiner Gefährlichkeit nicht überzeugen zu können. In Libyen konnte man gut beobachten, wie die Demonstranten letztendlich gar keine andere Wahl mehr hatten, als selbst zu den Waffen zu greifen.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass sie das immer und in jedem Fall auf gerechtfertigte Weise oder dass sie mit diesen Waffen dann nur Gerechtfertigtes getan haben. Es bedeutet auch nicht, dass sie, wenn Gaddafi fällt, einen Staat schaffen, den wir unter Demokratie-, Stabilitäts- und Menschenrechtsgesichtpunkten mit Sicherheit gut heißen können. Wir haben hier aber nicht die Wahl zwischen zwei Ãœbeln, sondern die Wahl zwischen einem Ãœbel bzw. einer Regierung, die sich kaum schlimmer verhalten könnte, und etwas, von dem wir noch nicht richtig wissen, inwieweit oder ob es ein Ãœbel ist.
Gaddafis Ende wird kommen. Seine megalomanischen Reden und der Zerfall seines engsten Kreises haben gezeigt, wie es um ihn steht. Ein weiteres, trauriges Bild über die Loyalität seiner Armee zeichnen Exekutioneneigener Soldaten, zu denen er sich offensichtlich “gezwungen” sieht. Natürlich kann es bis zu seinem Ende noch Monate oder Jahre dauern. Mit dem Nachhelfen durch ein Militärbündnis können aber die Leben von Tausenden von Libyern geschont werden.
Vorausgesetzt er ist authentisch, zeigt dieser Bericht einer Frau in der libyschen Hauptstadt Tripolis ganz gut die Lage dort.
Es scheint, als wären zwei libysche Kampfjets auf Malta gelandet, deren Piloten desertiert sind, nachdem sie den Befehl erhalten hatten, auf Demonstranten zu schießen. Die meisten libyschen Diplomaten bei der UN traten zurück und einer sagte: “We are aware that this will put our families back home in danger, but they are in danger anyway”. Vorher waren bereits andere hochrangige Funktionäre im Land zurückgetreten. Benghazi, die zweitgrößte Stadt Libyens ist wahrscheinlich bereits unter Kontrolle der Protestler. Kampjets, Hubschrauber, Scharfschützen und Söldner in Fahrzeugen beschießen laut Al Jazeera wahllos Demonstranten.
Doch die EU, die als drittgrößter Abnehmer des libyschen Öls deren Mitglieder Italien, Frankreich, Deutschland, Griechenland und das Vereinigte Königreich zusammen bereits 83 Prozent des libyschen Öls abkaufen, mit ihren viel engeren diplomatischen Beziehungen als beispielsweise die USA, tut effektiv nichts. (Deutschland importiert allein etwa 10 Prozent.) Selbst jetzt, wo sein Fall nur noch eine Frage der Zeit ist, hört man auch von den einzelnen Staatschefs keine Forderungen nach der Abdankung des oft hofierten Muammar al-Gaddafi.
Ich muss sagen, dass mich die Geschehnisse in Ägypten wie bisher kaum etwas anderes gefangen halten. Meine Hauptquelle ist dabei Al Jazeera English, besonders der Live Blog und Stream.
Anscheinend gilt das unter anderem auch für Jimmy Carter, der über die Ereignisse sagte: “This is the most profound situation in the Middle East since I left office”. Auch das Weiße Haus verlässtsich wohl zum Teil auf die Berichterstattung von Al Jazeera. Der Zugriff auf die Website der englischen Version des Senders, dessen Name mit Bezug auf die arabische Halbinsel schlicht “Die Insel” bedeutet, hat übrigens seit letztem Freitag um 2500 Prozent zugenommen.
Al Jazeera ist sicherlich, besonders in seiner offen feindlichen Einstellung gegenüber Israel, kein neutraler Sender. Auch politische Einflussnahme durch das Land, in dem er seinen Hauptsitz hat, die absolute Monarchie Katar, lässt sich nach von Wikileaks veröffentlichen Depeschen keinesfalls ausschließen. Danach hat Katar Mubarak sogar angeboten “we would stop al-Jazeera for a year'”, was sich wohl auf die Ausstrahlung in Ägypten bezieht. Im Austausch dafür sollte Ägypten seine Position im Israel-Palästina-Konflikt ändern. Man könnte aber auch mutmaßen, dass das stoppen die negative Berichterstattung über das ägyptische Regime meint. Genauso gut könnte es jedoch ebenfalls sein, dass die Diplomaten aus Katar mehr Einfluss auf Al Jazeera vorspiegeln als sie haben. Zweifellos verdankt Al Jazeera aber, besonders nachdem es aus Saudi-Arabien vertrieben wurde, seine Existenz der Finanzierung durch das Emirat Katar.
Auf der anderen Seite sind Al Jazeeras Bedeutung und Errungenschaften unbestritten. Al Jazeera ist der erfolgreichste Sender im arabischen Raum, bemüht sich regelmäßig auch um Objektivität und hat als erstes das Nachrichtenmonopol regionaler Regime durchbrochen.
Selbstverständlich muss und sollte man sich nicht nur auf einen “News-Output” verlassen, auch wenn Al Jazeeras Anzahl an Quellen in Ägypten und das Ausmaß der Berichterstattung sicher einzigartig ist. boingboing hat hier auf jeden Fall noch andere hilfreiche Links zusammengestellt.
Als ich mich vor etwa einem Monat selbst davon überzeugen konnte, dass die Webseiten von Mastercard und Visa nicht aufrufbar waren, hatte ich ein fettes Grinsen auf dem Gesicht. Mastercard und Visa hatten in einer erstaunlichen Mischung aus Opportunismus, Feigheit und Heuchelei die Spendenkonten von Wikileaks gesperrt. Selbst Organisationen wie der Ku-Klux-Klan bleiben von derartigen Aktionen verschont.
Es schien wie eine herrliche Racheaktion, in der eine Gruppe Nerds die mächtigsten Kreditkartenunternehmen der Welt ins Wanken brachten. Was sollte einen daran hindern, den Anblick des leeren Browserbilds genüsslich einzusaugen.
Wie wäre es mit ein bisschen Verstand, der sich langsam wieder in meinen Hirnwindungen breit machte? Ich habe also nichts dagegen, wenn eine Gruppe selternannter Hacktivisten (gibt es ein bescheuerteren Ausdruck?) entscheidet, welche Seiten ich aufrufen kann und welche nicht? Und dabei unter dem Projektnamen “Avenge Assange” (Antwort: ja) beispielweise auch die Seite des schwedischen Staatsanwalts zum Erliegen bringt?
So viele Dinge laufen in der Diskussion um Wikileaks schief. Beginnend damit, die Teilnehmer an den einfach durchzuführenden DDOS-Attacken ernsthaft als ernsthafte Hacker zu bezeichnen, über die übermäßige Fokussierung auf die Ziele von Wikileaks, die ich selbstverständlich nicht gutheißen muss, um Wikileaks’ Rechte zu verteidigen, bis hin zu dem absurden Maß an Aufmerksamkeit, das dem Schnösel Assange gewährt wird.
Dabei gibt es durchaus interessante Fragen die Wikileaks aufwirft, z.B.: Ist die Art und Weise, wie bisher Diplomatie gemacht wird, in der heutigen vernetzten Welt weiterhin möglich? Wieviel Transparenz können wir fordern, ohne den Grundfesten der Diplomatie zu schaden?
Ich finde es schwer, ernsthaft über Wikileaks zu diskutieren, solange diese Fragen nicht geklärt sind.