Verteidigung des militärischen Eingreifens in Libyen


Malibu Aircraft; 2011-03-23

Was man in den letzten Tagen von den Anti-Interventionisten hört, bestätigt mal wieder, mit viel …sagen wir es freundlich… Naivität man hierzulande davonkommt, solange man sich “Frieden” auf die Flagge schreibt.

Im Moment steht die Frage im Raum, ob sich das Eingreifen als “Krieg” bezeichnen lässt. Dafür spricht, dass die Koalition bereits über das Einrichten einer Flugverbotszone hinausgegangen ist und Frankreich beispielsweise eine Panzerkolonne auf dem Weg nach Benghazi zerbombt hat. Auch wenn solche dankenswerten Ziele die Ausnahme bleiben werden, ist die Frage berechtigt, ob man etwas nur dann als Krieg bezeichnen kann, wenn alle Seiten Bodentruppen einsetzen. Das Herumtanzen um das K-Wort, z.B. durch amerikanische Offizielle, erinnert unschön an die Ewigkeit, die es gebraucht hat, bis die deutsche Regierung den Afghanistaneinsatz endlich als das bezeichnete, was er von Anfang an war: Krieg. Dass die Intervention aber kriegerisch ist, bedeutet mal wieder nicht, dass die Alternative Frieden heißt.

Es fällt jedenfalls auf, dass viele, die jetzt für klare Begriffe werben, größere Schwierigkeiten mit Begriffen wie “Krieg gegen die eigene Bevölkerung” oder “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” haben, wenn es um Gaddafis “Politik” geht.

Hier ein Ausschnitt aus einem Artikel der FAZ:

„Der Diktator führt Krieg gegen sein eigenes Volk, bombardiert systematisch seine eigene Bevölkerung, massakriert die Zivilbevölkerung seines Landes“ – ja, das alles, in den vergangenen Tagen tausendfach wiederholt, wären Beispiele für gravierende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töteten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf – in bestimmten Grenzen – bewaffnete innere Aufstände zunächst einmal bekämpfen.

Der letzte Satz ist nach allgemeiner, internationaler Auffassung sogar richtig. Um die verzerrte Wirklichkeit des Rests deutlich zu machen, sollten wir erst mal ein paar Schritte zurückgehen.

Der Befehl zu Luftangriffen auf Demonstranten hat bereits früh dazu geführt, dass Piloten nach Malta desertiert sind oder ihre Jets per Fallschirm verlassen haben. Weiterhin wurde nicht nur auf Demonstranten geschossen, sondern, wie Amnesty International berichtete, auch auf Sanitäter des Roten Halbmonds (wie in islamischen Ländern das Rote Kreuz heißt), welche eindeutig als solche zu erkennen waren und welche versuchten, verletzten Protestlern zu helfen. Als wäre das noch nicht genug, wurde von Söldnern berichtet, die in Krankenwagen durch die Straßen fuhren und wahllos auf Passanten schossen und von Demonstranten, die aus Krankenhäusern entführt und exekutiert wurden. Selbstverständlich lässt sich bei einigen dieser Berichte fragen, wie man ihren Wahrheitsgehalt mit letzter Sicherheit bestätigen kann. Die Berichte über das wahllose Schießen auf unbewaffnete Zivilisten, mal von Häuserdächern, mal aus Fahrzeugen heraus, mal auf Beerdigungen von gestorbenen Demonstranten, mal mit Artillerie und mal aus der Luft (zumindest das hat jetzt aufgehört) sind aber so zahlreich, dass eine Leugnung dieses Sachverhalts absurd und zynisch ist. Was braucht es denn noch, um es “glaubhaft zu belegen”? Die Internationale Föderation für Menschenrechte, der älteste internationale Dachverband für Menschenrechtsorganisationen (mit 164 Mitgliedern aus 100 Ländern), hat bereits am 24. Februar festgestellt:

Gaddafi is implementing a strategy of scorched earth. It is reasonable to fear that he has, in fact, decided to largely eliminate, wherever he still can, Libyan citizens who stood up against his regime and furthermore, to systematically and indiscriminately repress civilians. These acts can be characterised as crimes against humanity, as defined in Article 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court.

Selbst die psychopathischen Ansprachen mit Endzeit-Rhetorik des Diktators selbst scheinen jedoch Manche von seiner Gefährlichkeit nicht überzeugen zu können. In Libyen konnte man gut beobachten, wie die Demonstranten letztendlich gar keine andere Wahl mehr hatten, als selbst zu den Waffen zu greifen.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass sie das immer und in jedem Fall auf gerechtfertigte Weise oder dass sie mit diesen Waffen dann nur Gerechtfertigtes getan haben. Es bedeutet auch nicht, dass sie, wenn Gaddafi fällt, einen Staat schaffen, den wir unter Demokratie-, Stabilitäts- und Menschenrechtsgesichtpunkten mit Sicherheit gut heißen können. Wir haben hier aber nicht die Wahl zwischen zwei Ãœbeln, sondern die Wahl zwischen einem Ãœbel bzw. einer Regierung, die sich kaum schlimmer verhalten könnte, und etwas, von dem wir noch nicht richtig wissen, inwieweit oder ob es ein Ãœbel ist.

Gaddafis Ende wird kommen. Seine megalomanischen Reden und der Zerfall seines engsten Kreises haben gezeigt, wie es um ihn steht. Ein weiteres, trauriges Bild über die Loyalität seiner Armee zeichnen Exekutionen eigener Soldaten, zu denen er sich offensichtlich “gezwungen” sieht. Natürlich kann es bis zu seinem Ende noch Monate oder Jahre dauern. Mit dem Nachhelfen durch ein Militärbündnis können aber die Leben von Tausenden von Libyern geschont werden.

one comment

  1. Beitrag mit klarer Kante, jetzt auch auf politikalarm.de verlinkt!

    Politikalarm, March 23, 2011