Was nix kost, is nix wert


Sims Alabim; 2009-05-14

Irgendwie  bin ich in einer schizophrenen Situation: einerseits möchte ich selbst mit der Schaffung von Kulturgut (Filmen, Büchern oder Comics) mein Geld verdienen, andererseits beteilige ich mich mit diesem Blog hier aktiv an einer Entwicklung, die die Aussicht auf ein solides Einkommen in dieser Branche immer zweifelhafter macht. Einerseits bin ich der Meinung, dass in einer idealen Gesellschaft allen Menschen alle Kulturgüter kostenlos zur Verfügung stehen sollten – andererseits sehe ich moralisch keinen Unterschied, ob man einen Film im Netz herunterlädt oder die DVD im Saturn unter der Jacke an der Kasse vorbeischmuggelt. Einerseits liebe ich das Internet für sein großes anarchistisches Potential, andererseits kann ich mich einfach nicht dagegen wehren, dass das Selbstverständnis, dass die Betreiber von Pirate Bay an den Tag legen, mich zum Kotzen bringt. Ich muss es einfach sagen: Ein breites Portal für das Herunterladen von Musik, Filmen und Computerprogrammen anzubieten, hat nichts mit dem Kampf für die Freiheit von Kunst und Kultur zu tun, sondern ist organisiertes Verbrechen. Nicht nur, weil es einzelnen Menschen die Möglichkeiten an die Hand gibt, eine Straftat zu begehen, sondern vor allem, weil es eine Haltung zementiert, die der Kunst weit mehr Schaden als Nutzen bringt: Während sich in allen Bereichen des Lebens die Menschen damit auseinandersetzen müssen, dass man für jeden Furz zu bezahlen hat, betrachtet man kulturelle Gegenstände als Inhalte eines freien Selbstbedienungsladens und ignoriert vollkommen, dass es auch Menschen gibt, die davon leben müssen.

Ich, dem die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens noch längst nicht radikal genug ist, bin der erste, der bereit dazu ist, gegen Kapitalismus und Monopolismus zu Felde zu ziehen. Der erste, der bereit ist, sich hinzustellen, und zu sagen: Das Recht eines Menschen, an sämtlichen Erzeugnissen der Zivilisation teilzuhaben, sollte völlig unabhängig sein von der Arbeit, die dieser Mensch innerhalb dieser Zivilisation ausführt. Ich glaube tatsächlich daran, dass das Grundprinzip von Internetportalen wie Wikipedia, in der richtigen Weise weitergedacht, der einzige Ausweg aus der Misere ist, in die die Finanzwelt uns hineingeritten hat.

Im Internet besteht, zumindest theoretisch, die Möglichkeit, eine Art freie und unkapitalistische Gesellschaft zu erschaffen. Wikipedia beispielsweise befreit uns von der Monopol- und Autoritätsstellung  des Großen Brockhaus, und ermöglicht ein “Wissens-Sharing”, zu dem jeder Mensch seinen Teil beitragen, und (noch wichtiger) auch davon profitieren kann, ohne zunächst selbst einen Beitrag ableisten zu müssen. Die administrativen Kräfte sind wahrhaftig auf ihre administrativen Funktionen reduziert, es gibt (zumindest, wenn man Wikipedia als geschlossenes System betrachtet) keinerlei Priviliegien und Exklusivitäten, die zu Machtmissbrauch anregen. Entstanden ist dabei eine für jedermann zugängliche Wissensquelle, die meiner Erfahrung nach erheblich zuverlässiger ist, als etwa DER SPIEGEL. Da mögen Startschwierigkeiten und Kinderkrankheiten drin stecken, aber das Prinzip des offenenen Forums funktioniert im Netz doch einigermaßen gut. Wer einen Blog betreibt, kann seine Meinung unzensiert, unredigiert, unangepasst und unverfälscht an alle weitertragen, die bereit sind, sich darauf einzulassen. Das System legt mir als Schreiber keinen Maulkorb an und zwingt Euch als Leser keinen Einheitsbrei auf: Wem meine Meinung nicht behagt, kann mit ein paar Klicks die genau entgegengesetzte finden – und er muss nichts dafür bezahlen.

Ich verdiene allerdings auch nichts dabei. Muss ich ja auch nicht. Ich mache das ja freiwillig. Mir geht es ja um die Sache. Oder um den Spaß. Und so lange ich die Freizeit habe, in der ich mir das leisten kann, profitiert jeder von der Situation. Der Ärger fängt an dem Tag an, an dem ich mit meiner Schreibe Geld verdienen muss. Und dann feststelle, dass es zwar für mein Ego ungeheuer toll ist, wenn die Leute meine Sachen gut finden, ich mir aber im wahrsten Sinne des Wortes davon nichts kaufen kann. Weil meine Leser sich daran gewöhnt haben, für meinen Blog nichts zu bezahlen, meine Bücher kostenlos auf ihr E-Book zu laden, meine Lieder von Freunden auf dem USB-Stick rüber zu ziehen, meine Filme auf YouTube zu sehen oder sich bei Pirate Bay runterzuladen, und meine Comics gleich mit. Vorausgesetzt natürlich, diese Filme werden überhaupt gedreht, weil die Absatzzahlen von Kinokarten und DVD-Verkäufen so rapide gesunken sind, dass die Industrie das zur Herstellung eines Films leider in absurder Höhe nötige Geld lieber in eine neue Klamotte von Mario Barth steckt, als in die Gehversuche eines Jungregisseurs. Die wenigen, die dumm genug sind, einen Diebstahl auch dann für einen Diebstahl zu halten, wenn das Diebesgut nur aus Daten besteht, und sich tapfer meine DVDs kaufen, werden dafür mit nicht wegschaltbaren, prätentiösen Spots genervt, die ihnen jenes schlechte Gewissen einzureden versuchen, das diejenigen, die eigentlich gemeint sind, schon lange nicht mehr haben.

Dass das Internet uns mit der Idee vertraut macht, dass alles darin kostenlos zu haben ist, hat leider zu einer erheblichen Schieflage geführt, was die schlichte Akzeptanz der Tatsache angeht, dass diejenigen, die den Content liefern, dafür auch gearbeitet haben. Ein gesellschaftlich relevanter Ansatz muss mit Geben und Nehmen zu tun haben, doch das Nehmen scheint sich im Netz erheblich schneller durchzusetzen, als das Geben. Man findet nichts dabei, Musikbibliotheken auf iTunes zu haben, deren Komplettspielzeit länger ist als die eigene Lebenserwartung, und für die man keinen Schnatz bezahlt hat, weil “Stars wie Micheal Jackson eh so reich sind, die merken das doch gar nicht.” Nein, die Micheals dieser Welt, ob sie nun Jackson oder Bay mit Nachnamen heißen, merken das tatsächlich nicht. Aber ich und 90 Prozent meiner Freunde, die mit mir das Studium an einer Filmhochschule begonnen haben, die werden das merken. Weil sie nämlich ihr Geld als Schnittassistenten bei Bauer sucht Schwein verdienen müssen! Weil die wenigen, die noch das Glück haben werden, einen Film finanziert zu bekommen, sich für einen Ausschnitt aus einem Beatles-Song, egal welche künstlerische Wirkung sie damit erzielen könnten,  dumm und dämlich bezahlen müssten, während sich jeder Depp den Song im Netzt für Umme runterlädt. Denn die Copyright-Inhaber wuchern natürlich dort, wo sie es noch können: Bei anderen Künstlern, die ein Stück nicht auf ihren mp3-Player laden, sondern als Baustein für ein weiteres Werk verwenden und damit letztlich den Kulturschatz bereichern möchten.

Natürlich, so lange ich die Zeit habe, unbezahlt seitenlang über diese Misere zu jammern, hat mich diese Misere eigentlich ja noch nicht so fest im Griff, dass ich zu Jammern wirklich Grund hätte. Natürlich ist Videopiraterie nur einer von unendlich vielen Gründen, die einem das Leben als Filmemacher schwer machen. Natürlich wird der Schaden, den sie anrichtet, hochgespielt und überbewertet. Natürlich, auch ich habe früher Filme im Fernsehen auf VHS aufgenommen, mir CDs von Freunden auf Kassette überspielt, natürlich sind auch auf meiner Festplatte Musikordner, die ich mir von Freunden rübergezogen habe. Und natürlich ist einem Künstler, der seine Berufung erst nimmt, die Tatsache, dass viele Leute seine Botschaft vernehmen wichtiger, als die Tatsache, dass viele Leute für seine Botschaft bezahlt haben.

Das ändert aber nichts daran, dass 99 Prozent der User von Pirate Bay keine Idealisten sind, die an einer neuen, freien Gesellschaft bauen, sondern Schwaben im Geiste, die einfach keinen Bock haben, für etwas zu bezahlen, was man auch umsonst bekommen kann. Leute, die weder die Traute noch den Ansporn, noch die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber hätten, jeden Tag auf dem Heimweg im Müller Markt eine DVD zu klauen, es aber geil finden, Star Trek schon zwei Wochen vor Kinostart aus dem Netz gesaugt zu haben. Das ist Egoismus, nichts anderes. Mit einer MiniDV Kamera in eine Sneak Preview zu gehen, den Film aufzunehmen und ihn ins Netz zu stellen, ist keine Anarchie sondern Vandalismus.

Es sind keine beruflichen Existenzängste, die mich so sauer machen, sondern die Tatsache, dass hier versucht wird, vollkommen eigennützigem Verhalten einen idealistischen Anstrich zu verpassen. Wer für freien Austausch von Gütern ist, der muss für den freien Austausch von allen Gütern sein, und nicht nur von denen, die sich digitalisieren lassen. Ansonsten sollte er zumindest die Eier haben, sich dazu zu bekennen, dass er zwar nicht mehr bei Saturn einkauft, den dortigen Werbeslogan aber verinnerlicht hat.

Ich wäre jedenfalls sofort bereit dazu, sämtliche Werke, die ich hoffentlich in der Zukunft noch irgendwie zustande bringe, sofort nach ihrer Fertigsstellung allen Menschen im Netz kostenlos zur Verfügung zu stellen. So lange die User der Filesharing-Plattformen mich dann auch umsonst mit Essen versorgen, mir die Haare schneiden und die Zähne richten, mich durch die Gegend chauffieren, mir die abgerissenen Knöpfe wieder annähen, die Fußreflexzonen massieren und meine Wohnung mit Heizung, Strom und Wasser versorgen.

Paintball für Winnenden


Sims Alabim; 2009-05-11

Amokläufe an Schulen wird es jetzt keine mehr geben. Nicht etwa, weil scharfe Waffen aus dem Verkehr gezogen würden, nicht etwa, weil man darüber nachdächte, aus der Schule wieder etwas anderes zu machen als eine Selektionsmaschine für die 80 zu 20 Gesellschaft, sondern, weil die potentiellen Gefährder in Zukunft nicht länger auf den Paintball-Schlachtfeldern zu Killermaschinen werden.

Die Bundesregierung hat sich also nach der letzten Bluttat zu Konsequenzen durchgerungen, und die bestehen aus dem Verbot von Paintball.

(Okay, nebenbei denkt man noch über die biometrische Sicherung von Waffenschränken nach, aber “da ist die Technik noch nicht so weit…”)

Ich hatte lange überlegt, in Sachen Amoklauf von Winnenden lieber mein Maul zu halten. Ich wollte mich aus einer derart emotional aufgeladenen Thematik heraushalten, und meinen Ärger darüber herunterschlucken, dass der Politik auf der Suche nach Gründen (bzw. Schuldigen) nichts anders einfällt, als Actionfilme und Ego-Shooter verantwortlich zu machen. Nicht erst seit der Lektüre von “Kinder brauchen Monster” bin ich der Meinung, dass Gewalt in den Medien uns eher dabei hilft, mit Gewalt umzugehen, als dass sie Gewalt erzeugen würde. Mir kann keiner erzählen, dass ein Typ, der nach dem Konsum gewalttätiger Computerspiele mit einer geladenen Waffe in die Schule marschiert und dort Menschen abknallt um sich anschließend selbst umzubringen, geistig gesund geblieben wäre, hätte er stattdessen mal lieber Thomas Mann gelesen.

Weil es mir also so unendlich billig und verlogen und zu kurz gedacht erscheint, als Reaktion auf Amokläufe Computerspiele zu verbieten, wollte ich mich selbst zurückhalten, und auch keine Verschärfung des Waffengesetzes (und ich meine eine wirkliche Verschärfung, nicht so einen Witz) oder eine Verbesserung der Zustände an unseren Schulen als Lösungsvorschlag propagieren, weil auch das mir, ehrlich gesagt, viel zu einfach vorkommt, um die Lösung für so ein diffiziles Problem zu sein.

Ich wollte schweigen, weil ich mir nicht wirklich erklären kann, was in einem Menschen vorgehen muss, der zu so einem Amoklauf in der Lage ist (abgesehen vielleicht von der fiktiven Gestalt des Heumann im letzten Post), geschweige denn, was die Gesellschaft tun könnte, um Taten dieser Art zu verhindern.

Wenn ich jetzt aber höre, dass die vermutlich einzige bleibende Konsequenz, zu der unsere Politik sich durchringt, tatsächlich im Verbot eines ulkigen Spiels besteht, dann muss ich zumindest laut aufschreien darüber, wie die Demokratie wieder einmal ihre unschlagbare Wirkungskraft unter Beweis stellt. Sportschützen oder Jäger, die ihren “Sport” tatsächlich mit scharfen Waffen betreiben, haben eine zu große Lobby, um eine wirkliche Gesetzesverschärfung fürchten zu müssen. Ihre Warnungen vor “blindem Aktionismus” wurden erhört. Auch um die Ego-Shooter mache ich mir keine Sorgen: Etwas, womit viel Geld verdient werden kann, wird in unserem Land nicht von der Bildfläche verschwinden. Bleibt also die vergleichsweise kleine Gemeinde von Leuten, die Spaß daran haben, sich im Wald mit Farbkugeln zu beballern, die keine starke Lobby haben und auch keinen großen Absatzmarkt garantieren, als letzter Sündenbock für ein Phänomen, das seinen Ursprung genauso im Paintball hat, wie AIDS im Playboy-Magazin.

So wird Politik gemacht. Ãœber grundsätzliche Fragen, wo so viel Frust herkommt, dass er sich in solchen Gewaltexzessen entladen muss, wird nicht nachgedacht. Das System bloß nicht in Frage stellen, und wenn man angesichts zorniger Elternverbände und geifernder Medien zum Handeln gezwungen wird, dann einfach dorthin schlagen, wo die wenigsten Wähler Aua schreien.

Und dann will man mir erzählen, wie leben im besten aller gesellschaftlichen Systeme.

Wenn ich Paintballspieler wäre, ich würde meine Ausrüstung anlegen und einen Amoklauf im Bundestag starten. Anschließend würde ich mir selbst grüne Farbe ins Gesicht schießen.

Allgemein gehaltenes Interview mit Christopher Hitchens


Malibu Aircraft; 2009-04-29

Teil 1 von 6 (Rest direkt unter “Ähnliche Videos”, Verzeihung für meine Faulheit)
Hitchens ist imo noch ein gutes Stück radikaler was Anti-Religiösität angeht als Dawkins, auch moderaten Religiösen gegenüber, einer der vielen Standpunkte, die ich mit ihm nicht teile. Nichtdestotrotz ein hoch intelligenter Mann mit komplexen Meinungen, der die faszinierende Eigenschaft hat, dass es ungeheuer Spaß macht ihm zuzuhören oder ihn zu lesen, auch wenn man nicht mit ihm übereinstimmt.

Categories : Diverses  Konfrontation  Links

Reine Polemik


Cabuflé; 2009-04-18

Es passt gerade einfach zu gut…

fleasnobbery-crashcourse-de

Von Flea Snobbery, übersetzt von cimddwc.

(via]

Re: Atheismus ist Religion


Malibu Aircraft; 2009-04-13

Nach der Lektüre des vorigen, sehr interessanten Beitrags des geschätzten Sims Alabim, möchte ich auch noch eine Antwort geben und dabei gleichzeitig meinen Senf zu dem ganzen Themengebiet ablassen. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das in Form eines Beitrags und nicht eines Kommentars mache, aber es ist doch etwas länger geworden als geplant.

Nur noch zwei kurze Klarstellungen von mir im voraus: Selbstverständlich gilt auch von meiner Seite, dass jede, evtl. polemische, Attacke nur im Kontext eines fröhlichen und intelligenten Diskurses und keinesfalls persönlich zu sehen ist. Zweitens meine ich, wenn ich das Wort Wissenschaft benutze im Wesentlichen was z.B. Wikipedia damit meint:

Wissenschaft ist die Erweiterung des Wissens durch Forschung, seine Weitergabe durch Lehre, der gesellschaftliche, historische und institutionelle Rahmen, in dem dies organisiert betrieben wird, sowie die Gesamtheit des so erworbenen menschlichen Wissens. Forschung ist die methodische Suche nach neuen Erkenntnissen sowie deren systematische Dokumentation und Veröffentlichung in Form von wissenschaftlichen Arbeiten. Lehre ist die Weitergabe der Grundlagen des wissenschaftlichen Forschens und die Vermittlung eines Ãœberblicks über das Wissen eines Forschungsfelds, den aktuellen Stand der Forschung.“

Eine Einschränkung hätte ich bezüglich dieser Definition allerdings. Ich würde „der gesellschaftliche, historische und institutionelle Rahmen, in dem dies organisiert betrieben wird“ ausklammern. Nicht dass das komplett falsch wäre, aber ich glaube dieser Teil ist nur mit sehr viel Vorsicht zu genießen. Die Rassenlehre der Nazis fällt möglicherweise auch in den „gesellschaftliche[n], historische[n] und institutionelle[n] Rahmen“ dieser Zeit, ich würde sie aber höchstens als Pseudowissenschaft bezeichnen. Unter „methodische Suche nach neuen Erkenntnissen“ verstehe ich auch die Beleuchtung unterschiedlicher Standpunkte und Hinterfragung grundsätzlicher, möglicherweise bereits etablierter Prinzipien. Diesbezüglich wäre z.B. eine kritische Diskussion über das Gebiet der Psychoanalyse nützlich, in der es haufenweise Literatur gibt, die sich regelmäßig auf imho nicht ausreichend oder gar nicht bewiesene Grundannahmen Freuds beziehen. Was also in meiner Definition übrigbleibt ist im Prinzip das neugierige Suchen nach neuen Erkenntnissen und die systematische Weitergabe dieser. Eine wichtige Ergänzung noch: Es ja irgendwie logisch, dass man im Bezug auf Wahrheitsfindung, also nicht den persönlichen, subjektiven Glauben betreffend, sondern, was aufgrund rationaler Argumentation für eine Menge von Leuten gemeinsam akzeptierbar ist, so weit wie möglich mit falsifizierbaren Aussagen arbeiten muss. Ein Beispiel für eine nicht falsifizierbare Aussage wäre „Es gibt pinke Schwäne.“ Dieser Satz lässt sich zwar durchaus verifizieren, indem man z.B. einen pinken Schwan findet. Aber die einzige Möglichkeit die Sache zu klären ist eben, solange zu suchen bis man zufällig einen findet. Es liegt also bei dem, der an pinke Schwäne glaubt, was ja durchaus eine Anfangshypothese sein kann, den Beweis zu erbringen. Niemand kann, um einen kleinen Sprung zu machen, von einem Atheisten erwarten, dass er Gott widerlegt. Alles was wir tun können, ist zu zeigen, dass es keine realen Beweise für seine Existenz gibt. Das macht seine Existenz zwar nicht unmöglich, aber aus unserer Sicht eben nun mal sehr sehr unwahrscheinlich.

Nun aber zum Beitrag des geschätzten Sims Alabim. Leider muss ich gleich zu Beginn widersprechen: Atheismus ist, wie der Name schon sagt, keine Religion und mir ist durchaus bewusst, dass das polemisch gemeint ist. Ich kann aber verstehen, wenn manche „Neue Atheisten“ durch eine gewisse arrogante „Ich-hab-die-Weisheit-mit-Löffeln-gefressen-und-mache-in-meinem-Privatleben-nie-irrationale-Sachen“-Haltung den Vergleich mit missionarischen Religiösen nahe legen. Was mich betrifft, es ist jederfraus oder –manns Sache, was persönlich geglaubt wird. Nur sollte Religion und Aberglaube bitte radikalst aus der Politik rausgehalten werden und natürlich hält mein, durchaus vorhandener, Respekt vor persönlichen, privat-psychologischen Empfindungen mich auch nicht davon ab, meine Meinung kund zu tun.

Natürlich kann sich jeder seine Vorbilder in der Geschichte selbst rauszusuchen, prinzipiell möchte ich aber darauf hinweisen, dass fast die gesamte dokumentierte Menschheitsgeschichte hinweg ein „Outing“ als Atheist nahezu überall, wenn nicht zu körperlicher Gefahr, so doch zumindest zu extremer gesellschaftlicher Isolation geführt hat. Selbstverständlich galt/gilt auch manchmal das Gegenteil, siehe Sowjetunion.

Was Moores Statement betrifft, habe ich Monsieur Cabuflé in seinem Kommentar nichts hinzuzufügen. Warum die Vermutung, dass das Bewusstsein ein Ergebnis neurobiologischer Prozesse ist, dessen Wert irgendwie herabsetzen soll, erschließt sich auch mir nicht. Genauso wenig wie die Behauptung, dass dies irgendwie zur Verwässerung von Richtig und Falsch beitragen sollte oder dass es Kunstwerke zu Zufallsprodukten macht. Auch sehe ich nicht, wie die Erkenntnis, „wenn man in Wald und Flur nur verschiedene Kohlenstoffzustände erkennt“, es rechtfertigt die Natur zu zerstören. Das Verständnis naturwissenschaftlicher Vorgänge mindert in meinen Augen nicht deren Wert, ganz im Gegenteil. Ich wünschte, ich hätte diesbezüglich „Der entzauberte Regenbogen“ von Dawkins, das mir gestern geschenkt wurde, bereits gelesen und das sich wohl genau damit auseinandersetzt

Ich sehe auch weder Zusammenhang noch Sinn darin, jeglichen medizinischen Fortschritt unter dem „Siegeszug des Materialismus“ zusammenzufassen und ihn für das Elend in der Welt verantwortlich zu machen. Und leider muss ich auch sagen, dass Sätze wie „Aber seine [wissenschaftlicher Fortschritt] Ausnutzung ist so eng mit dem Entstehen dieser perversen Zustände verknüpft, dass für mich jede Lobpreisung dieses Fortschritts einen schalen Beigeschmack bekommt.“ wenig zu meiner Erhellung und ich würde sogar behaupten, wenig zur Veränderung jener Zustände beitragen, was imho an der viel zu allgemeinen Verwendung der Worte „Wissenschaft“ und „wissenschaftlicher Fortschritt“ liegt. Dass die Erfindung der Atombombe nicht gerade zur hellsten Stunde der Menschheit gehört (auch wenn sie maßgebend zur Entwicklung des modernen Computers beigetragen hat, was aber hoffentlich ohnehin früher oder später geschehen wäre) dürfte klar sein, aber welche Schuld beispielweise erwähnten medizinischen Fortschritt trifft, ist mir nicht klar. Nur um das zu trennen: Politik und Wissenschaft sind verschiedene Dinge. Die Politik der meisten Pharmaziefirmen ist in der Regel größtenteils abstoßend, die Tatsache an sich aber, dass wichtige Medikamente(, die dann „illegal“ oder viel zu spät in armen Gebieten ankommen,) erfunden werden, ist ja wohl zweifelsfrei eine positive.

Was die Moral betrifft, stimme ich geschätztem Herrn Sims größtenteils zu. Wie jemand rechtfertigt, warum sie oder er „gut“ und moralisch handelt bzw. welche Erklärung dafür herangezogen wird, ändert nichts an der Handlung selbst. Ich habe aber Probleme, wenn, wie bei manchen Arbeitgebern der Caritas beispielsweise ein „christliches Menschenbild“ als Einstellungskriterium herangezogen wird. Was genau bedeutet das? Was genau bedeutet christliche oder muslimische oder jüdische Moral? Bedeutet es, dass ich mich z.B. auch daran halten muss: (3. Mose 20,10): “Wenn jemand die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten, so sollen beide des Todes sterben.” Oder daran, dass laut Koran schon Unglaube Sünde ist. Damit will ich nicht behaupten, dass nicht auch schöne, moralische, poetische, ja erleuchtende Passagen in religiösen Texten zu finden sind. Doch als moralisches Handbuch sind die religiösen Texte eben nur dann geeignet, wenn klar ist, manche Stellen sind Unfug und manche können durchaus Quellen hoher Inspiration sein. Es ist eben einfach nicht so klar und eindeutig , was eine christliche, etc. Moral ist. Religion sollte nicht mehr Autorität in dem philosophischen Diskurs um Moral haben, als irgendjemand sonst. Dass religiöse Menschen darüber hinaus im Durchschnitt nicht altruistischer handeln als nicht religiöse Menschen ist mittlerweile mehrfach durch Studien belegt.

Ich kenne mich auf dem Gebiet des Materialismus oder der „Geheimwissenschaften“ nicht genügend aus, kann den Positionen des geschätzten Sims Alabim hier aber soweit ich das sehe zustimmen. Wie du ja sagst sind Wissenschaft und Materialismus nicht zwangsläufig dasselbe.

Weiter also im Text: Leider muss ich heftigst widersprechen, wenn werter Herr Alabim schreibt : “Ob jemand auf Busse schreibt „God does not exist” oder auf Plakate „God hates Fags“, da sehe ich in punkto Borniertheit wenig Unterschied.“ Auch wenn meines Wissens diese Initiative nicht von Dawkins gestartet wurde und es ja wie du nachgeschoben hast „God does probably not exist“ sehe ich da Unterschiede, die größer nicht sein könnten. „God does probably not exist“ ist eine Meinung und eine die durch die simple Tatsache, dass es keine nachgewiesenen Gottesbeweise gibt, mehr als zementiert wird. Dieser Satz ist für mich nicht mehr boniert als „Harry Potter does not exist“. „God hates Fags“ dagegen ist eine offensichtlich aggressive Beleidigung in der die Gewaltandrohung fast spürbar ist.

Wie von Cabuflé ja bereits sehr schön ausgedrückt, heißt weder Wissenschaft noch Atheismus, dass subjektive Welten, Gefühle, Fantasien, Empfindungen, Erfahrungen nicht etwas absolut wunderbares und menschliches sind und ihr Wert verringert sich kein Stück dadurch, dass es daneben noch die objektive Realität, die natürlich nicht absolut eindeutig ist, gibt. Aber wenn ich reale, konkrete Lebensentscheidungen treffen will, dann will ich eben doch wissen, wo ungefähr die Grenze liegt zwischen Objektivem und Subjektivem bzw. was mit einigem Recht als „objektive Wahrheit“ bezeichnet werden kann und da hilft die Wissenschaft und dafür ist sie da.

Zum Wesentlichen Rest des Beitrages kann ich nur sagen: dito. Mich kotzt es genauso an, wenn manche Leute Atheismus oder Wissenschaft nur als weiteres Label benutzen, um ihre Ignoranz und Arroganz zur Schau zu tragen. Aber der „Spirit“ einer neugierigen Wissenschaft, der Gedanke, dass rationales Betrachten aus mehr als einem Blickwinkel etwas Gutes ist, dass Glauben um des Glaubens willen und verbohrtes Beharren auf subjektiven Empfindungen, wenn es um weltliche, politische Dinge geht, dagegen schlecht ist, das ist etwas mit dem ich mich auf jeden identifizieren kann.

Aber ist es nicht auch einfach etwas langweilig zu sagen „God did it“, wenn es z.B. um den Urknall geht, während es haufenweise viel interessanterer Theorien von Multiversen, Paralleluniversen und was weiß ich nicht noch alles gibt? Was mich persönlich betrifft habe ich einfach festgestellt, dass die meisten religiösen und esoterischen „Erklärungen“ wie Gedankenstopper auf mich wirken. Hier hast du deine Erklärung und gut is. Kein weiteres Warum, kein Weiterfragen, wie z.B. „Und wer hat Gott gemacht?“. Dabei würde ich mich durchaus als spirituellen Menschen bezeichnen. Nicht im religiösen oder esoterischen Sinn. Ich liebe z.B. Meditation. Und ich finde es wunderbar, dass man jetzt real messen kann, wenn jemand in Trance geht, dass man messen kann, wie sich die Gehirnströme verändern, dass andere Regionen durchblutet werden, usw.. Das macht das Erlebnis nur umso besser, weil ich weiß, dass es etwas reales ist und nicht etwas, das ich mir nur einbilde. Und etwas wunderschönes noch dazu.

Atheismus ist Religion


Sims Alabim; 2009-04-10

Und soll mein Denken zu etwas taugen, und sich nicht nur im Kreise drehn, will ich versuchen, mit Euren Augen die Wirklichkeit klarer zu sehn.

Hannes Wader

Nachdem ich mich nun in letzter Zeit dazu berufen gefühlt hatte, mich auf dieser Seite in die Waldorf-Debatte einzumischen und gegen eine gewisse Art des Skeptizismus zu Felde zu ziehen, während andere Kollegen auf dieser Seite Gegenpositionen formuliert haben und noch zu formulieren gedenken, habe ich mir jetzt ein Grundsatzpamphlet dazu aus den Rippen geleiert. Ich veröffentliche es nun ohne auf Cabuflés Finale zu warten, weil ich den Kopf endlich wieder für andere Dinge frei haben muss. Da diese Diskussion nun ohne Polemik keinen Spaß macht, sei an dieser Stelle noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass sämtliche spitzen Attacken nicht als persönliche Angriffe gegen meinen geschätzten Freund und Kollegen Cabuflé zu verstehen sind, den ich im Gegenteil in diesem Disput als fairen Sparringspartner betrachte, und daher auch nicht zu vergrämen hoffe, wenn ich ihm unterstelle (noch dazu, wo er erst in ein paar Wochen die Zeit hat, sich zu wehren), dass er drauf und dran ist, sich einer religiösen Gemeinschaft anzuschließen. Ebenso hoffe ich, Malibu Aircraft hat nichts dagegen, dass ich ein paar von ihm gepostete Links als Beiträge zu dieser Diskussion werte, auch wenn sie nicht explizit als solche gekennzeichnet worden sind. Des weiteren hoffe ich mit diesem Pamphlet meinen Standpunkt weitestgehend klar genug gemacht zu haben, um fürderhin nicht noch weiter darauf herumreiten zu müssen, weil ich mir sonst wie ein Missionar vorkomme, der ich keinesfalls sein möchte. Als letztes entschuldige ich mich noch dafür, dass meine Beiträge immer so lang werden. Aber Bits und Bytes sind nun einmal geduldig.

Ich möchte auch mit einem ganz und gar nicht ironisch gemeinten Geständnis beginnen: Ich glaube, dass ich den Wissenschaftlern von GWUP tatsächlich unrecht getan habe, und dass meine Beurteilung ihres Tuns ihrer Methode und ihrer Haltung gegenüber wahrscheinlich unfair war, dass mich ihre Argumente (im Bezug auf Wünschelruten!) rational eigentlich weitgehend überzeugen, dass ich mir das selbst aber ungern eingestehe, weil ich in mir einen Willen dazu spüre, in der Welt eine gewissen Portion Wunder, Mythos und verborgenen Sinn zu entdecken, und dass mir eine Entzauberung meines Weltbildes von all diesen Dingen ein gutes Stück weit jenen Boden unter den Füßen wegziehen würde, auf dem sich viele meiner Ãœberzeugungen gründen. Viele dieser Ãœberzeugungen ließen sich in ein rein agnostisches Weltbild hinüberretten, andere nicht.

Was mich  also angestachelt hat, diese Debatte überhaupt zu führen, war die von mir subjektiv empfundene  Ätschi-Bätsch-Attitüde eines populärwissenschaftlichen Fernsehbeitrages, der sich erdreistet, in der Hauptsache das partielle Versagen zweier Probanden als allgemeingültige Argumentationskeule für ein finales Statement zu einem Phänomen zu verwenden, das soziologisch weitaus komplexer ist als die Frage „Wo steckt der Wassereimer”?

Und das wiederum steht auch nur stellvertretend für eine ganz andere Frage: Ist die Wissenschaft gerade dabei, Gott zu ermorden? Weiterlesen…

Spaß mit dem Perinormalen (und Gehirnen) #1


Cabuflé; 2009-03-23

Nachdem mein geschätzter Freund und Kollege Sims Alabim in einem Nebensatz seines höchst lesenswerten Beitrags zur Waldorf-Debatte mit einiger Häme bemerkte “das die Wissenschaft eigentlich nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, was für ein Frühstück gesund ist” (was ich ohne zu Zögern als Argument zu Ungunsten der wissenschaftlichen Methode akzeptieren werde, sobald mir ein Anthroposoph oder Homöopath die gleiche Frage überzeugend und zweifelsfrei beantwortet hat) und nachdem er unlängst am Beispiel eines Fernsehbeitrags über Wünschelrütengänger ein flammendes Plädoyer zu Gunsten der seine prinzipielle Offenheit für die Geistheiler, Astralwanderer, Pendelschwinger und Hundeleser dieser Erde hielt erklärte, fühle ich mich nunmehr verpflichtet, das Steuer des Kahnes instant-eistee.de wieder ein Stück herumzureißen und mit einem kleinen Grundkurs in gesunder Skepsis und kritischem, im weitesten Sinne wissenschaftlichen Denken zu antworten.

Wegen Verpflichtungen im wahren Leben komme ich gerade leider sehr langsam voran. Da ich Kollege Sims und die interessierte Leserschaft nicht noch länger warten lassen will, habe ich beschlossen, den Artikel zweizuteilen. Hier nun die erste Hälfte.

Perinormal Possibilities

Nach der Auseinandernahme des Welt-der-Wunder-Beitrages (Teil 1; Teil 2) gelangt Sims zu folgendem Schluss:

Wir sind also eher bereit, zu akzeptieren, dass wir alle potenziel etwas irre und disfunktional sind, als dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben könnte, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.

Meine Erwiderung darauf wäre zunächst, dass ich nicht sehen kann, inwiefern eine der beiden Thesen eine Alternative zur anderen darstellen sollte. Ich halte beide (in iherer allgemeinen Form) für so offenkundig richtig, dass ich versucht bin, jeden der eine davon ernsthaft in Zweifel ziehen wollte, ab diesem Moment nicht mehr als Diskussionspartner ernstzunehmen. Mit der ersteren will ich mich später beschäftigen, zunächst aber zur letzteren, die gern und oft von Apologeten esoterischer Ideen als Gratisbegründung für die generelle Ablehnung wissenschaftlicher Argumente benutzt wird.

Es gilt hier, mit einem Irrtum aufzuräumen, der sicher auch durch leichtfertige Äußerungen allzu eifriger Skeptiker und Naturalisten immer weiter geschürt wird: kein ernstzunehmender Skeptiker würde bestreiten, “dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben könnte, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.” Im Gegenteil: Diese Annahme ist eine notwendige Vorraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten als solches. Wozu denn noch weiter forschen, wenn wir über alles Nennenswerte zwischen, über oder unter Himmel und Erde schon bescheid wissen?

James “The Amazing” Randi, Bühnenmagier a. D., legendärer Uri-Geller-Bloßsteller, Gründer der jref und als solcher Stifter des im bewussten Fernsehbeitrag erwähnten Eine-Million-Dollar-Preises fasst es im Gespräch mit dem arroganten Wissenschaftsfanatiker und bösartigen Gottesmörder Richard Dawkins zusammen:

I don’t really think that we have made a scratch, the tiniest scratch in what we have to know. I get these comments all the time from people, who say: “Well, science doesn’t know anything, does it?” And I say: “That’s right! Science doesn’t know anything absolutely. What it does, is: it expresses statements about the universe, that are observed, presents the evidence and sais: “This conclusion is very likely to be true, very, very likely to be true, but: you look into it and see if you can find an exception.” Weiterlesen…

Auf’m Viehmarkt


Cabuflé; 2009-03-22

Mein Kollege mag mir vergeben, dass ich die versprochene Antwort auf seinen Wünschelrutenpost noch etwas weiter hinausschiebe, um mich über persönliche Banalitäten auszulassen. Sims, wir sind Leidensgenossen. Bitte, du musst das verstehen!

Man hat also, weil man sich dazu berufen fühlt, beschlossen einen Film zu machen. Man dachte, dass diese kleine Geschichte von zwei Freaks, die einander inmitten von schreiend lauter menschlicher Beliebigkeit begegnen und aneinander wachsen, zwar ihre zwei, drei organisatorischen Tücken haben mochte, für einen studentischen Drittjahresfilm jedoch eher harmlos und leicht zu stemmen wäre.
Ein halbes Jahr später sitzt man Tag für Tag mit dem über alle Maßen verehrten Kameramann über dem Drehbuch und brütet Bilder aus, für die man einem Tag das ganze Budget verbraten könnte, ohne einmal auf den Auslöser gedrückt zu haben. Shit Happens. Mal schaun, was für’n Sponsoringdeal wir da kriegen. Und da. Und da. Und da…

Man hat vor allem aber dieses Mal die Geschichte für so diffizil erachtet, dass man die Hauptrollen nicht wie bisher den hervorragenden Schauspielern aus dem Freundeskreis auf den Leib schrob, sondern Figuren im Kopf gestalt annehmen ließ, um dann, wie ernsthafte Filmemacher es nun Mal tun, zu casten.
Man hat sich auf diese anspruchsvolle Arbeit gefreut und nicht Angst aber Respekt davor gehabt, sich deshalb vorgenommen, früh mit der Schauspielersuche zu beginnen.

Man hat auch früh begonnen. Und trotzdem will man jetzt in einem Monat drehen, die Maschine läuft, und bis auf die bedeutende Nebenrolle, die man einem hervorragenden Schauspieler aus dem Freundeskreis auf den Leib geschrieben hat, ist nichts besetzt.

Man sitzt seit Monaten Abende lang vor dem Rechner und klickt sich durch Agenturseiten, durch Schauspielerverzeichnisse, durch dubiose Kleinanzeigenmärkte von Foto zu Foto und macht zum wiederholten Mal eine Erfahrung, die sich, nicht nur weil man selbst gelegentlich als Schauspieler arbeitet, irgendwie creepy anfühlt.

Irgendwie muss man schließlich eine Vorauswahl treffen, und nach dem zweihundertsten Portraitfoto eines jungen Mannes mit diesem ganz speziellen verstrahlten Silberblick, den charismatische Führerfiguren über Jahre hinweg in so gut wie jeden Schauspielschüler hineinprügeln, nach mehreren Stunden an Demotapes, an deren Anfang jedes Mal der gleiche austauschbare funky Elektropop eine Montage von verschiedenen Varianten des darstellerischen Silberblicks untermalt, nach dem einhundertundfünzehnten Klick auf einen toten Agenturlink wird jeder Mensch, dem an einem letzten Rest geistiger Gesundheit gelegen ist, zum Zyniker:
Wie, der hat fünf Fernsehauftritte in der Vita, aber kein Demotape? Entweder schämt er sich für die bisherige Arbeit, oder ist zu faul, sein Material zu schneiden. Tilt! Raus da! Einer weniger auf der Liste. Vielleicht kümmert sich auch die Agentur einfach nicht angemessen um ihn? Ja vielleicht. Selber schuld, vielleicht merkt ers ja irgendwann. Tilt! Und dieser Fatzke hat auf youronlinecrew-searchwhatever.com nur ein Foto + Emailadresse? Will der besetzt werden oder mal wieder richtig einen wegstecken? Auf die Weise wird er weder das eine noch das andere erreichen. Tilt! Tilt! Tilt! Tilt! Wär ja nicht so, dass ich hier verzweifelt nach dem perfekten Darsteller für meinen Film suchen würde, ihn noch nicht mal bezahlen kann und deshalb in meinem eigenen Interesse wirklich jede Möglichkeit in Betracht ziehen sollte.
Die Zeit und Energie nutze ich lieber um herauszufinden, wo die Mutter von diesem einen Typen wohnt. Dem einzigen, dessen Fotos und Demotapes mich auf einen Schlag umgehauen haben. Und der sich jetzt erdreistet an einem rennomierten Stadttheater verpflichtet zu sein und keine Zeit für meinen Studentenschmonz zu haben. Der wird seine Meinung ganz schnell ändern, wenn ich ihm Mamas Ohren mit DHL schicke.

Wenn ich oben “Schauspieler” schrob, meinte ich das übrigens nicht als “generisches Maskulinum” sondern tatsächlich nur die Kandidaten für die männliche Hauptrolle. Bei der Leading Lady überschattet ein noch weit trivialeres Problem die Vorauswahl: Sie muss eine sehr schöne Frau sein. Muss sie wirklich. So ist die Figur im Buch angelegt. Aber heilige Scheiße, Georg, nur weil du die Dame auf dem Foto da am liebsten auf der Stelle und ohne Zögern bespringen würdest, traust du ihr noch lange nicht zu, einen Teil deiner geprügelten Seele auf die Leinwand zu bringen. Schau dir ihr Demotape an! Diesen stumpf-süßen Gesichtsausdruck kriegst du nie wieder aus ihr raus. Das ist wie mit dem Silberblick.

Es ist ein schmutziger Job, aber irgendjemand muss ihn machen…

Gut dass man ein Blog hat, wo man derartigen Gedankenmüll abladen kann; und noch besser, dass man sich nie angewöhnt hat, den gleichen Müll in Echtzeit und ungefiltert über affige Social-Networking-Tools stichwortartig an alle Freunde und Kollegen zu verschicken. Dann hätte man jetzt nämlich keine mehr.

Zum Abschluss noch ein wirklich gut gemeintar Rat an alle hoffnungsfrohen Schauspieltalente:
Fernsehredakteure und Marketingfuzzis mögen sich von den Funky Elektropoptrailern am Anfang eurer Demotapes beeindrucken lassen. Also bleibt dabei, es könnte euch (bezahlte!) Arbeit verschaffen. Größenwahnsinnige Jungregisseure allerdings bilden sich ein, so etwas wie ein “Gespür für den Moment” zu haben, einen “intuitiven Blick für den Mensch hinter der Figur” (doch, doch, das sind Fachbegriffe… ähem…). Sie wollen wild in eurem Showreel hin- und herspulen und freuen sich deshalb außerordentlich, wenn ihr das Video auf einer Seite veröffentlicht, die schnell lädt und direktes Springen an jeden beliebigen Punkt des Bandes erlaubt. Im Zweifelsfall bieten sich dafür handelsübliche Videoportale wie youtube oder vimeo an. Nur weil eine Seite das Wort “Schauspieler” in der URL hat, heißt das nicht, dass ein Demotape dort besser aufgehoben wäre.

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Kein Demotape:


YouTube-Direktlink

Schmerzen


Malibu Aircraft; 2009-03-21

Dragonball Trailer

Noch nie habe ich mit einem youtube-Kommentar so übereingestimmt: “Fox took a shit on my childhood.”

Papst: Regenschirme verursachen nasse Haare; Cabuflé konvertiert.


Cabuflé; 2009-03-18


Es gibt natürlich keinen Grund, großartig überrascht zu sein. Dass die katholische Kirche der Judenverfolgung im Allgemeinen und den Naziverbrechen im Besonderen die meiste Zeit eher gleichgültig bis sehr wohlwollend gegenüber stand, konnte jeder wissen, der es wissen wollte, und die Haltung des gleichen Vereins zu Verhütungs- und Seuchenpräventionsfragen bedarf keiner weiteren Erläuterung – immer getreu der Maxime, dass viele todkranke und/oder verhungernde Schäfchen besser sind als eine handvoll (zumindest körperlich) gesunder.

Wenn man allerdings beobachtet wie der Wirsindpapst im letzten Jahr erst aus einer Laune heraus eine kleine antisemitische Fürbitte ausgrub, dann unlängst öffentlich mit Holocaustleugnern herumschmuste, und jetzt, da diese Geschichte noch nicht ganz aus den ratlosen Feuilletons verschwunden ist, zu einem völlig anderen Thema die nächste Unverfrorenheit raushaut, nämlich dass Kondome nicht nur halt nun Mal gegen Gottes Gesetz sind, sondern “vielmehr das [Aids-]Problem [verschlimmern]”, mit welcher Brachialität, Ignoranz und mangelnder Eleganz also dieser Mann seinen berufsmäßigen Feldzug gegen Aufklärung und Menschlichkeit führt und damit auch ihm tendenziell wohlgesonnene Mehrheiten in Politik und Journaille in die Opposition zu ihm zwingt, kurz: wie hier der Chef eines Konzerns sich und damit sein komplettes Unternehmen öffentlich zum Horst macht, dass ein Hartmut Mehdorn vor Neid erblassen könnte, dann glaube ich, dass dies nicht mehr allein durch Größenwahn, Senilität oder schlechte Berater zu erklären ist.

Nein: Nur ein tatsächlicher direkter und immerheißer Draht zu mindestens einem Gott kann derartige Amok-P.R. begründen. Aus Ratzemannes Munde spricht eine höhere Weisheit, die sich menschlichem und insbesondere meinem Verständnis entzieht, und der ich mich ab heute unterwerfe.

Zeitnah wird instant-eistee.de zum römisch-katholischen Thesenblog umgebaut werden, und ich stelle meine Autorenkollegen hiermit vor die Wahl, mir zu folgen oder die Gemeinschaft der Eisteeheiligen zu verlassen. Meine zahlreichen Groupies und Mätressen mögen zur Kenntnis nehmen, dass ich ab sofort nicht mehr für unverbindliche Spontanficks zur Verfügung stehe, bzw. nur noch unmittelbar vor der wöchentlichen Beichte und selbstverständlich ohne Gummi!