Malibu Aircraft; 2011-06-20
Der Moment in dem Jonathan Baumann aufwachte und feststellte, dass er im falschen Programm war, hätte ganz einfach verdrängt werden können oder abgetan als ein besonders realistischer Traum, nicht zu unterscheiden von der Wirklichkeit, außer eben durch die Tatsache, dass es einfach nicht sein Leben war in dem er aufwachte.
Nur es war kein Traum. Und Jonathan Baumann wusste dies in dem Moment, in dem er die Augen öffnete, nicht in seiner kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin Neukölln, sondern in einem geräumigen, hell erleuchteten Apartment auf einem geradezu gigantisch großen Bett, das frei im Raum schwebte und das, nachdem es ihn freundlich flüsternd gefragt hatte, sich langsam auf dem Boden absetzte. Neben ihm schlief zu seiner Rechten eine nackte Schönheit mit feuerroten Haaren, die ihr bis zum Po reichten, und eine nicht minder umwerfende dunkelhäutige junge Frau mit stachelartig abstehenden schwarzen Haaren zu seiner Linken. In diesem Moment wusste Jonathan ohne den geringsten Zweifel, dass dies die Realität war und sein bisheriges Leben eine Fälschung.
Jonathan Baumann kroch aus dem Bett, in dem die beiden Nymphen ruhig weiterschliefen, und das sich wieder zum Schweben erhob, nachdem er es verlassen hatte. Ein kleiner Roboter mit einem kugelförmigen Körper und einem knubbelartigen Kopf kam herbeigesaust und fragte ihn freundlich und unterwürfig, ob er sich wünsche, ein Bad zu nehmen, was Jonathan bejahte, seine leichte Unsicherheit unterdrückend.
Der Roboter führte ihn in ein hohes Badezimmer in dessen Mitte sich eine runde Wanne befand. Die Wände änderten ihre Form und Textur und bald hatte sich das Zimmer in eine sonnige Lichtung verwandelt in der ein kleiner Wasserfall die Wanne füllte.
Eine weiche weibliche Stimme flüsterte ihm zu und fragte, ob er ein wenig Unterhaltung wünsche. Gleich darauf huschten in weiße Tücher gekleidete Schönheiten vor ihm herum und formierten sich zu einem herrlichen Tanz, anmutig, dann kraftvoll, dann artistisch beeindruckend, dann umwerfend durch die Ehrlichkeit, die im körperlichen Ausdruck lag.
Nach seinem Bad brachte ihm der Roboter seinen Anzug und führte ihn zur Haustür, vor der ein motorradartiges Gerät bereitstand. Er setzte sich und ihm selben Moment umfing ihn ein flüssiges Material. Er bemerkte schnell, dass er die Form des Geräts durch seine Gedanken steuern konnte und verwandelte sich in einen großen metallenen Vogel, der sich mit mächtigen Schwingen in die Höhe stieß. Er lebte wohl am Rand einer Stadt, denn unter ihm war weite Natur und für ein paar Minuten nahm er die Form einer Rakete an und raste durch Schluchten, tauchte in Flüsse ein und durchstieß Wolkenfelder.
Sein Gefährt erinnerte ihn nun daran, dass er bald zur Arbeit müsse und ein Signal zeigte ihm die Richtung an. Er flog zu einem Hochhaus, das mitten in der futuristischen Stadt lag, in welcher Kraftfelder wie unsichtbare Airbacks die zahlreichen fliegenden Objekte vorm Zusammenstoßen bewahrten. Er landete auf dem Dach und verließ sein Fluggerät. (Ein entsprechender Gedanke genügte, damit die seltsame Maschine sich in den Ausgangszustand zurück versetzte und seinen Körper aus der innigen Umarmung entließ.)
Jonathan betrat das Innere des Gebäudes und wurde sofort von einer schwebende Luftblase umhüllt. Die Blase begrüßte ihn mit seinem Namen und brachte ihn zu einer Andockstation, einige Meter weiter unten, während sie eine leichte Melodie säuselte.
Eine weitere Tür öffnete sich vor ihm und er kam in einen langen Raum mit einem ebenso langen Tisch an welchem zahlreiche Männer und Frauen in Anzügen saßen, während Hologramme auf dem Tisch wie Notebooks vor den Sitzenden flimmerten.
Am Kopf des Tisches, ihm am nächsten, stand ein hoher, schmaler Herr mit einer weiß umrahmten Brille und einem großen, perfekt weißem Gebiss und genauso weißen, zurück gekämmten Haaren.
Dieser drehte sich zu ihm um und sagte so laut, dass seine Stimme den Raum füllte als käme sie aus gleichmäßig verteilten Lautsprechern: „Da bist du ja, Jonathan! Lass uns gleich anfangen. Wie du weißt bist du heute hier, um uns zu beweisen, dass du keine Fälschung bist…“
Malibu Aircraft; 2011-05-19
Malibu Aircraft; 2011-05-13
Als ich vor kurzem die Anne Will-Sendung „Bin Ladens Liquidierung – darf man sich darüber freuen?“ schauen wollte, wusste ich ungefähr, was mich erwartet. Anne Will – Das ist Wutfernsehen in perfecto. So eine typische Show, die man sich nur anschaut, um sich aufzuregen, weil man es genießt, sich aufzuregen. Und genau das war mir klar und deswegen sollte ich mich nicht beschweren. Ich schaute aber tatsächlich nur die ersten zehn Minuten, in denen nichts anderes geschah, als Folgendes:
Die Anwesenden sind sich darüber einig, dass sie „erleichtert“ waren, als sie die Neuigkeit gehört haben, dass es aber unerhört und dumm von Merkel ist, zu sagen: „Ich habe mich gefreut.“ Die logische Folgerung: Es ist vollkommen absurd und geradezu bösartig, sich zu freuen, wenn man Erleichterung verspürt. (Und wenn man Kanzlerin ist, nach der unwidersprochenen Meinung eines durchgeknallten Richters, möglicherweise gegen das Gesetz.)
Wenn ich an Momente in meinem Leben denke, in denen ich erleichtert war, dann folgte dieser Erleichterung in der Regel auch eine Art Freude. Vielleicht hätte Merkel es spezifizieren müssen:
„Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin erleichtert über Bin Ladens Tod, aber ich verspüre keine explizite Freude. Es ist mehr die Sorte von Erleichterung, die ich auch nach einem richtig ordentlich Schiss verspüre. Man fühlt sich leichter, aber Freude wäre zuviel gesagt. Verstehen Sie, was ich meine?“
Ganz abgesehen davon, dass man theoretisch auch trotz Freude an der Legitimität des Einsatzes zweifeln kann (und dass ich nicht dachte, dass ich mal Merkel verteidigen muss), ist die Korinthenkackerei um ein subjektives Emotionswort fast noch absurder, als die Tatsache, dass es mittlerweile also unerhört ist, beim Tod eines Massenmörders allzu angenehme Gefühle zu haben.
Wie gesagt: Das bedeutet nicht mal, dass es nicht besser gewesen wäre, ihn zu verhaften. Damit kommen wir zum zweiten Punkt:
Ja, es wäre meiner Meinung nach besser gewesen, ihn zu verhaften, auch wenn bzw. gerade weil das folgende Gerichtsverfahren schwer gewesen wäre. Und auch, obwohl es ohne Frage zu grausamen Freipressungsversuchen geführt hätte und zu Anschlägen, welche die, scheinbar nicht an Brutalität zu überbietenden, Racheaktionen in Pakistan auf Dauer wahrscheinlich noch überboten hätten.
Aber warum gehen alle mit dieser Selbstverständlichkeit davon aus, dass es sich um eine geplante Exekution handelte? Nicht dass ich das Gegenteil beweisen könnte, aber ich kann nachvollziehen, warum Soldaten keinerlei unnötige Risiken eingehen wollen in einem völlig unbekannten Gebäude, in dem überall Sprengfallen sein könnten, in dem sich Osama nach den ersten Schusswechseln locker eine dieser „besonderen Westen“ hätte anziehen können und in dem sogar ein „Self-Destruct-Button“ sich nicht so absurd und unlogisch angehört hätte, wie normalerweise. Ich habe auch kein Problem damit zu glauben, dass Bin Laden lieber gestorben wäre, als sich gefangen nehmen zu lassen und sich entsprechend verhalten hat.
Ein gefangener Bin Laden wäre besser gewesen, als ein toter, aber ein toter ist besser als ein freier.
Malibu Aircraft; 2011-05-03
Während die Tatsache, dass Bin Laden getötet wurde, allgemein als Erfolg für die USA und Obama persönlich bewertet wird, sollten die Umstände etwas mehr zu denken geben.
Osama wurde bereits seit August in Abbottabad vermutet, einem Ort nur 50 Kilometer von der pakistanischen Hauptstadt entfernt. Er lebte in einem dreistöckigen Haus (geschätzter Wert: 1 Million Dollar), das erst vor ein paar Jahren gebaut worden ist und welches sich nur einen Kilometer entfernt von der angesehensten Militärakademie Pakistans befindet.
Und nun stellt sich die Frage, ob Pakistan im Voraus eingeweiht wurde. Angesichts des “offenen Geheimnisses”, dass Pakistans Militär, Geheimdienst und Politik bis in die höchsten Ebenen von Talibansympathisanten durchwuchert ist, erscheint dies eher unwahrscheinlich. Manchmal sind in solchen Fällen die ersten Meldungen glaubhafter, als die später in Politikersprache gekleideten Stellungsnahmen. So berichtete die Washington Post:
The United States did not share any intelligence with foreign governments, including Pakistan’s, and only a “very small number†of people within the U.S. government knew about it, one official said.
Obamas Aussagen scheinen dem nur oberflächlich betrachtet zu widersprechen. Er sagte in seiner Ansprache zwar:
“it’s important to note that our counterterrorism cooperation with Pakistan helped lead us to bin Laden and the compound where he was hiding.”
Doch ein anderes Bild ergibt sich, wenn man das Zitat im Zusammenhang betrachtet:
Over the years, I’ve repeatedly made clear that we would take action within Pakistan if we knew where bin Laden was. That is what we’ve done. But it’s important to note that our counterterrorism cooperation with Pakistan helped lead us to bin Laden and the compound where he was hiding. Indeed, bin Laden had declared war against Pakistan as well, and ordered attacks against the Pakistani people.
Der erste Satz hört sich deutlich genug an und enthält kein “aber nur mit Zustimmung Pakistans”. Der letzte Satz klingt fast wie eine halbe Entschuldigung für das Nichteinweihen. Und der mittlere Teil widerspricht bei genauerer Betrachtung dem Zitat aus der Washington Post mitnichten.
Obama fährt fort:
Tonight, I called President Zardari, and my team has also spoken with their Pakistani counterparts. They agree that this is a good and historic day for both of our nations.
“Tonight”, das bedeutet ungefähr soviel wie im selben Zeitraum in der er seine kurze Rede gehalten hat (11:35 P.M.). Also als Osama schon längst tot war. Hätte der Austausch schon vorher stattgefunden, wäre dies die perfekte Stelle gewesen, um es zu sagen.
Der ganze Ablauf symbolisiert perfekt die Beziehung zwischen Amerika und Pakistan. Zardari könnte genau wie Karzai keine Woche ohne die Unterstützung durch US-Millionen im Amt überleben. Gleichzeitig gehört auch Kuhhandel, Korruption und das Hintergehen der USA zu seinem täglichen Geschäft.
Pakistanische Politiker, genau wie das Militär, wussten schon immer, dass sich Amerika im Gegenzug offenhält, auch ohne Zustimmung auf ihrem Gebiet zu operieren. Der im Einsatz benutzte Hubschrauber war natürlich auf dem Radar sichtbar, also muss es theoretisch eine minimale Zusammenarbeit gegeben haben, die sich aber auch auf “Das ist unsrer, also Schnauze.” beschränkt haben könnte.
Das Ganze zeigt, dass Pakistan nicht wirklich ein Staat im herkömmlichen Sinne ist. Selbst Zardari könnte wahrscheinlich auf irgendeiner Ebene nachvollziehen, warum sein löchriger Geheimdienst nicht eingeweiht wurde. Wenn er selbst Bescheid wusste, könnte er aber auch kaum rechtfertigen, warum er diesem nichts gesagt hat.
So unerfreulich es ist: Dass die USA in Pakistan ungefragt rumschießt, war in diesem Fall wohl die beste Variante.
Malibu Aircraft; 2011-05-01
Die absurden Beiträge die man gerade wieder in der Presse liest, sind schon erstaunlich: Da wird der Versuch verurteilt, Gaddafi direkt auszuschalten. Es scheint also mehr in Ordnung zu sein, Soldaten zu töten, die von dem Diktator unter Todesandrohung zum Kämpfen gezwungen werden (und diese Drohung bezieht sich sicher nicht nur auf sie selbst), aber den Mann an der Spitze ausschalten zu wollen, um dem ganzen ein Ende zu bereiten, das geht natürlich zu weit.
Eine zweite Seltsamkeit ist die Beharrlichkeit, mit welcher vor einem Einsatz mit Bodentruppen gewarnt wird. Ich war für eine Flugverbotszone, aber ich bin nicht dafür, Tripolis in Grund und Boden zu bomben.
Wenn der beste Weg, um zahllose Leben zu retten und einen Krieg, dessen langfristige Folgen schon so völlig unabsehbar sind, zu beenden, darin besteht, das UN-Mandat nicht besonders eng auszulegen, dann stellt das für mich keine wahnsinnig schwere Gewissensfrage dar.
Sinnvollerweise sollte man sich vorher für eine Zustimmung des Nationalen Ãœbergangsrates in Bengasi einsetzen, aber ihm auch klar machen, dass ein endloser Krieg für niemanden eine Option ist.
Malibu Aircraft; 2011-03-31
Dass die Grünen von einem geradezu drehbuchartig orchestrierten Feuerwerk der Ereignisse beflügelt wurden, steht außer Frage. Fukushima, die in vieler Hinsicht geradezu perfekte Hassfigur Mappus, S21, Brüderle und einige andere Faktoren kamen in einer dramaturgischen Präzision daher, wie es in Zukunft wohl kaum so schnell wieder der Fall sein wird.
Aber die Grünen haben wahrscheinlich auch noch von etwas anderem profitiert. Es gibt einen signifikanten Teil der deutschen Bevölkerung, dem es beim Wählen vor allem darum geht, die CDU von der Macht fernzuhalten. Doch wenn man nicht grade die Linke wählen will, die sich meistens entweder auf ihren ursprünglichen Erfolgen auszuruhen scheint oder hysterische “Anti-Kriegs”-Propaganda veranstaltet oder sich in absurden und fast schon witzigen Innenkämpfen verliert oder einzelne Mitglieder ihre diversen Psychosen ausleben lässt (Wikipedia-Sperre, Gazaflotten-Tourismus, etc.), bis sie dann immer seltener auch mal sinnvolle Hartz4-Kritik betreibt, dann bleibt im Spektrum der etablierten Parteien nicht mehr viel übrig.
Die SPD ist so regierungsgeil, dass sie sich selbst unter den ungünstigsten Vorzeichen auf große Koalitionen einlässt. Die Grünen gehen ebenfalls seit langem Koalitionen mit der CDU ein (und seit 2009 im Saarland in Jamaika-Formation auch mit der FDP). Allerdings war die Situation in Baden-Württemberg anders: Diesmal war jedem Heini klar, dass Schwarz-Grün keine Option ist. Die Konfrontation im Vorfeld zu stark, die Gräben zu tief. Von den 780.000 zugewonnenen grünen Stimmen in BaWü kamen 225.000 aus dem Bereich der Nichtwähler und 165.000 von der SPD (laut Tagesschau). Ich sage nicht, dass das Anti-CDU-Gefühl der ausschlaggebende Grund war, aber wie die Zukunft der Grünen aussieht hängt auch davon ab, wie klar sie sich gegen die CDU stellen wird.
Ansonsten sieht die kommende Zeit für sie nämlich keinesfalls so rosig aus. Dass die Anti-Atom-Wende der CDU zu plötzlich kam, um glaubwürdig zu sein, dürfte in einem Jahr für die meisten kaum noch eine Rolle spielen. Damit gerät eines der grundlegendsten Alleinstellungsmerkmale der Grünen ins Wanken. Und nicht jedesmal wird das Schicksal die Wähler so zielstrebig zu ihnen treiben.
Malibu Aircraft; 2011-03-28
Malibu Aircraft; 2011-03-23
Was man in den letzten Tagen von den Anti-Interventionisten hört, bestätigt mal wieder, mit viel …sagen wir es freundlich… Naivität man hierzulande davonkommt, solange man sich “Frieden” auf die Flagge schreibt.
Im Moment steht die Frage im Raum, ob sich das Eingreifen als “Krieg” bezeichnen lässt. Dafür spricht, dass die Koalition bereits über das Einrichten einer Flugverbotszone hinausgegangen ist und Frankreich beispielsweise eine Panzerkolonne auf dem Weg nach Benghazi zerbombt hat. Auch wenn solche dankenswerten Ziele die Ausnahme bleiben werden, ist die Frage berechtigt, ob man etwas nur dann als Krieg bezeichnen kann, wenn alle Seiten Bodentruppen einsetzen. Das Herumtanzen um das K-Wort, z.B. durch amerikanische Offizielle, erinnert unschön an die Ewigkeit, die es gebraucht hat, bis die deutsche Regierung den Afghanistaneinsatz endlich als das bezeichnete, was er von Anfang an war: Krieg. Dass die Intervention aber kriegerisch ist, bedeutet mal wieder nicht, dass die Alternative Frieden heißt.
Es fällt jedenfalls auf, dass viele, die jetzt für klare Begriffe werben, größere Schwierigkeiten mit Begriffen wie “Krieg gegen die eigene Bevölkerung” oder “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” haben, wenn es um Gaddafis “Politik” geht.
Hier ein Ausschnitt aus einem Artikel der FAZ:
„Der Diktator führt Krieg gegen sein eigenes Volk, bombardiert systematisch seine eigene Bevölkerung, massakriert die Zivilbevölkerung seines Landes“ – ja, das alles, in den vergangenen Tagen tausendfach wiederholt, wären Beispiele für gravierende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Gaddafi führt Krieg gegen bewaffnete Rebellen, die ihrerseits Krieg gegen ihn führen. Kämpfende Aufständische, und wären sie Stunden zuvor noch Bäcker, Schuster und Lehrer gewesen, sind keine Zivilisten. Dass Gaddafis Truppen gezielt Zivilisten töteten, ist vielfach behauptet, aber nirgends glaubhaft belegt worden. Und jeder nach außen legitimierte, also autonome Staat der Welt, darf – in bestimmten Grenzen – bewaffnete innere Aufstände zunächst einmal bekämpfen.
Der letzte Satz ist nach allgemeiner, internationaler Auffassung sogar richtig. Um die verzerrte Wirklichkeit des Rests deutlich zu machen, sollten wir erst mal ein paar Schritte zurückgehen.
Der Befehl zu Luftangriffen auf Demonstranten hat bereits früh dazu geführt, dass Piloten nach Malta desertiert sind oder ihre Jets per Fallschirm verlassen haben. Weiterhin wurde nicht nur auf Demonstranten geschossen, sondern, wie Amnesty International berichtete, auch auf Sanitäter des Roten Halbmonds (wie in islamischen Ländern das Rote Kreuz heißt), welche eindeutig als solche zu erkennen waren und welche versuchten, verletzten Protestlern zu helfen. Als wäre das noch nicht genug, wurde von Söldnern berichtet, die in Krankenwagen durch die Straßen fuhren und wahllos auf Passanten schossen und von Demonstranten, die aus Krankenhäusern entführt und exekutiert wurden. Selbstverständlich lässt sich bei einigen dieser Berichte fragen, wie man ihren Wahrheitsgehalt mit letzter Sicherheit bestätigen kann. Die Berichte über das wahllose Schießen auf unbewaffnete Zivilisten, mal von Häuserdächern, mal aus Fahrzeugen heraus, mal auf Beerdigungen von gestorbenen Demonstranten, mal mit Artillerie und mal aus der Luft (zumindest das hat jetzt aufgehört) sind aber so zahlreich, dass eine Leugnung dieses Sachverhalts absurd und zynisch ist. Was braucht es denn noch, um es “glaubhaft zu belegen”? Die Internationale Föderation für Menschenrechte, der älteste internationale Dachverband für Menschenrechtsorganisationen (mit 164 Mitgliedern aus 100 Ländern), hat bereits am 24. Februar festgestellt:
Gaddafi is implementing a strategy of scorched earth. It is reasonable to fear that he has, in fact, decided to largely eliminate, wherever he still can, Libyan citizens who stood up against his regime and furthermore, to systematically and indiscriminately repress civilians. These acts can be characterised as crimes against humanity, as defined in Article 7 of the Rome Statute of the International Criminal Court.
Selbst die psychopathischen Ansprachen mit Endzeit-Rhetorik des Diktators selbst scheinen jedoch Manche von seiner Gefährlichkeit nicht überzeugen zu können. In Libyen konnte man gut beobachten, wie die Demonstranten letztendlich gar keine andere Wahl mehr hatten, als selbst zu den Waffen zu greifen.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass sie das immer und in jedem Fall auf gerechtfertigte Weise oder dass sie mit diesen Waffen dann nur Gerechtfertigtes getan haben. Es bedeutet auch nicht, dass sie, wenn Gaddafi fällt, einen Staat schaffen, den wir unter Demokratie-, Stabilitäts- und Menschenrechtsgesichtpunkten mit Sicherheit gut heißen können. Wir haben hier aber nicht die Wahl zwischen zwei Ãœbeln, sondern die Wahl zwischen einem Ãœbel bzw. einer Regierung, die sich kaum schlimmer verhalten könnte, und etwas, von dem wir noch nicht richtig wissen, inwieweit oder ob es ein Ãœbel ist.
Gaddafis Ende wird kommen. Seine megalomanischen Reden und der Zerfall seines engsten Kreises haben gezeigt, wie es um ihn steht. Ein weiteres, trauriges Bild über die Loyalität seiner Armee zeichnen Exekutionen eigener Soldaten, zu denen er sich offensichtlich “gezwungen” sieht. Natürlich kann es bis zu seinem Ende noch Monate oder Jahre dauern. Mit dem Nachhelfen durch ein Militärbündnis können aber die Leben von Tausenden von Libyern geschont werden.
Malibu Aircraft; 2011-03-22
Das dumme Drecksvieh ist also verreckt und deshalb muss ich, während ich in der pervers teuren Karstadt-Kantine etwas zu mampfen versuche, was höchstens der Optik nach Essen ist, mir vom Nebentisch anhören, wie tragisch es ist, dass der Arme leblos in seinem Wassertank trieb. Und ja, ich muss, Dummheit hat die Eigenschaft unüberhörbar zu sein.
Aber “zum Glück” (<- Zitat!) wird der nutzlose Kadaver jetzt obduziert, um herauszufinden, warum unser Berliner Eisbär, den wir so sehr geliebt haben, abgekratzt ist. Die Antwort ist natürlich scheißegal, könnte aber zum Beispiel lauten: Vielleicht weil es keine Berliner Eisbären gibt, vielleicht weil ein Eisbär tendenziell, ganz allgemein gesagt, Eislandschaft einer mitteleuropäischen Großstadt vorziehen würde. Vielleicht auch nicht.
Jedenfalls ist das einzige bedauerliche daran, dass man keine Show mehr machen kann, in der Millionäre Geld bieten, um Knut live erschießen zu dürfen. Das Theater wär schnell vorbei gewesen und die Einnahmen hätten das schmutzige Geld derjenigen ersetzt, die in den Zoo gegangen sind, um Knut zu sehen.
Aber vielleicht finden wir ja noch heraus, dass er sich selbst die Luftröhre aufgekratzt hat, weil er das ganze Geschrei nicht mehr ertragen hat. Vielleicht geht er dann als moderner Kurt Cobain in die Geschichte ein.
Vielleicht können wir mit seiner Leiche auch Gaddafis Palast zermatschen oder ein Loch in Fukushima stopfen. Ich bin sicher, er hätte das unterstützt. Wer will schon gerne eine sinnlose Existenz führen.
Malibu Aircraft; 2011-03-18
In diesen Minuten hat die UN eine Resolution verabschiedet, die alle nötigen militärischen Aktionen erlaubt, welche nötig sind, um das Leben von Zivilisten vor Gaddafis Angriffen zu schützen. Das schließt natürlich eine Flugverbotszone mit ein und möglicherweise sogar den Einsatz von Bodentruppen.
Als das Ergebnis bekannt wurde, sah man auf Al Jazeera Bilder aus Benghazi, der Rebellenhochburg, die an die Reaktionen der Menge auf dem Tahrir-Platz in Kairo erinnerten, als Mubarak zurücktrat. Jubel, Feuerwerkskörper, Sprechchöre und Euphorie. Jedoch ist diese Menge momentan ungeschützt, sollte Gaddafi sich entscheiden, jetzt sofort anzugreifen. Da dies seine Reaktion sein könnte, ist die Frage, wie schnell nun gehandelt wird. Deutschland wird sich, so Westerwelle, daran nicht beteiligen und hat sich auch bei dem Votum enthalten. Zusammen mit Russland und China. Anscheinend zieht man Kommentare, wie die warmen Worte von Gaddafi vor kurzem, der Menge in Benghazi vor.
The Libyan leader, Colonel Muammar el-Qaddafi, praised Germany. He told RTL, the German commercial television channel, Tuesday that “Germany was the only one with a chance of doing business in Libyan oil in the future.â€
The Germans, he said, “have taken a very good position toward us, very different than many other important countries in the West.†Along with Germany, “our oil contracts are going to Russian, Chinese and Indian firms, the West is to be forgotten,†Colonel Qaddafi said.
Quelle
Korrektur:
Die Stelle “to take all necessary measures [notwithstanding the previous arms embargo] to protect civilians and civilian populated areas under threat of attack in the Libyan Arab Jamahiriya, including Benghazi, while excluding a foreign occupation force of any form on any part of Libyan territory” der Resolution würde sich wohl doch schwer mit dem Einsatz von Bodentruppen vereinbaren lassen.
|