Sims Alabim; 2011-05-27
1. Das Zentralkomitee zur Erschaffung einer besseren Welt hat heute den Bau von Luftschlössern angeordnet. Diese sollen in einer Höhe von 5.000 Meilen über dem Meer mit den warmen Winden ziehen. Für die Dauer seines Aufenthaltes wird dort für Niemanden mehr Zeit vergehen, als ein Sommertag. Einzige Voraussetzung sie zu erreichen ist die Fähigkeit, aus eigener Kraft Fliegen zu können. Einziger Grund, sie wieder zu verlassen, ist der Wunsch, erwachsen zu werden.
2. Das Zentralkomitee zur Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität hat heute den ersten Lufthafen eröffnet. Mit Seilbahnen, Gondeln oder Luftschiffen ist es von nun an jedem Menschen möglich, die Luftschlösser zu besuchen. Melden auch Sie sich an für Ihren Sommertag in der Ewigkeit! Es gibt keinen Grund, diese Attraktion zu versäumen! Es empfiehlt sich allerdings, sich zur Erhaltung der allgemeinen Produktivität nicht länger als einen Tag im Jahr dort aufzuhalten.
3. Das Zentralkomitee der Grauen Eminenzen hat die Luftschlösser zu Reservaten erklärt. Dort werden unsere Kunst- und Kulturschätze die nächsten Tausend Jahre unbeschadet überdauern. Das Betreten der Luftschlösser für Erdenbürger sowie das Verlassen der Luftschlösser für alle, die der Profession der Gaukelei oder der Weltverbesserung nachgehen oder zum alten Adel gehören, ist bei Todesstrafe verboten. Es gibt keinen Grund, sich dem Verbot der Grauen Eminenzen zu widersetzen.
4. Die Bewohner der Luftschlösser haben heute den Grauen Eminenzen den Krieg erklärt. In Ermangelung eines Zentralkomitees hat jeder Luftschlossbewohner seine eigene Kriegserklärung formuliert. Die 5.000 Kriegserklärungen werden dem Zentralkomitee der Grauen Eminenzen im Verlaufe des Winters vermittels Eulen und Brieftauben zugestellt.
5. Das Zentralkomitee der Grauen Eminenzen hat heute die Zerstörung der Luftschlösser angeordnet. Die Flotte der Zerstörer ist bereit unterwegs. Wer sich im Verlauf der nächsten Tage unter einem solchen Luftschloss aufhält, tut dies ausdrücklich auf eigene Gefahr und ohne jeglichen Versicherungsschutz.
6. Das Zentralkomitee der Grauen Eminenzen ist heute von den Trümmern eines herabstürzenden Luftschlosses erschlagen worden. Wie es weitergeht, ist ungewiss.
Sims Alabim; 2011-05-15
Aus mehrfach aktuellem Anlass erlaube ich mir ganz dreist an dieser Stelle alle Leser (und Autoren!) dieses Blogs auf den spannenden Dokumentarfilm “Auf Teufel komm raus” aufmerksam zu machen. Ich sage das nicht (nur), weil die Regisseurinnen gute Freunde von mir sind: Diesen Film sollte man sich anschauen!
Zu sehen im Monopol in München, im fsk-Kino in Berlin, in der Filmpalette in Köln, im Mal Seh´n in Frankfurt und im Apollo in Aachen. Und vermutlich nicht länger als Ende Mai. Also sputet Euch!
Sims Alabim; 2011-05-03
Gegenrede zu 80% der in den letzten Wochen hier veröffentlichten Posts
Werter Kollege Malibu Aircraft,
ich wollte mich zu dem Thema Libyen nicht weiter äußern, ich war zu beschäftigt und des Themas zu müde. Aber die Beharrlichkeit, mit der Du hier im Blog immer wieder drauf herumreitest, wie gerechtfertigt der Nato-Einsatz dort unten eigentlich sei, zwingt mich jetzt doch zu einer Gegenrede. Meine Argumente sind weder neu noch so toll recherchiert wie Deine, aber die müssen jetzt hier einfach stehen, damit ich auch zukünftig andere Menschen guten Gewissens auf die Existenz dieses Blogs hinweisen kann.
Du unterstellst Gegnern des Kriegseinsatzes „Naivität“, stützt Deine komplette Argumentation jedoch auf eine einzige, auch nicht gerade durch intellektuellen Tiefgang auffallende Grundannahme: Gaddafi ist ein böser Mensch, der böse Dinge tut und ausgeschaltet werden muss, weil es dann mit den bösen Dingen ein Ende hat.
Wäre es doch nur so einfach. Wäre Frieden doch einfach damit erreicht, dass man die fünf, sechs bösen Diktatoren auf der Welt (mehr sind es ja nicht) einfach mal wegputzt. Alle übrigen Staatsmänner, Kriegsminister, Generäle, Feldwebel, Korporäle, Tamburmajore, Fußsoldaten, Söldner und wie sie alle heißen (die Waffenindustrie nicht zu vergessen), sind ja im Grunde friedlebende Menschen, die diesen dreckigen Job eigentlich nur machen müssen, weil die fünf, sechs Bösewichte auf der Welt sie beständig aufmischen. Mit irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen hat das nüscht zu tun.
Nein, nein, nein, so sieht die Welt leider nicht aus.
Du selbst hast dich ja schon darüber gewundert, warum es legitim sein soll, Soldaten zu töten, aber nicht die Menschen, die ihnen befehlen (also Gaddafi selbst als primäres militärisches Ziel). Damit hast Du die Absurdität des Kriegseinsatzes, den Du die ganze Zeit verteidigst, selbst schon auf den Punkt gebracht. Allerdings halte ich Deine Argumentation, Gaddafis Soldaten würden alle „von ihrem Diktator unter Todesdrohung zum Kämpfen gezwungen,“ für fadenscheinig. Zwischen Gaddafis Soldaten, die zu ermorden Dir allerdings in einem früheren Artikel eine Sache schien, „von der man nicht einmal weiß, ob sie ein Ãœbel ist“ und den Soldaten der Nato (oder der Bundeswehr, for that matter), besteht kein nennenswerter Unterschied. Beide befolgen denselben Ehrenkodex, gehorchen demselben Pflichtgefühl, sind getrieben von der gleichen Vaterlandsliebe und Autoritätshörigkeit. Die einen haben eben nur das Pech, dass ihr oberster Befehlshaber der böse Gaddafi ist, die anderen das Glück, dass sie dem guten Obama unterstehen. Mehr Unterschied besteht nicht. Ob es „Zivilisten“ oder Soldaten erwischt, es erwischt immer Menschen, die nicht aufgrund ihrer Schlechtigkeit den Tod verdient haben, sondern die einfach zur falschen Zeit im falschen Staat leben.
Nebenbei gesagt halte ich es auch für ein etwas absurdes Bild, sich vorzustellen, wie ein Diktator bei Todesstrafe die eine Hälfte seines Volkes zwingt, die andere Hälfte umzubringen. Wie kann eine Armee von sich behaupten, nicht anderes handeln zu können, als eben zu kämpfen, weil sie von ihrem Diktator dazu gezwungen wurde? Das Druckmittel, das ein Diktator auf andere Menschen ausüben könnte, besteht eben nur darin, eine Ãœbermacht bewaffneter Männer auf seiner Seite zu haben – die bewaffneten Männer können sich also schlecht darauf hinausreden, von sich selbst zum Kriegseinsatz gezwungen worden zu sein – obwohl das ironischerweise auf einer übergeordneten Ebene der Wahrheit wieder Nahe kommt, denn Diktatoren funktionieren nur in einem System, in dem die Legitimation von Waffengewalt eine erhebliche Rolle spielt.
Und nach diesem System funktionieren dann auch jene Kriege, die uns von diesen bösen Diktatoren befreien sollen. Freilich bleiben dabei einige von ihnen (den bösen Diktatoren) auf der Strecke. Aber das System erhält sich weiter. Das System, das sie besiegen soll, ist dasselbe, das sie erst hervorgebracht hat – und wir wundern uns dann, dass es Neue hervorbringt.
Also gut: Dann eben nicht Soldaten töten, sondern gleich nur ihre bösen Anführer. Möglichst gezielt ausschalten. Sich ruhig die Finger dabei dreckig machen. Auch wenn das heißt, dass man die Völker- und Menschenrechte, die man dabei verteidigt, im Einzelfall eben brechen muss. Schnelle militärische Konfliktlösungen (früher Blitzkriege genannt) und internationales Recht beißen sich eben. Da muss man durch, wenn es darum geht, den Bodycount gering zu halten. (Man sollte dann allerdings schon auch zusehen, dass man die Typen auch sauber erwischt. Erst ihre Söhne und Enkelkinder abknallen ist strategisch vielleicht kein so guter Move…)
In meinen Augen geht es bei dem Einsatz aber nicht vordringlich um das Niedrighalten des Bodycounts. Dieses Zurückhalten von Bodentruppen, dieses halbherzige Eingreifen, dieser verquere Vorsatz, der regulierenden Gerechtigkeit von außen sei genüge getan, wenn man durch Waffenlieferungen an die Rebellen ein „Gleichgewicht der Kräfte“ herstellte, ist nichts anderes als der Versuch, zu demonstrieren, wie zivilisiert, überlegt, zurückhaltend und streng nach Protokoll man also einen Krieg führen kann. Man will damit zeigen, dass man das Leid der Zivilbevölkerung ernst genug nimmt, um nicht „beiseite zu stehen“, aber den Krieg doch so weit verachtet, dass man ihn eben nur so ein Bisschen einsetzt, so viel wie gerade sein muss, aber auch nicht mehr. Und damit verlängert man das Leiden aller Beteiligten. Für mehr war Krieg auch noch nie gut.
Wir werden hier Zeuge der Neuinszenierung einer Farce, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges schon mehrfach aufgeführt worden ist. An unterschiedlichen Bühnen, mit unterschiedlichen Akteuren und mit unterschiedlich überzeugender Inszenierung, aber letztendlich ist es immer dasselbe: Auf der einen Seite der böse Diktator, der wahlweise damit droht, den Kommunismus auf der Welt zu verbreiten, waffenfähiges Plutonium zu horten, oder eben, Zivilisten umzubringen, auf der anderen die humanitäre westliche militärische Ãœbermacht, die aus reiner Menschenfreundlichkeit eingreifen muss. Hier geht es doch auch wieder darum, der ziviliserten Welt zu beweisen, dass das Militär eine zwar unschöne aber notwenige Einrichtung ist, weil manchmal nur so das Blutvergießen gestoppt werden kann. Ein moderner Mythos, der immer wieder genährt werden muss, um die Existenz von Armeen zu legitimieren.
Während des ersten Irakkrieges hieß es, die Soldaten Saddam Husseins hätten kurdische Babys aus den Brutkästen gezerrt und in Öfen verbrannt. Später stellte sich dann heraus, dass die Augenzeugen, die davon berichteten, von den USA geschmierte Schauspieler waren. Beim letzten Irakkrieg hieß es, Saddam hätte Massenvernichtungswaffen. Sie wurden nie gefunden. Jetzt heißt es: Gaddafi tötet Zivilisten. Gibt es irgendein neues, irgendein originelles, irgendein nachvollziehbares Argument für diesen Kriegseinsatz, das sich nicht herunterbrechen lässt auf: „Diesmal aber echt. Zivilsten, wirklich. Kam auf BBC. Der Typ is so übel!“
Ich will damit nicht einmal unterstellen, dass das genauso gelogen ist, wie die Argumente gegen Saddam Hussein. Ich will damit nicht einmal unterstellen, der Bürgerkrieg sei durch den CIA angezettelt worden, obwohl dieser Gedanke naheliegt und ich die Selbstverständlichkeit, mit der die Rebellen militärische Unterstützung der Nato verlangen, verdächtig finde. Traurigerweise kommt es darauf gar nicht an, sondern darauf, dass diese Buhmannagrumentation impliziert, das Problem wäre nicht die Existenz von Militär (oder die jahrzehntelange Fremdbestimmung sämtlicher Politik im Nahen Osten durch die USA), sondern immer nur einzelne, durchgeknallte Bösewichte.
Was uns hier verkauft wird, ist das Idealbild eines gerechtfertigten, aus humanitären Gründen geführten Krieges. An dieses Bild müssen wir glauben können, wir müssen es am Leben erhalten, wenn wir weiterhin Armeen unterhalten, Waffen herstellen und uns die Mittel über die wirtschaftliche Kontrolle anderer Völker in der Hinterhand behalten wollen. Und damit läuft eine Maschinerie weiter, die den Nährboden für Kriege und für Typen wie Gaddafi überhaupt bereitet: Wieder sind es die USA und andere westliche Industrienationen, die darüber entscheiden, welche Regierung ein arabischer Staat, auf dessen Boden sich Öl befindet, haben darf und welche nicht. Wieder wird es nicht das Volk selbst sein, das über seine Regierung bestimmt, und das kann einfach nicht zu einer dauerhaft stabilen Lage führen.
Es gibt keine in sich stimmige Logik der humanitären Kriegsführung, die nicht irgendwann auf Widersprüche und Paradoxien stößt, wie sie dir ja teilweise selbst aufgefallen sind. Es gibt kein Recht, keine internationalen Verträge, keine Genfer Konventionen, keine Un-Resolutionen, die in letzter Konsequenz nicht lächerlich wären, denn sie alle sind ein Versuch, das Töten als Mittel zur Verhinderung des Tötens weniger grausam zu machen, was nicht funktionieren kann. Die einzige Logik, nach der ein Krieg letztlich funktioniert, ist das Recht des Stärkeren. Nicht wer für die richtige Sache ist, sondern wer stärker zuschlagen kann, gewinnt. So einfach ist das. An einer Gesellschaft zu glauben, in der Krieg als Mittel zur Gerechtigkeitsschaffung wirksam sein kann, hieße also, an eine Gesellschaft zu glauben, in der der Gute auch immer die Stärkere und der Böse immer der Schwächere sein muss. Dann aber bitte gleich Schluss mit der Heuchelei und her mit einer Weltpolizei, die einfach ohne Mandat überall eingreifen kann, wo es kracht, um sämtliche Streithähne sofort und gezielt auszuschalten. Wenn du mir jetzt erklären kannst, wie eine solche Weltpolizei sich legitimieren und vor jeglichem Machtmissbrauch schützen kann, bin ich wirklich bereit, dir zuzuhören, wenn Du mir weiterhin etwas von humanitären Kriegseinsätzen erzählen willst.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin kein Fan von Gaddafi, ich sehe in ihm keinen verleumdeten Staatsmann, der Gutes für sein Volk will, ich bestreite nicht einmal, dass es Situationen gibt, in denen ein gezielter und übermächtiger Kriegseinsatz unterm Strich Menschenleben rettet – wenn man nur die Parameter unter denen man die Lage betrachten will, eng genug fasst. Ich bestreite nicht einmal, dass meine Forderung, Krieg als Mittel zur Konfliktlösung kategorisch und unter allen nur erdenklichen Umständen schlicht und einfach abzulehnen, mit Recht ebenfalls naiv genannt werden kann.
Aber wenn es erwachsen ist, Kriegseinsätze für gerecht zu halten, weil man viel Christopher Hitchens gelesen hat, und stolz darauf ist, zu was für einer kontroversen Meinung man sich als eigentlicher Kriegsgegner durchgerungen hat – dann will ich nicht erwachsen werden.
Nein, ich habe auch keine Patentantwort auf die Frage, die unvermeidlich kommen wird: Was will man denn dann gegen Typen wie Gaddafi unternehmen, bitteschön? Wenn solche Typen erst einmal da sind und genug Macht in ihren Händen haben um damit übel anzurichten, ist die Lage wirklich vertrackt. Aber dass man mit militärischen Mitteln immer nur mit viel Blut erkaufte Teilsiege erringt, die letztendlich die gleiche Ausgangslage früher oder später erneut heraufbeschwören, sollte uns nach einigen tausend Jahren Menschheitsgeschichte inzwischen klar sein…
Mit besten Grüßen,
Sims Alabim.
Sims Alabim; 2011-05-02
Du gehst aus dem Haus. Wolltest eigentlich in den Park, zum Lesen. Du holst dein Fahrrad aus dem Keller, schließt die Tür auf – und da liegt sie. Die Welt. Zu deinen Füßen. Einfach so.
Yeah. Wurde auch Zeit.
Sims Alabim; 2011-01-28
Gerade sah ich beim Einkaufen im Supermarkt einen vorbildlichen Einkäufer.
Da wo ich ein paar Jutebeutel dabei habe, um nicht dauernd aus Verlegenheit eine Plastiktüte erstehen zu müssen, war er gleich mit einem hölzernen Leiterwagen versehen, der es ihm erlaubte, weit größere Einkäufe co²-neutral an den heimischen Herd zu bringen, als ich dazu im Stande wäre. Sorgfältig prüfte der gute Mann Verpackung, Herkunftsland, Inhaltstoffe und Biozertifikat aller für seinen Einkauf in Erwägung gezogener Konsumgüter, und nur das Beste und Unbedenklichste schien gut genug für seinen Leiterwagen.
Ich bekam ein größeres schlechtes Gewissen, als ich es sonst beim Einkaufen bekomme, denn dieser Mann machte mir vor, wie es noch besser geht.
Bis wir uns beim Milchregal in die Quere kamen.
Wie auch ich bevorzugte der Herr Milch der Marke ***** ; und zwar nicht fettarm, keine H-Milch, und natürlich in der ausspülbaren und wiederverwenbaren Flasche, dem Tetrapack gleichen Inhalts aus energetischen und abfallwirtschaftlichen Gründen natürlich vorzuziehen. Es waren noch vier Flaschen da und der Herr lud sie alle Viere in seinen Leiterwagen. Vielleicht hat er zu Hause viele Mäuler mit Müsli zu versorgen, vielleicht war das auch einfach sein üblicher Vorratseinkauf. Ich jedenfalls stand jetzt da und als einzige Wahl blieb mir entweder die ekelige fettarme Variante in der Flasche oder die leckere Milch im Tetrapack. Bevor ich mich letztlich für das Tetrapack und gegen mein Gewissen entschied, überlegte ich, wie es wohl wäre, den Herrn darauf anzusprechen, dass sein ihm unbedenklich und folgenlos erscheinender Vorratseinkauf an Flaschenmilch einen anderen, ebenfalls umweltbewußten Einkäufer zum Griff zur nicht recyclebaren Verpackung zwänge, und ob es nicht in unserem gemeinsamen, ja dem gemeinsamen Interesse seiner sowie meiner potentieller Nachkommenschaft läge, wenn er eine der Milchflaschen an mich abträte, um damit nicht durch seinen umweltschonenden Einkauf der direkte Urheber meiner Umweltsünde zu sein.
Vor meinem geistigen Auge entsponn sich darauf eine Szenerie, die einer Episode von “Curb your Enthusiasm” , der legendären Serie von Larry David über Minenfelder des sozialen Miteinander, würdig gewesen wäre.
Die Tatsache, dass mein Argument nur so lange haltbar sein würde, wie man von der Annahme ausging, dass außer uns Beiden kein dritter, vierter oder gar fünfter Einkäufer ebenfalls das Interesse an, und damit das Recht auf gewissensentlastende Flaschenmilch haben würde, war nicht der Grund, warum ich den Herrn nicht auf unser Dilemma ansprach.
Es war mir einfach zu blöd.
Sims Alabim; 2010-12-24
Diesmal gibt es zu Weihnachten nichts Selbstgebasteltes. Nein, diesmal ist es an der Zeit, die Jüngeren Leser mit einem Stück wertvoller, deutscher Kultur vertraut zu machen – und die Älteren, die es schon kennen, werden es sicher mit Freude noch einmal lesen.
ADVENT
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
am Niklasabend muss es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh`,
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kim und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
(was der Gemahl bisher vermied)-,
behählt ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt zum Schluß, es geht auf vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt´s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist´s, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!
“He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?”
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
“Die sechs Pakete, heil´ger Mann,
´s ist alles, was ich geben kann.”
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt – es ist Advent.
Loriot
Sims Alabim wünscht allen Kollegen und Lesern frohe Weihnachten!
Sims Alabim; 2010-11-16
Eigentlich wäre diese Meldung ja eines Applauses wert: Die Wehrpflicht soll abgeschafft werden. (Auch wenn man sie naürlich nicht aus dem Grundgesetz streicht, um sie im Notfall auch ganz schnell wieder einführen zu können). Nachfolgenden Generationen junger Männer soll es also erspart bleiben, in der Altersgegend eines möglichen Schulabschlusses von Vater Staat angeschrieben und als potentielles Kanonenfutter deklariert zu werden, sich in einer Kaserne einzufinden und von einem meistens eher gelangweiltem als wirklich gründlichem Arzt sittlich an den Hoden berührt zu werden, Multiple Choice Aufgaben am Rechner zu lösen und anschließend nach den Schulnoten ein weiteres Menschenregistrierungsraster und seine Position darin kennen zu lernen: Die Tauglichkeitsstufen.
Diejenigen, denen der Gedanke an eine bevorstehende Invasion aus Russland (oder von Zombies…) irgendwie doch zu wenig Sorgen macht, um scharf darauf zu sein, den Umgang mit der Waffe zu lernen, müssen das nicht mehr in einem schwülstigen Begründungsschreiben formulieren, diejenigen, die früher zum Bund gegangen sind, weil man da “früher wieder raus ist” müssen keinen Treueeid auf eine Nation schwören, die ihre eigene Staatsmacht auch gerne gegen Bürger einsetzt, die ihre Stadt nicht an Grundstücksspekulanten verlieren wollen, und diejenigen, die wahrhaftig der Meinung sind, der Menschheit mit ihrer Teilnahme am “Krieg gegen den Terror” einen Gefallen zu tun, können sich ja immer noch freiwillig verpflichten.
Alles also schön und gut.
Delikat wird es im Nebensatz: “Auch der Zivildienst wird damit ausgesetzt. Zuletzt waren 90.555 Kriegsdienstverweigerer überwiegend im sozialen Bereich tätig.”
Ich will jetzt das Lamento gar nicht anstimmen, das eigentlich an diese Stelle gehört, will mich gar nicht darüber auslassen, dass der Verzicht auf Zivis die Krankenhäuser, Altersheime, Behindertenwerkstätten, Naturschutzgebiete etc.pp. womöglich schwer treffen wird, dass ich trotz meiner ablehnenden Haltung der Wehrpflicht gegenüber der Meinung bin, dass es einem jungen Menschen in diesem Alter absolut gut tut, wenigstens ein paar Monate lang eine Tätigkeit auszuüben, die weder seiner Karriere noch seiner Neugier auf fremde Länder geschuldet ist, dass ich mich sogar dazu hinreißen lassen würde, für eine Zivildienstpflicht zu plädieren, und zwar auch für Frauen (!), ich will auch nicht sentimental werden und beschreiben, dass meine Zivildienstzeit immer noch zu einem der absolut besten Jahre meines Lebens gehört – ich will nur auf die Tatsache hinweisen, dass der Zivildienst offensichtlich in seiner Wertigkeit als möglicherweise sinn- und wertvolle gesellschaftliche Einrichtung überhaupt nicht anerkannt, sondern noch immer als “Nebenprodukt” einer militärischen Organisation verstanden wird.
Es handelt sich dabei noch immer um einen Wehr-Ersatz-Dienst, und wenn man den Wehrdienst abschafft, scheint man auch den “Ersatz” nicht mehr zu brauchen. Wenn man jungen Männern nicht mehr zumuten will, unfreiwillig das Töten zu lernen, kann man ihnen offenbar auch nicht mehr zumuten, unfreiwillig einem Rollstuhlfahrer beim Waschen oder alten Leuten beim Essen zu helfen.
Ich finde das schon immer wieder erschreckend, wie wir so unsere Prioritäten setzen.
Sims Alabim; 2010-08-18
Im Wespenturm wohnen die machtlosen Götter.
Ich zünde in ihrem alten Tempel neue Kerzen an.
Ich trage den Staub fremder Straßen in ihre Heiligen Hallen.
Als ich ihre Standarten trug
verließen sie mich
in den Eishallen heidnischer Könige.
Doch ist ihr Lächeln ohne Hohn, und meine Rückkehr ohne Reue.
Nicht mehr Vater und Sohn,
noch nicht Diener und Herr,
nur alte Weggefährten, die sich einst an Häfen und Trassen verloren,
so reichen sie mir die Hände.
Es war gut, an ihnen gezweifelt zu haben.
Sims Alabim; 2010-07-24
Für viele Leute ist es längst ein offenes Geheimnis, dass ich gerne die Vuvuzela erfunden hätte. Nicht nur, um mit einem vermutlich äußerst billig hergestellen Plastikkram einen Haufen Kohle zu machen, sondern vor allem, um mich voller Stolz einer Erfindung rühmen zu können, die der gesamten Fußballnation wochenlang auf die Nerven gegangen ist. Das wäre einmal wirklich ausgleichende Gerechtigkeit und mir ein innerer Reichsparteitag gewesen.
Ich hätte mich auch redlich darum bemüht, die Vuvuzela mit verschiedenen Frequenzen herauszubringen, denn als das größe Manko des Vuvuzela-Klangteppichs habe ich eigentlich immer die Tatsache empfunden, dass es dem ZDF gelungen ist, ihn aus dem Live-Ton der Ãœbertragungen auf ein erträgliches Maß herunterzufiltern (das habe ich mir zumindest erzählen lassen).
Wie überrascht war ich, als ein paar wagemutige Musikanten den Beweis angetreten haben, dass in der Vuvuzela noch viel, viel mehr steckt, als penetranter Hintergrundlärm. Das, was diese Menschen da veranstalten, gehört meines Erachtens nicht nur in einen Konzertsaal, sondern auch auf die Zuchtbullenversteigerung in Hannover, zur Bundesverdienstkreuzverleihung für Jogi Löw, mehrfach vor die UNO und vor den obersten Sowjet.
Platz 3: Die Vuvuzela
Auch das folgende Stück würde ich gerne einmal in der Fassung für Vuvuzela-Bläser hören. Bis dahin müssen wir uns wohl mit folgender, gelungener Neuinstrumentalisierung eines Klassikers zufrieden geben:
Platz 2: The (not so) Imperial March
Zum Themenkanon dieses Blogs gehört ja leider Gottes auch immer wieder der Spott über die Esoteriker, und so wie meine geschätzten Freunde und Kollegen ihre Kronzeugen dafür gerne unter den Spitzen der Britischen Komiker finden, ist es mir nun auch endlich gelungen, ein musikalisches Kleinod ausfindig zu machen, dass zeigt, dass höchster musikalischer, künstlerischer Anspruch und tiefgreifende spirtuelle Botschaften wahrhaftig zu einem Meisterwerk verschmelzen können, ohne dessen positive Energie ich keinen meiner treuen Leser in den Rest des Sommers entlassen möchte:
Platz 1: Ein Lied, das jeden Menschen glücklich macht.
Ich würde mich nicht wundern, wenn man damit Krebs heilen könnte.
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Sims Alabim; 2010-06-18
Staubige Asphaltstraßen, nach langer Trockenheit zum ersten Mal wieder von einem sanften Sommerregen benetzt.
Das Chlorwasser eines Schwimmbeckens, dazu Sonnencreme.
Sonnencreme und dazu der Gummigeruch einer neuen, zum ersten Mal aufgepumpten Luftmatratze.
Der Geruch eines Seeufers, zusammengesetzt aus Schilf, Schlamm, Moder (auch hier vielleicht noch eine Spur der unvermeidlichen Sonnencreme) und anderen, geheimnisvollen Ingredienzien des Seewassers, von denen wir vielleicht auch gar nicht genau wissen wollen, woraus sie bestehen.
Gemähtes Gras auf einer Wiese, das sich in den Sonnenstrahlen langsam in trockenes Heu verwandelt.
Das sind Gerüche, denen man in jedem Sommer neu begegnen kann, wie guten, alten Freunden.
Einen anderen Geruch gibt es aber, den man nur noch selten trifft, und den man gerade deshalb hüten sollte wie einen Schatz. Das ist der Geruch der Gleise in der Sommerhitze an einem alten Dorfbahnhof.
Vielleicht hat es damit zu tun, dass heute keine Holzbohlen mehr verwendet werden. Dieses tiefdunkle, spröde gewordene Holz, meistens unter rostrot gewordenen Schienen, und auf rostbraunem, irgendwie an Kohlestücke erinnernden Schotter. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man sich, je älter man wird, immer seltener für längere Zeit an diesen Bahnhöfen aufhält, wo alle Stunde einmal ein Zug vorbeikommt.
Die rostigen Schienen mit der blank polierten Oberfläche beginnen zu singen, dann rauscht ein Güterzug vorüber, und auf der endlos erscheinenden Schar von immer gleichen Wagen, die er hinter sich herzieht, stehen entweder Neuwagen, oder stapeln sich Baumstämme. Dann wird es wieder still, der Geruch der Schienen steigt mit der flirrenden Hitze wieder hinauf, während man weiterhin auf dem menschenleeren Bahnhof sitzt und sich die Zeit bis zur Regionalbahn vertreibt.
Man ist natürlich nicht allein, man ist immer zu zweit, mindestens. Die nassen Haare sind längst getrocknet, nur das in den Rucksack gestopfte Handtuch ist noch feucht. Vielleicht hat man sich noch etwas von den Süßigkeiten aus dem Schwimmbad aufbewahrt, vom Ahoi-Brausepulver, das man sich in die verschwitze Handfläche schüttet und von dort ableckt, von den weißen Mäusen, den Schlümpfen, die immer in den Zwischenräumen der Zähne kleben bleiben, von den billigen Kaugummis, die in einen Aufkleber von Alf oder Knight Rider eingewickelt sind. Man ist vielleicht zwölf Jahre alt.
Die Tage erstrecken sich endlos, zwischen Morgen und Abend ist immer Platz für mehr als ein Abenteuer. Man denkt keinen Augenblick darüber nach, dass es verlorene Zeit sein könnte, eine Dreiviertelstunde am Bahnhof auf einen Regionalzug zu warten, mit dem man dann eine Station zu fahren hat. Warum sollte man über Zeit nachdenken? Es ist Sommer.
Der Weg zum Kaugummiautomaten drei Häuser weiter ist schon eine Unternehmung, Zehnpfennigstücke eine gebräuchliche Währung, ein zerknitterter Zwanzigmarkschein im Geldbeutel ein Schatz.
In das kleine, hügelige Wäldchen hinter dem Haus meiner Großeltern passt sieben Mal der Sherwoodforest, der Fangornwald, der Planet Eternia und der Truppenübungsplatz einer Armee ohne Fahnen, Feinde oder Ideologien, der es genügte, Armee zu sein und den Flugzeugen befreundeter Armeen auf den mit Gartenschäufelchen in Erdhügel gegrabenen Flugfeldern Landeerlaubnis zu erteilen.
Schon alt genug, um ganze Tagesabläufe vollkommen ohne die Zuwendung erwachsener Bezugspersonen bestreiten zu können. Noch jung genug, um für nichts Verantwortung zu spüren.
Man weiß es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, man wird es erst viele Jahre später beim Geruch der schweren, alten, rußigen Holzbohlen in der Sommerhitze begreifen, aber in diesen wenigen Sommern, in denen man zwölf Jahre alt ist, gehört einem, zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben, die Welt.
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