Hier nun wie versprochen mein Senf auf das neue Bat-Würstchen.
DISCLAIMER: Das letzte Mal, dass ich ein Batman Comic in der Hand hatte, dürfte in der Grundschule gewesen sein, und vermutlich handelte es sich um ein besonders billiges irrelevantes Franchise-Exemplar. Auch wenn ich mir im klaren darüber bin, dass ich dies schnellstmöglich ändern sollte: Ich habe nicht die geringste Ahnung von der Comicfigur Batman. Mein Bezug zu dem Character und dem zugehörigen Universum beschränkt sich auf die rührend billige Kultserie mit Adam West (dem deutschen Publikum auch als der auf Filmlänge geprügelte Zusammenschnitt Batman hält die Welt in Atem bekannt), die emmygekrönte Zeichentrickserie aus den Neunzigern und vor allem die beiden grandiosen Spielfilme von Tim Burton.
Mit letzteren wären wir auch schon beim Thema. Meine Freunde, Kollegen, Liebhaber und Todfeinde (andere Leute lesen dieses Blog vermutlich ohnehin nicht) wissen, wie sehr ich Burton bewundere, was es mir prinzipiell schon mal nicht leicht macht, eine abweichende Batman-Interpretation auch nur in Betracht zu ziehen. Deshalb habe ich auf Batman Begins wohlweißlich verzichtet.
Nachdem aber auch meine Hype- und Blasenresistenz ihre Grenzen hat, beschloss ich mir den Dark Knight anzutun und zwar so offen und unvoreingenommen wie es nur geht.
Ach ja: stellenweise Spoilergefahr!
Ich will mich also gar nicht mit geschmäcklerischen Albernheiten wie dem SUV-Batmobil, der klinisch geleckten Bathöhle oder dem NuMetal-Fledermauslogo aufhalten. Alles Sachen, die mir nicht sonderlich gefallen, im Rahmen einer ästhetischen Neuinterpretation des Stoffes allerdings durchaus machbar sind. Und nachdem im Vorbeigehen auch noch anerkannt werden soll, dass der Film als unterhaltsamer Actionkracher auf hohem Niveau hervorragend funktioniert und nachdem ich betont wissen will, welche Freude es war, Michael Caine nach Children of Men erneut auf der großen Leinwand zu sehen, muss ich der unkritischen Baggage, die den Dark Knight zum Jahrhundertwerk hochjazzt sogar in einem Punkt vollständig recht geben:
Der Joker!
Anders als der Batzman (dessen Kritik ich im Ãœbrigen wärmstens empfehle), sehe ich diesen kleinen fiesen Psycho als absolut ebenbürtig mit dem was Burton und Nicholson 1989 geschaffen haben. Heath Ledger balanciert gekonnt zwischen Charge und Charakter und präsentiert uns einen kleinen fiesen dreckigen Wichser, der ähnlich wie der Scorpio Killer aus Dirty Harry gerade deshalb so gut funktioniert, weil für seine Bosheit kein Kontext existiert, der Erklärungsversuche und damit letztlich eine Relativierung des von ihm ausgehenden Terrors anbieten würde.
Im Gegensatz zu Scorpio jedoch, der durch seine zur Schau gestellte Armseligkeit den gerechten Hass des Publikums auf sich zieht und uns als Zusachauer kompromisslos auf Callahans Law-and-Order-Linie einschwört, ist der Joker mit seiner stylishen Aufmachung, all den heroischen Kamerawinkeln, Zeitlupen und trockenen Onelinern, die Nolan ihm spendiert, zu allem Ãœberfluss auch noch eine verdammt coole Sau – der eigentliche Held des Films. Leider degradiert er damit Batman zum Pausenclown.
Nun warten ordentliche Heldenepen ja traditionell mit liebevoll gestalteten Bösewichtern auf – schließlich soll sich ein Superheld, der diese Bezeichnung verdient, nicht mit einem x-beliebigen Suppenkasper kloppen. Umgekehrt wünscht man aber eben auch einem Schurken wie dem Joker einen Gegner, der mehr drauf hat als seine aufrechte Haltung, ein Arsenal an cleveren Gadgets und eine nach unten gepitchte Stimme.
Wenn Michael Keaton in Batman und Batman Returns einsam in einem viel zu großen Salon zu Abend aß und mit seinem kauzigen Butler Zwiegespräche hielt, ahnte man nur zu deutlich, dass dieser Mann auf den dunklen Straßen Gothams letzlich einen Stellvertreterkrieg führte, dass sein Kostüm nicht nur dem Schutz seiner Privatidentität diente, sondern tiefe seelische Wunden verbarg, dass Batman jene Macht ausübte, die Bruce Wayne trotz seines Reichtums versagt blieb.
Bei dem eindimensionalen Strahlemann, den ein chronisch unterforderter Christian Bale hier gibt, muss man sich vielmehr fragen, warum er sich nicht einfach eine kleine Privatarmee leistet, die unter dem Beifall der Bevölkerung in Gotham aufräumt, während Bruce Wayne sich mit seinen russischen Ballettschneckchen die Zeit vertreibt oder der kleinen Anwältin endlich das Leben bietet, dass sie sich wünscht (“Die kleine Anwältin” halte ich übrigens tatsächlich für eine adäquate Charakterisierung dieser bemerkenswert eindimensionalen Frauenfigur, deren Aufgabe sich darauf beschränkt, die Beziehung zwischen zwei Männern zu verkomplizieren, hin und wieder ein bisschen zu weinen, zu zicken und in Gefahr zu geraten und schließlich unspektakulär geopfert zu werden).
Was den Bösewicht so bemerkenswert macht – der Verzicht auf Komplexität – funktioniert beim Helden eben gerade nicht. Zumindest nicht so wie Nolan und seine beiden Co-Autoren Jonathan Nolan und David S. Goyer es hier vormachen.
Die Ästhetik des Films, die sich hier und da eine Prise Neo-Noir leistet, ansonsten aber jegliche Ãœberhöhung oder Stilisierung geflissentlichst vermeidet, tut ein übriges, um der Heldenfigur noch die letzte Plausibilität zu nehmen. Anders als der Joker, der sich dank des verwischten Make-Up und der generell – im Vergleich zum Comicvorbild – eher dezenten Aufmachung organisch in das konventionelle Thriller-Setting einfügt, stolpert Batman wie ein hoch aufgeschossener Lord Helmchen durch Chicago, das hier offenbar aus irgendeinem Grund “Gotham City” heißt. Nach der grandiosen Eröffnungssequenz fragte ich mich ernsthaft, was plötzlich der Typ in dem Fledermauskostüm da soll…
Ähnliches gilt leider für Twoface. Speziell um diese – für sich genommen bemerkenswerte – Design- und Effektleistung ist es echt schade. Ähnlich wie um all die großartigen Schauspieler, einzelne Kameraeinfälle und vieles andere.
Was sonst noch zu Twoface zu sagen wäre? Nichts! Er interessiert mich nicht. Genauso wenig wie den Autorenstab, der beim Versuch ein Epos zu schaffen, scheinbar zum Ende hin die Lust oder zumindest den Ãœberblick verloren hat, so dass dieser Film trotz seiner epischen Länge am Ende immer noch seltsam gehetzt daher kommt und dramaturgisch aus allen Nähten zu Platzen scheint.
Im Ãœbrigen und bei aller Liebe zu moralischer Ambivalenz: Hätte man sich nicht entscheiden können, ob die Bürger Gothams nun so gutherzig und moralisch sind, dass sie sogar das eigene Leben und das diverser Mitmenschen opfern wollen, um das von ebenso vielen Schwerverbrechern zu schonen, oder doch so blöde und unberechenbar, dass man sie über Dents Ende belügen muss? Diese Scheinheiligkeit verhagelte mir sogar noch den doch eigentlich gut gelungenen Schluss.
Ach ja, und wenn irgendjemand bei Gelegenheit Hans Zimmer endlich mal umweltgerecht entsorgen könnte, wäre ich sehr dankbar!
…so, Kollege Sims. Jetz lass ma sehen!