Und soll mein Denken zu etwas taugen, und sich nicht nur im Kreise drehn, will ich versuchen, mit Euren Augen die Wirklichkeit klarer zu sehn.
Hannes Wader
Nachdem ich mich nun in letzter Zeit dazu berufen gefühlt hatte, mich auf dieser Seite in die Waldorf-Debatte einzumischen und gegen eine gewisse Art des Skeptizismus zu Felde zu ziehen, während andere Kollegen auf dieser Seite Gegenpositionen formuliert haben und noch zu formulieren gedenken, habe ich mir jetzt ein Grundsatzpamphlet dazu aus den Rippen geleiert. Ich veröffentliche es nun ohne auf Cabuflés Finale zu warten, weil ich den Kopf endlich wieder für andere Dinge frei haben muss. Da diese Diskussion nun ohne Polemik keinen Spaß macht, sei an dieser Stelle noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass sämtliche spitzen Attacken nicht als persönliche Angriffe gegen meinen geschätzten Freund und Kollegen Cabuflé zu verstehen sind, den ich im Gegenteil in diesem Disput als fairen Sparringspartner betrachte, und daher auch nicht zu vergrämen hoffe, wenn ich ihm unterstelle (noch dazu, wo er erst in ein paar Wochen die Zeit hat, sich zu wehren), dass er drauf und dran ist, sich einer religiösen Gemeinschaft anzuschließen. Ebenso hoffe ich, Malibu Aircraft hat nichts dagegen, dass ich ein paar von ihm gepostete Links als Beiträge zu dieser Diskussion werte, auch wenn sie nicht explizit als solche gekennzeichnet worden sind. Des weiteren hoffe ich mit diesem Pamphlet meinen Standpunkt weitestgehend klar genug gemacht zu haben, um fürderhin nicht noch weiter darauf herumreiten zu müssen, weil ich mir sonst wie ein Missionar vorkomme, der ich keinesfalls sein möchte. Als letztes entschuldige ich mich noch dafür, dass meine Beiträge immer so lang werden. Aber Bits und Bytes sind nun einmal geduldig.
Ich möchte auch mit einem ganz und gar nicht ironisch gemeinten Geständnis beginnen: Ich glaube, dass ich den Wissenschaftlern von GWUP tatsächlich unrecht getan habe, und dass meine Beurteilung ihres Tuns ihrer Methode und ihrer Haltung gegenüber wahrscheinlich unfair war, dass mich ihre Argumente (im Bezug auf Wünschelruten!) rational eigentlich weitgehend überzeugen, dass ich mir das selbst aber ungern eingestehe, weil ich in mir einen Willen dazu spüre, in der Welt eine gewissen Portion Wunder, Mythos und verborgenen Sinn zu entdecken, und dass mir eine Entzauberung meines Weltbildes von all diesen Dingen ein gutes Stück weit jenen Boden unter den Füßen wegziehen würde, auf dem sich viele meiner Überzeugungen gründen. Viele dieser Überzeugungen ließen sich in ein rein agnostisches Weltbild hinüberretten, andere nicht.
Was mich also angestachelt hat, diese Debatte überhaupt zu führen, war die von mir subjektiv empfundene Ätschi-Bätsch-Attitüde eines populärwissenschaftlichen Fernsehbeitrages, der sich erdreistet, in der Hauptsache das partielle Versagen zweier Probanden als allgemeingültige Argumentationskeule für ein finales Statement zu einem Phänomen zu verwenden, das soziologisch weitaus komplexer ist als die Frage „Wo steckt der Wassereimer”?
Und das wiederum steht auch nur stellvertretend für eine ganz andere Frage: Ist die Wissenschaft gerade dabei, Gott zu ermorden? Weiterlesen…
Faszinierend, wie momentan in nahezu jedem auch nur ansatzweise mit Filmen beschäftigten Blog erwachsene Männer Endorphinräusche zu Protokoll geben angesichts eines Ende diesen Jahres startenden so genannten “Familienfilms”.
Mein Kollege mag mir vergeben, dass ich die versprochene Antwort auf seinen Wünschelrutenpost noch etwas weiter hinausschiebe, um mich über persönliche Banalitäten auszulassen. Sims, wir sind Leidensgenossen. Bitte, du musst das verstehen!
Man hat also, weil man sich dazu berufen fühlt, beschlossen einen Film zu machen. Man dachte, dass diese kleine Geschichte von zwei Freaks, die einander inmitten von schreiend lauter menschlicher Beliebigkeit begegnen und aneinander wachsen, zwar ihre zwei, drei organisatorischen Tücken haben mochte, für einen studentischen Drittjahresfilm jedoch eher harmlos und leicht zu stemmen wäre.
Ein halbes Jahr später sitzt man Tag für Tag mit dem über alle Maßen verehrten Kameramann über dem Drehbuch und brütet Bilder aus, für die man einem Tag das ganze Budget verbraten könnte, ohne einmal auf den Auslöser gedrückt zu haben. Shit Happens. Mal schaun, was für’n Sponsoringdeal wir da kriegen. Und da. Und da. Und da…
Man hat vor allem aber dieses Mal die Geschichte für so diffizil erachtet, dass man die Hauptrollen nicht wie bisher den hervorragenden Schauspielern aus dem Freundeskreis auf den Leib schrob, sondern Figuren im Kopf gestalt annehmen ließ, um dann, wie ernsthafte Filmemacher es nun Mal tun, zu casten.
Man hat sich auf diese anspruchsvolle Arbeit gefreut und nicht Angst aber Respekt davor gehabt, sich deshalb vorgenommen, früh mit der Schauspielersuche zu beginnen.
Man hat auch früh begonnen. Und trotzdem will man jetzt in einem Monat drehen, die Maschine läuft, und bis auf die bedeutende Nebenrolle, die man einem hervorragenden Schauspieler aus dem Freundeskreis auf den Leib geschrieben hat, ist nichts besetzt.
Man sitzt seit Monaten Abende lang vor dem Rechner und klickt sich durch Agenturseiten, durch Schauspielerverzeichnisse, durch dubiose Kleinanzeigenmärkte von Foto zu Foto und macht zum wiederholten Mal eine Erfahrung, die sich, nicht nur weil man selbst gelegentlich als Schauspieler arbeitet, irgendwie creepy anfühlt.
Irgendwie muss man schließlich eine Vorauswahl treffen, und nach dem zweihundertsten Portraitfoto eines jungen Mannes mit diesem ganz speziellen verstrahlten Silberblick, den charismatische Führerfiguren über Jahre hinweg in so gut wie jeden Schauspielschüler hineinprügeln, nach mehreren Stunden an Demotapes, an deren Anfang jedes Mal der gleiche austauschbare funky Elektropop eine Montage von verschiedenen Varianten des darstellerischen Silberblicks untermalt, nach dem einhundertundfünzehnten Klick auf einen toten Agenturlink wird jeder Mensch, dem an einem letzten Rest geistiger Gesundheit gelegen ist, zum Zyniker:
Wie, der hat fünf Fernsehauftritte in der Vita, aber kein Demotape? Entweder schämt er sich für die bisherige Arbeit, oder ist zu faul, sein Material zu schneiden. Tilt! Raus da! Einer weniger auf der Liste. Vielleicht kümmert sich auch die Agentur einfach nicht angemessen um ihn? Ja vielleicht. Selber schuld, vielleicht merkt ers ja irgendwann. Tilt! Und dieser Fatzke hat auf youronlinecrew-searchwhatever.com nur ein Foto + Emailadresse? Will der besetzt werden oder mal wieder richtig einen wegstecken? Auf die Weise wird er weder das eine noch das andere erreichen. Tilt! Tilt! Tilt! Tilt! Wär ja nicht so, dass ich hier verzweifelt nach dem perfekten Darsteller für meinen Film suchen würde, ihn noch nicht mal bezahlen kann und deshalb in meinem eigenen Interesse wirklich jede Möglichkeit in Betracht ziehen sollte.
Die Zeit und Energie nutze ich lieber um herauszufinden, wo die Mutter von diesem einen Typen wohnt. Dem einzigen, dessen Fotos und Demotapes mich auf einen Schlag umgehauen haben. Und der sich jetzt erdreistet an einem rennomierten Stadttheater verpflichtet zu sein und keine Zeit für meinen Studentenschmonz zu haben. Der wird seine Meinung ganz schnell ändern, wenn ich ihm Mamas Ohren mit DHL schicke.
Wenn ich oben “Schauspieler” schrob, meinte ich das übrigens nicht als “generisches Maskulinum” sondern tatsächlich nur die Kandidaten für die männliche Hauptrolle. Bei der Leading Lady überschattet ein noch weit trivialeres Problem die Vorauswahl: Sie muss eine sehr schöne Frau sein. Muss sie wirklich. So ist die Figur im Buch angelegt. Aber heilige Scheiße, Georg, nur weil du die Dame auf dem Foto da am liebsten auf der Stelle und ohne Zögern bespringen würdest, traust du ihr noch lange nicht zu, einen Teil deiner geprügelten Seele auf die Leinwand zu bringen. Schau dir ihr Demotape an! Diesen stumpf-süßen Gesichtsausdruck kriegst du nie wieder aus ihr raus. Das ist wie mit dem Silberblick.
Es ist ein schmutziger Job, aber irgendjemand muss ihn machen…
Gut dass man ein Blog hat, wo man derartigen Gedankenmüll abladen kann; und noch besser, dass man sich nie angewöhnt hat, den gleichen Müll in Echtzeit und ungefiltert über affige Social-Networking-Tools stichwortartig an alle Freunde und Kollegen zu verschicken. Dann hätte man jetzt nämlich keine mehr.
Zum Abschluss noch ein wirklich gut gemeintar Rat an alle hoffnungsfrohen Schauspieltalente:
Fernsehredakteure und Marketingfuzzis mögen sich von den Funky Elektropoptrailern am Anfang eurer Demotapes beeindrucken lassen. Also bleibt dabei, es könnte euch (bezahlte!) Arbeit verschaffen. Größenwahnsinnige Jungregisseure allerdings bilden sich ein, so etwas wie ein “Gespür für den Moment” zu haben, einen “intuitiven Blick für den Mensch hinter der Figur” (doch, doch, das sind Fachbegriffe… ähem…). Sie wollen wild in eurem Showreel hin- und herspulen und freuen sich deshalb außerordentlich, wenn ihr das Video auf einer Seite veröffentlicht, die schnell lädt und direktes Springen an jeden beliebigen Punkt des Bandes erlaubt. Im Zweifelsfall bieten sich dafür handelsübliche Videoportale wie youtube oder vimeo an. Nur weil eine Seite das Wort “Schauspieler” in der URL hat, heißt das nicht, dass ein Demotape dort besser aufgehoben wäre.
Es gibt natürlich keinen Grund, großartig überrascht zu sein. Dass die katholische Kirche der Judenverfolgung im Allgemeinen und den Naziverbrechen im Besonderen die meiste Zeit eher gleichgültig bis sehr wohlwollend gegenüber stand, konnte jeder wissen, der es wissen wollte, und die Haltung des gleichen Vereins zu Verhütungs- und Seuchenpräventionsfragen bedarf keiner weiteren Erläuterung – immer getreu der Maxime, dass viele todkranke und/oder verhungernde Schäfchen besser sind als eine handvoll (zumindest körperlich) gesunder.
Wenn man allerdings beobachtet wie der Wirsindpapst im letzten Jahr erst aus einer Laune heraus eine kleine antisemitische Fürbitte ausgrub, dann unlängst öffentlich mit Holocaustleugnern herumschmuste, und jetzt, da diese Geschichte noch nicht ganz aus den ratlosen Feuilletons verschwunden ist, zu einem völlig anderen Thema die nächste Unverfrorenheit raushaut, nämlich dass Kondome nicht nur halt nun Mal gegen Gottes Gesetz sind, sondern “vielmehr das [Aids-]Problem [verschlimmern]”, mit welcher Brachialität, Ignoranz und mangelnder Eleganz also dieser Mann seinen berufsmäßigen Feldzug gegen Aufklärung und Menschlichkeit führt und damit auch ihm tendenziell wohlgesonnene Mehrheiten in Politik und Journaille in die Opposition zu ihm zwingt, kurz: wie hier der Chef eines Konzerns sich und damit sein komplettes Unternehmen öffentlich zum Horst macht, dass ein Hartmut Mehdorn vor Neid erblassen könnte, dann glaube ich, dass dies nicht mehr allein durch Größenwahn, Senilität oder schlechte Berater zu erklären ist.
Nein: Nur ein tatsächlicher direkter und immerheißer Draht zu mindestens einem Gott kann derartige Amok-P.R. begründen. Aus Ratzemannes Munde spricht eine höhere Weisheit, die sich menschlichem und insbesondere meinem Verständnis entzieht, und der ich mich ab heute unterwerfe.
Zeitnah wird instant-eistee.de zum römisch-katholischen Thesenblog umgebaut werden, und ich stelle meine Autorenkollegen hiermit vor die Wahl, mir zu folgen oder die Gemeinschaft der Eisteeheiligen zu verlassen. Meine zahlreichen Groupies und Mätressen mögen zur Kenntnis nehmen, dass ich ab sofort nicht mehr für unverbindliche Spontanficks zur Verfügung stehe, bzw. nur noch unmittelbar vor der wöchentlichen Beichte und selbstverständlich ohne Gummi!
1. Jeder glaubt, sie wären besser als die Alternative. Wer das Gegenteil behauptet, ist nie ganz glaubwürdig. Die Wenigsten aber können gut genug damit umgehen, um die Vorteile wirklich zu nutzen. Wenn sie neu sind, sind sie toll, doch bald geht der Stress los. Man gibt ungern zu, wie viele Mängel sie haben, und wie kümmerlich die Serviceleistungen des Herstellers sind.
– Zwei Männer, die ich beide aus unterschiedlichen Gründen sehr schätze (wofür ich in beiden Fällen regelmäßig von meinen Kumpels aus der linksliberalen Gosse auf die Mütze kriege), haben sich neulich auf einen kleinen Plausch im Görli getroffen:
– Unter anderem weil ich demnächst gerne davon leben möchte, dass Leute Geld bezahlen um meine Filme zu sehen, würde ich mich prinzipiell als Freund des Rechtes am geistigen Eigentum bezeichnen. Gerade als solcher halte ich es allerdings für offenkundig, dass das Urheber- und Lizenzrecht in seiner jetzigen Form ein bösartiges außer Kontrolle geratenes Monster ist, das die vermessenen Interessen jener schützt, die die Infrastruktur zur Verbreitung kultureller Werke verwalten, während es die beiden wichtigsten Parteien – namentlich Künstler auf der einen Seite und Endverbraucher auf der anderen – im besten Fall nervt, im schlimmsten Fall auf perfide Weise kriminalisiert.
Der Batzman weist bei den fünf Filmfreunden in seiner wunderbar geschriebenen Polemik “Raubkopien sind besser! – Serien-DVDs und das Geheimnis der verschwundenen Musik” auf einen bislang wenig beachteten Aspekt dieser Problematik hin.
– Und da mir wenig so am Herzen liegt wie die Lebensqualität meiner Leser, ohne weiteren Kommentar Clifford Stolls Vortrag von der TED-Konferenz 2006:
When I think of Henry Selick directing a movie, I don’t so much envision a man and his animators working tireless for months and years posing and re-posing tiny figures as part of the next great stop-motion feature, or coming up with ways to avoid using CGI to complete his vision and do as much as possible using practical, handmade techniques. No, when I think of Selick at work, I see a wizard concocting potions and chanting spells all in the name of making tiny dolls and animals and plants and other creatures come to life. All he has to do is point a camera at them and shoot.
Schon lange hatte ich vor, meine gänsehäutig knisternde Vorfreude auf diesen Film mit den überaus kompetenten und geschmackvollen instant-eistee-Lesern zu teilen. Das oben verlinkte Interview mag mir als Anlass dienen.
Kleiner Exkurs: Tim Burton’s The Nightmare before Christmas ist nicht von Tim Burton, zumindest nicht im engeren Sinne. Burton schrieb das Buch, war einer der Produzenten, begleitete Danny Elfmans Arbeit an den Songs und nahm maßgeblich Einfluss auf das Design der Sets und Charaktere. Da er aber gerade keinen Bock oder keine Zeit oder beides hatte, knapp zwei Jahre lang einer Horde Animatoren zuzugucken, wie sie Silikonpuppen millimeterweise durch die Gegend schieben, überließ er die eigentliche Regie Henry Selick. Dass Nightmare… am Ende so deutlich Burtons Handschrift trägt, liegt sicher zum großen Teil an seiner großen kreativen Involvierung. Es dürfte allerdings ein fataler Irrtum sein, die Rolle des geheuerten Regisseurs nur als die eines “nützlichen Idioten” einzuschätzen. Schließlich geben Selicks spätere Arbeiten James and the Giant Peach und Monkeybone Anlass, eine gewisse Geistesverwandschaft zwischen den beiden Regisseuren zu unterstellen, ohne dabei Henry Selicks eigene Bildsprache und Handschrift gering zu schätzen.
Zu erwähnen wäre der Vollständigkeit halber auch noch Wes Andersons The Life Aquatic with Steve Zissou, dessen surreale Stimmung nicht zuletzt von Selicks animitierten Tiefseekreaturen lebt.
Nun, und übermorgen läuft Selicks neues Werk Coraline in den USA an. Liebhaber in Deutschland müssen ihre gänsehäutig knisternde Vorfreude noch bis Ende Juni aushalten.