Spaß mit der Demokratie


Sims Alabim; 2009-12-10

Neulich war ich beim Rathaus am Marienplatz. Ich wollte für das Volksbegehren für den Nichtraucherschutz in Bayern unterschreiben. Als ich gesehen habe, dass die Schlange die komplette Frontseite des Rathauses entlang ging, und dann um die Ecke verschwand, dachte ich schon, ich gehe wieder, ich wollte schließlich noch ins Kino. Als ich dann gesehen habe, dass die Schlange um die Ecke noch eimal so lang war und beinahe schon wieder die nächste Rathausecke erreichte, habe ich mich komischerweise angestellt. (Später habe ich dann gesehen, dass es spiegelverkehrt noch eine zweite, ebenso lange Schlange gab. Das Rathaus war also zu 75 % von Nichtrauchern “umstellt”).

Ich bin ja normalerweise weder ein Freund demokratischer Veranstaltungen noch habe ich einen besonderen Kick dabei, wenn ich mich irgendwelchen Tätigkeiten anschließe, denen sich alle anschließen. Diesmal war es anders. Diesmal hat es ungeheuer Spaß gemacht, sich inmitten zahlreicher Weihnachtseinkäufer solidarisch mit denen zu erklären, die an ihrem Feierabend eine Dreiviertelstunde wegen einer Unterschrift in der Kälte stehen. Buchstäblich im Minutentakt wurde man von Passanten gefragt, wofür man denn hier anstehe und ob es etwas umsonst gäbe. Eine Frau meinte im Vorbeigehen, sie müsse nicht unterschreiben, sie sei schließlich schon seit 20 Jahren Nichtraucher. Einige (vorzüglich junge, hippe Typen) demonstrierten “uns” gegenüber Genervtheit, weil es doch schließlich ätzend sei, Abends beim Weggehen ständig zum Rauchen rausgehen zu müssen.

Ich finde es erstaunlich, was man alles für Argumente gegen ein generelles Rauchverbot in Gaststätten und Clubs findet. Die armen Raucher würden ausgegrenzt, die Nachbarn belästigt durch den Lärm vor der Tür, die Straßenreinigung müsse mehr arbeiten wegen den ganzen Kippen auf dem Bürgersteig, die Wirte machten weniger Umsatz, und in den Discos würde der Schweißgeruch auf einmal so unangenehm deutlich zu Tage treten.

Im Vergleich zu dem simplen Gedanken daran, wie gesund es ist, Zigarettenrauch “aktiv” oder “passiv” (also freiwillig oder gezwungenermaßen) einzuatmen finde ich all diese Argumente lächerlich, und ich bin mir sicher, jeder andere würde das genauso empfinden, wenn Zigaretten in den letzten fünf Jahren erst erfunden worden wären, und eine kleine Lobby von Abhängigen das Recht einfordern wollte, diese Droge an öffentlichen Plätzen oder gar in Lokalen, am Ende noch in Anwesenheit von Kindern, konsumieren zu dürfen.

Der Vergleich mag übertrieben wirken, aber für mich ist ein Rauchverbot in Gaststätten ein so selbstverständlicher Schritt für das Allgemeinwohl wie die Abschaffung der Sklaverei oder die Einführung von Sicherheitsgurten. Neben dem Dosenpfand vielleicht eine der wenigen vernünftigen politischen Initiativen der letzten Jahre. Aber kaum haben ein paar Entscheidungsträger in der Politik endlich Mal ein wenig Eier gezeigt, schon wird überall Geschrei laut. Es gibt immer irgendjemanden, der dann “Umsatzeinbußen” zu beklagen hat, und das scheint ja in Bayern eines der schlimmsten Totschlagargumente überhaupt zu sein. Man kann ja alles machen, so lange nicht irgendwem irgendwo der Umsatz einbricht. Also rudert die Politik zurück, entschärft, weicht auf, lässt verblassen, was einst einem minimalen Standart von gesundem Menschenverstand entsprochen hat. Und nun stellen sich also die Menschen auf die Straße, um kund zu tun, dass es einen beträchtlichen Anteil nicht herumquängelnder, nörgelnder Staatsbürger ohne Umsatzeinbußen gab, die mit dem Nichtraucherschutz scheinbar ganz glücklich gewesen sind. Ich war einer davon, und deswegen hatte ich meine Freude daran, in dieser Schlange zu stehen, und mich dort zwischen wildfremden Menschen nicht alleine zu fühlen.

Ich will aber auf einen ganz anderen Punkt hinaus. Jenseits der Demokratieseligkeit, die einen in so einer Schlange überkommen kann, hat mir die ganze Sache nur wieder vor Augen geführt, wer in einer Demokratie eigentlich das sagen hat: Nicht das Volk, sondern der Teil des Volkes, der am lautesten schreit, wenn ihm was wehtut. Nicht das Volk will den Nichtraucherschutz, sondern diejenigen, denen er wichtig genug ist, dafür zur Unterschrift anzustehen. Die Meinung der schweigenden Mehrheit fällt eigentlich nicht ins Gewicht, weil die schweigende Mehrheit meistens keinen Bock hat, sich für irgendwas in die Schlange zu stellen, Initiativen loszutreten, und ein Großteil davon geht auch nicht zur Wahl. Und das beste ist: Wenn sie es doch einmal tut, gibt es danach viele, die sich wünschten, sie hätte es nicht getan.

Ich kenne Leute, die sonst immer davon herumtönen, wie wichtig es sei, sich am demokratischen Prozess zu beteiligen, die am Wahlsonntag den “hat gewählt”- Button bei Facebook anklicken, und die nun sagen, dass sie nach der Entscheidung der Schweizer gegen Minarette ihre Einstellung zu Volksentscheiden noch einmal überdenken müssten. Hoppla, liebe linksliberale studentische Mitte:  Heißt das nicht, dass Demokratie nur dann toll ist, wenn die Ergebnisse auch so linksmittig ausfallen, wie man selbst gerne hätte? Was ist denn, wenn die Schweizer nun einmal antiislamistische Betonköpfe sind, die keine Minarette in ihrem Land haben wollen? Haben sie denn nicht das Recht dazu? Wenn in einer Demokratie tatsächlich das Volk regiert, muss diesem dann nicht auch grundsätzlich das Recht zugestanden werden, ein Volk von Arschlöchern zu sein, und dementsprechende Entscheidungen zu treffen?

Der Glaube an die Demokratie fußt auf drei unausgesprochenen Grundannahmen, die ich alle für sehr zweifelhaft halte: 1. Demokratisch getroffene Entscheidungen sind Mehrheitsentscheidungen. 2. Was die Mehrheit will, ist für die Mehrheit auch das beste. 3. Was das beste für die Mehrheit ist, ist fair, gerecht, und damit gut.

1. An jeglichem demokratischen Entscheidungsprozess, vom Volksentscheid bis zur Bundestagswahl, beteiligen sich immer nur diejenigen, die ein konkretes Anliegen haben, oder die noch genug Elan und Blauäugigkeit besitzen, um an die Möglichkeit echter politischer Veränderung zu glauben. Nun könnte man sagen, dass die Beteiligung ja dennoch jedem offen steht, und wer auf sein Recht verzichtet, die Stimme abzugeben, ist halt selbst schuld. Diese Sichtweise ist berechtigt, aber dann hieße das letztlich: Demokratie ist ein Club, in dem nur die Mitglieder entscheiden, was auf den Tisch kommt, während man diejenigen ignoriert, die mit der Speisekarte von Anfang an unzufrieden waren. An einer Wahl beteiligt sich nämlich nur, wer das, was zur Wahl steht, für bedeutsame Alternativen hält. Und dabei geht es nicht nur darum, an welchen Alternativen es oft mangelt, sondern auch, worüber man uns überhaupt Entscheidungsmöglichkeiten in die Hand gibt. Ich würde ja behaupten, dass viele der Schweizer, die sich gegen den Bau von Minaretten entschieden haben, diesen Standpunkt nur eingenommen haben, weil man ihnen überhaupt eine Wahl angeboten hat. Hätte es den Volksentscheid nicht gegeben, wäre es vielen von ihnen doch scheißegal gewesen, wer da irgendwo ein Minarett hinbaut. Jetzt aber kann die konservative “Volkspartei” so tun, als sei dies dem Volk schon immer ein großes Anliegen gewesen.

2. Nehmen wir einmal an, man würde aus Punkt 1 die Lehre ziehen, dass ein Volksentscheid nur Volksentscheid genannt werden kann, wenn nicht irgenein prozentualer Anteil der Bevölkerung, sondern 100% aller Wahlberechtigten ihre Stimme dazu abgeben. Jeder von uns würde per Post einen Stimmzettel bekommen und müsste seine Haltung zum Thema “Rauchen in der Kneipe” in die Form eines Kreuzchens in einem von zwei Kästchen gießen. Nehmen wir weiterhin an, die Raucher befänden sich in unserem Land in einer eindeutigen Mehrheit und hätten keinen Bock, zugunsten quengelnder Astmathiker und Kinder (die eh ins Bett und nicht in die Kneipe gehören) zum Rauchen immer vor die Tür zu gehen. Nehmen wir also an, ein ganzes Volk würde mit eindeutig feststellbarer Mehrheit seine Ãœberzeugung kund tun, dass auch weiterhin überall geraucht werden darf, wo getrunken und gefeiert wird. Hat das Volk sich damit auf lange Sicht tatsächlich einen Gefallen getan?

3. Noch einmal zu den Minaretten. Nehmen wir sie einmal, Debatten über den generellen Wert von Religion und das Blabla über “islamistischen Terror” einfach außen vor lassend, als Symbol für die Möglichkeit einer eingewanderten Minderheit, ihre Kultur inmitten eines Landes auszuüben, in dem eigentlich eine andere Kultur vorherrschend ist; einfacher gesagt, als Symbol für Toleranz. Alle, die sich jetzt für das Schweizer Volk schämen, sind (meiner Meinung nach zurecht) der Ansicht, Toleranz sei ein ethisch und moralisch hochstehender Wert, eine Tugend, die wir in Zukunft dringend brauchen werden, um tödliche Konflikte zu vermeiden, und die wir daher pflegen sollten. Dennoch kann es durchaus denkbar sein, dass es den Schweizern faktisch besser geht, wenn sie unter sich bleiben, und Islamisten gar nicht erst ins Land lassen. Lasst uns also einmal annehmen, die Schweizer hätten in diesem Punkt nicht nur tatsächlich mehrheitlich, sondern auch tatsächlich zu ihrem eigenen Besten entschieden – auch wenn wir diese Entscheidung zurecht als intolerant erkennen. Haben wir jetzt das Recht, ja nicht sogar die Pflicht, dagegen zu gehen? Brauchen die Schweizer eine Lektion in Sachen Offenheit und Toleranz? Nicht, damit es ihnen besser geht, sondern damit die Welt in 500 Jahren vielleicht ein besserer Ort geworden ist? Hätte man also das moralische Recht, einen Volksentscheid zu übergehen, wenn man ihn für unmoralisch hält?

Wer jetzt ja sagt, muss zugeben, dass er nicht wirklich an Demokratie glaubt, in der alle Macht vom Volke auszugehen hat. Wer nein sagt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die Politik, die er verteidigt, den Pragmatismus über den Idealismus stellt.

Ich für meinen Teil möchte an dieser Stelle die kühne und erst noch zu beweisende Behauptung aufstellen, dass die wenigsten Schritte, die der Mensch im Laufe seiner Geschichte hin zu einer freien und gerechten Gesellschaft unternommen hat, durch demokratische Entscheidungen und Prozesse zustande gekommen sind. Um Sklaven zu befreien, um die Apartheid abzuschaffen, um eine Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erreichen, um behinderte Menschen in unsere Gesellschaft einzugliedern, und um irgendwann auch die Todesstrafe oder dieses scheiß Nikotin endlich loszuwerden, brauchen wir mehr als Unterschriftenlisten, Volksentscheide und Parteien, deren Regierungszeit von der Popularität ihrer Entscheidungen abhängt.

Die meisten Menschen, denen ich so etwas sage, legen mir daraufhin nahe, einen besseren Vorschlag zu machen. Ein Regierungssystem zu entwerfen, das die Möglichkeit hat, gegen den Willen eines Volkes aber dennoch in dessen Sinne zu entscheiden, und dem nicht die Gefahr innewohnt, zur Diktatur zu verkommen. So ein Konzept habe ich leider nicht in der Schreibtischschublade. Das hindert mich aber nicht daran, die gefeierte Demokratie trotzdem scheiße zu finden. Sie ist nicht demokratisch genug, um Korruption, Klüngelei und Lobbyismus in den alltäglichen Entscheidungen zu verhindern, aber auch nicht “diktatorisch” genug, um langfristige Entscheidungen treffen zu können, die möglicherweise unpopulär, letztlich aber ethisch gut und richtig sind. Deswegen haut das mit dem Atomausstieg und dem Klimaschutz auch nicht hin: Keine demokratische Regierung bleibt lange genug an der Macht, um die notwendigen Entscheidungen notfalls gegen den Willen des Volkes bis zum Ende ausfechten zu können (geschweige denn gegen den Willen der Leute mit den “Umsatzeinbußen”).

Die Lust auf Könige haben uns die Diktatoren ausgetrieben – also lassen wir uns von Krüppeln regieren, und ab und zu, wenn dabei zu wenig für uns abfällt, ersetzen wir einen Krüppel gegen den nächsten, geben ihm genauso viele Möglichkeiten, kurzfristig viel zu verbocken und genauso wenig Macht, langfristig viel zu verändern. Weil es damit nicht getan sein kann, wird es wohl noch lange dauern, bis ich auf Facebook den “hat gewählt”- Button anklicke. Lieber unterschreibe ich noch auf vielen anderen Listen, die leider meistens nicht die nötige Stimmenanzahl bekommen, um überhaupt ernst genommen zu werden. Ich beruhige mich damit, dass ich mir sagen kann: Weder heißt das Scheitern einer Bürgerinitiative, dass ihre Ziele falsch waren, noch heißt ein Volksentscheid, dass das Volk eine vernünftige Entscheidung getroffen hätte. Im Kasperletheater der Politik ist das leider alles relativ.

Project Natal


Malibu Aircraft; 2009-12-10

Ok, das musste ich einfach bloggen: E3 2009 – Project Natal – Milo Demo with Peter Molyneux
Peter Molyneux ist zwar auch ein Experte für Sachen, die nur geil aussehen, bevor sie wirklich rauskommen (Black and White), aber so oder so glaube ich, dass ein Einstieg in eine neue Stufe der AI kurz bevor steht: Eine, die wirklich realistisch Menschlichkeit … simuliert? Dann könnten wir auch wieder anfangen darüber zu diskutieren, ob Simulation von Menschlichkeit gleich Menschlichkeit ist. Das einzige Thema, das interessant war in ST: Voyager.

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Der brave Mann


Sims Alabim; 2009-11-05

Einst kam es, dass ein braver Mann sich am Ende seines Lebens, nachdem er die Schwelle des Todes überschritten hatte, an den Pforten der Hölle wiederfand. Neben ihm stand mit höhnischem Lächeln der Teufel und eröffnete ihm einen Blick auf die Schrecken des Purgatoriums, die nun auf die arme Seele warteten.

Da begann der brave Mann ein großes Geschrei und Gejammer und klagend erhob er seine Stimme zu Gott in der Höhe und sprach: “Wie kann es sein, dass ich an diesen Ort geraten bin? Habe ich doch in meinem ganzen Leben keine einzige Sünde begangen! Habe ich mich doch stets an die Heilige Schrift gehalten, an die Worte der Priester und Bischöfe! Habe ich doch alle Regeln befolgt, die uns aufgetragen sind und habe ein einfaches, ein friedliches, ein gottgefälliges Leben geführt! Warum wird es mir nun mit dem Fegefeuer vergolten, Herr?”

Gott aber blieb stumm.

Da wandte sich der brave Mann in seiner Verzweiflung an den Teufel. “Auch du musst doch wissen, dass ich mich mein Lebtag lang bemüht habe, niemals etwas zu tun, was mir einen Platz in der Hölle einbringen könnte!”

“Das ist wahr”, erwiderte der Teufel lächelnd. “Und aus demselben Grunde hast du in deinem Leben nichts vollbracht, womit du dir einen Platz im Himmel verdient hättest.”

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Deathstar Anniversary


Sims Alabim; 2009-10-21

Ich bin ja sehr zurückhaltend damit, Links zu witzigen Videos im Netz zu verbreiten, aber den hier gönne ich mir.

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Freaky Wildlife


Malibu Aircraft; 2009-10-02

Irgendwas ist hieran wirklich schön.

Irgendwas is hieran seltsam befriedigend.

Irgendwas is hieran “süß”.

Und das ist einfach nur geil!

Alles via bugthumper.

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Der Held von Solln


Malibu Aircraft; 2009-09-16

Erstmal: Der Herr, der für seinen Mut sterben musste, ist ohne Frage ein Held. Hier soll es nicht um zynisches Medien-Bashing gehen und eigentlich ist es gut möglich, dass der folgenden Post mit dem konkreten Fall überhaupt nichts zu tun hat.

Ich will nur zu diesem “Anlass” ein paar Studien und Entdeckungen zum Zuschauereffekt in Erinnerung rufen. Nur um das nochmal klarzustellen: Was ich hier schreibe, hat möglicherweise überhaupt nichts mit dem konkreten Fall zu tun. Es soll weder den Kindern, die ja anscheinend sogar Umstehende direkt angesprochen haben, welche dann trotzdem untätig blieben, Vorwürfe machen, noch die passiven Gaffer entlasten.

Ich gebe hier mehr oder weniger ein Kapitel aus dem exzellenten Buch “Influence” von Robert B. Cialdini wieder.

Das erste Mal, dass der Zuschauereffekt (auch Genovese-Syndrom) ernsthaft untersucht wurde, war nach dem Tod von Catherine Genovese im März 1964, eine Geschichte, die nur durch Zufall überhaupt ihren Weg in die Medien fand.

Für mehr als eine halbe Stunde konnten 38 New Yorker aus ihren Fenstern beobachten, wie Catherine Genovese erstochen wurde. Zweimal wurde der Mörder von Stimmen und Lichtern abgeschreckt, doch immer holte er sie wieder ein, bis sie schließlich starb. Erst nach ihrem Tod wurde die Polizei alamiert.

Zwei Psychologie-Professoren formulierten eine damals scheinbar unmögliche Theorie: Sie glaubten nicht, dass nichts unternommen wurde, obwohl es 38 Zeugen gab, sondern mindestens teilweise gerade weil es 38 Zeugen gab.

Sie führten ein Experiment durch, in dem ein Student einen epileptischen Anfall vortäuschte. Er bekam Hilfe in 85 Prozent der Fälle, wenn ein Zuschauer anwesend war, aber nur in 31 Prozent der Fälle, wenn fünf Zuschauer anwesend waren.

Seit dem haben mehrere Studien gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand in einer Notfallsituation eingreift, sinkt, je mehr (unbeteiligte) Personen anwesend sind. “Adrenalinsituationen” sind möglicherweise gerade die Umstände, in denen wir am ehesten auf unsere primitivsten, evolutionären Instinkte zurückfallen. Wenn es vor einigen hundertausend Jahren einen Kampf oder einen Notfall innerhalb eines Stammes gab, blickten unsere Vorfahren vermutlich auf die anderen Mitglieder und vor allem auf den Stammesführer. Wenn beispielsweise ein Kampf zwischen zwei Stammesangehörigen stattfand, konnte es sein, dass der Stammesführer aus diesem Kampf Nutzen zog. In dem Fall hätte er vermutlich jeden bestraft, der sich ohne Erlaubnis eingemischt hätte. (Was eine von vielen möglichen Erklärungen sein könnte.)

Um überdeutlich zu sein: Das ist selbstverständlich KEINE Entschuldigung für Gaffer. Was uns als Menschen auszeichnet, ist ja gerade die Tatsache, dass wir unsere niederen Instinkte zumindest größtenteils unter Kontrolle bringen können. Ich glaube aber es hilft, sich solcher Dinge bewusst zu sein und zu lernen in welchen Situationen unsere Intuition uns helfen kann und in welchen sie uns vermutlich genau das Falsche raten wird. Bei einem Notfall mit vielen anderen (passiven) Menschen anwesend zu sein, ist wahrscheinlich eine dieser Situationen. Insofern hilft es auch wenig, wenn die Medien immer wieder wiederholen: Es wurde nicht geholfen, obwohl viele Zuschauer anwesend waren. Ich weiß nicht, ob man immuner gegen den Zuschauereffekt wird, wenn man über ihn Bescheid weiß, aber etwas mehr Aufklärungsarbeit von den Medien könnte sicher nicht schaden.

Cialdini rät in solchen Fällen übrigens, Menschen so direkt wie nur irgendwie möglich anzu”sprechen”, z.B. mit dem Finger auf eine Person zeigen und rufen: “Sie da, in der blauen Jacke…”

Das Erschreckende ist, dass auch das in Solln wohl nichts geholfen hat. Die Kinder haben, wie gesagt, die Umstehenden ja tatsächlich direkt angesprochen.

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SIEBEN


Malibu Aircraft; 2009-09-16

China zensiert in …naja, hier eben…


Malibu Aircraft; 2009-09-13

Keine Angst, ich werde hier jetzt nicht jede Mail reinstellen, die ich an irgendwelche Regierungsvertreter oder Organisatoren schicke, nur meiner eigenen perversen Freude wegen (“Ich hab was getan!”) und in dem Wissen, dass die allermeisten nicht mal überflogen werden. Aber ich habe in letzter Zeit eh viel zu wenig gepostet, also wat solls.

Sehr geehrter Herr Boos,
ich bin sicher, Sie haben besseres zu tun, als E-mails wie diese zu lesen. Doch denken Sie bitte einen Moment nach: Sie haben gestern in einer Stellungnahme geschrieben, Ihnen lege daran, einen offenen Dialog mit allen Beteiligten zu führen. Die chinesischen Delegierten haben Ihnen aber doch ganz deutlich gezeigt, dass sie genau das NICHT wollen. Sie wollen eben keine Meinungen hören, die Ihnen nicht passen. Genauso wie die KP im eigenen Land die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte mit Füßen tritt, genauso sollen auch hier nur Image-Verbesserung und Propaganda betrieben werden. Auch wenn ich eigentlich selten patriotische Gefühle hege, schäme ich mich für Deutschland, wenn Sie in ihrer Stellungsnahme nur die Entschuldigung beim chinesischen Organisationskomitee betonen und eine Entschuldigung an so mutige Menschen wie Dai Qing und Bei Ling nicht mal erwähnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Niklas Göckel

Um genau zu sein, hege ich eigentlich nie patriotische Gefühle, jedenfalls keine postiven. Naja. Die Stellungsnahme des Herrn Direktors findet sich übrigen hier und seine Mail-Adresse lautet: Juergen.boos@book-fair.com. Lasst uns ihm alle schreiben und die Welt verändern. Jipeeh!

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Kurze Buchempfehlung


Malibu Aircraft; 2009-08-24

Das neue Buch von einem der bekanntesten autistischen Savants Daniel Tammet “Embracing the Wide Sky” oder auf deutsch “Wolkenspringer” ist eine exzellente Lektüre, die ich mal eben bedingungslos empfehlen möchte. Tammet hält (laut Wikipedia) den europäischen Rekord im Aufsagen von  Nachkommastellen von Pi und lernte für eine Dokumentation innerhalb einer Woche Isländisch. Deine Röhre (so sorry) enthält zahlreiche Videos über ihn.

Er beleuchtet hier auf kritische Art einen weit gefächerten Themenkreis vom Wesen von Intelligenz und Logik über den Ursprung der Sprache zur Kreativität und futuristischer Gehirnforschung. Er verbindet dabei seine eigenen Erfahrung mit einem ganzen Haufen von, vor allem neuropsychologischen, Studien. Gleichzeitig ist das Buch aber außerordentlich angenehm zu lesen und mehr eine poetische Reise in den menschlichen Geist als irgendwas sonst. Tammet behandelt natürlich keins der Themen auch nur ansatzweise erschöpfend, sondern zeigt neue Anstöße und Sichtweisen auf.

Sollte vielleicht noch anmerken, dass ich Tammets anderes Buch noch nicht gelesen habe, kann deswegen also nicht sagen, wie es im Vergleich dazu ist.

Mein seltsamer Engel


Sims Alabim; 2009-08-09

Mein leuchtender Engel

wo nimmst Du nur Deine Kräfte her?

Der Glanz Deiner strahlenden Schwingen blendet mich

Ich werfe Schatten in mein eigenes Leben

und trete gereinigt daraus hervor

in Dein Licht.

Dein Blick reißt Dämme ein

Deine Berührung setzt Sturmfluten frei

Dein Lächeln erweckt den Schlag meines Herzens.

Nimm mich mit, mein Engel

Trage mich auf Deinen Schwingen

in ein neues Reich.

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Mein trauriger Engel

was ist mit Dir geschehen?

Deine Schwingen hängen leblos an Dir

Dir fehlt die Kraft, sie zu entfalten

und so ziehen sie Dich zu Boden.

Tief in Deinen Augen trübt ein Schleier Deinen Blick

Deine Berührung ist kaum ein kalter Windhauch

und die Traurigkeit in Deinem Lächeln

schnürt mein Herz ein.

Bleib bei mir, mein Engel

Lass mich nicht allein in dieser Kälte.

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Mein sterbender Engel

Du hast Deine Flügel abgestreift

Du brauchst sie nicht mehr, um zu fliegen.

Jener, der Dich mir geschickt hat

ruft Dich nun wieder zu sich

Dein Auftrag in meinem Leben ist erfüllt.

Dein Blick geht durch meinen hindurch

in eine ferne Welt

Dein Lächeln gilt jetzt jenem Anderen

nur Deine Berührung gilt noch immer mir.

Flieg fort, mein seltsamer Engel

Doch lasse mir eine Spur in den Wolken zurück

Der ich auf meinen Schwingen folgen kann.

.

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