Spaß mit dem Perinormalen (und Gehirnen) #1
Cabuflé; 2009-03-23
Nachdem mein geschätzter Freund und Kollege Sims Alabim in einem Nebensatz seines höchst lesenswerten Beitrags zur Waldorf-Debatte mit einiger Häme bemerkte “das die Wissenschaft eigentlich nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, was für ein Frühstück gesund ist” (was ich ohne zu Zögern als Argument zu Ungunsten der wissenschaftlichen Methode akzeptieren werde, sobald mir ein Anthroposoph oder Homöopath die gleiche Frage überzeugend und zweifelsfrei beantwortet hat) und nachdem er unlängst am Beispiel eines Fernsehbeitrags über Wünschelrütengänger ein flammendes Plädoyer zu Gunsten der seine prinzipielle Offenheit für die Geistheiler, Astralwanderer, Pendelschwinger und Hundeleser dieser Erde hielt erklärte, fühle ich mich nunmehr verpflichtet, das Steuer des Kahnes instant-eistee.de wieder ein Stück herumzureißen und mit einem kleinen Grundkurs in gesunder Skepsis und kritischem, im weitesten Sinne wissenschaftlichen Denken zu antworten.
Wegen Verpflichtungen im wahren Leben komme ich gerade leider sehr langsam voran. Da ich Kollege Sims und die interessierte Leserschaft nicht noch länger warten lassen will, habe ich beschlossen, den Artikel zweizuteilen. Hier nun die erste Hälfte.
Perinormal Possibilities
Nach der Auseinandernahme des Welt-der-Wunder-Beitrages (Teil 1; Teil 2) gelangt Sims zu folgendem Schluss:
Wir sind also eher bereit, zu akzeptieren, dass wir alle potenziel etwas irre und disfunktional sind, als dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben könnte, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.
Meine Erwiderung darauf wäre zunächst, dass ich nicht sehen kann, inwiefern eine der beiden Thesen eine Alternative zur anderen darstellen sollte. Ich halte beide (in iherer allgemeinen Form) für so offenkundig richtig, dass ich versucht bin, jeden der eine davon ernsthaft in Zweifel ziehen wollte, ab diesem Moment nicht mehr als Diskussionspartner ernstzunehmen. Mit der ersteren will ich mich später beschäftigen, zunächst aber zur letzteren, die gern und oft von Apologeten esoterischer Ideen als Gratisbegründung für die generelle Ablehnung wissenschaftlicher Argumente benutzt wird.
Es gilt hier, mit einem Irrtum aufzuräumen, der sicher auch durch leichtfertige Äußerungen allzu eifriger Skeptiker und Naturalisten immer weiter geschürt wird: kein ernstzunehmender Skeptiker würde bestreiten, “dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben könnte, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.” Im Gegenteil: Diese Annahme ist eine notwendige Vorraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten als solches. Wozu denn noch weiter forschen, wenn wir über alles Nennenswerte zwischen, über oder unter Himmel und Erde schon bescheid wissen?
James “The Amazing” Randi, Bühnenmagier a. D., legendärer Uri-Geller-Bloßsteller, Gründer der jref und als solcher Stifter des im bewussten Fernsehbeitrag erwähnten Eine-Million-Dollar-Preises fasst es im Gespräch mit dem arroganten Wissenschaftsfanatiker und bösartigen Gottesmörder Richard Dawkins zusammen:
I don’t really think that we have made a scratch, the tiniest scratch in what we have to know. I get these comments all the time from people, who say: “Well, science doesn’t know anything, does it?” And I say: “That’s right! Science doesn’t know anything absolutely. What it does, is: it expresses statements about the universe, that are observed, presents the evidence and sais: “This conclusion is very likely to be true, very, very likely to be true, but: you look into it and see if you can find an exception.”
Sims schreibt:
So gemein das auch ist, wenn ich die Existenz von etwas nicht beweisen kann, habe ich sie damit noch nicht widerlegt. (…) Könnte es denn nicht sein, dass auf dieser Welt Kräfte wirken, in Ermangelung besseren Wissens bis Dato als “Wasseradern†erklärt, die zwar wissenschaftlich noch nicht erfasst, einem Menschen mit der entsprechenden geistigen Disposition jedoch vermittels Wünschlruten, Pendeln o.ä. zugänglich sind?
Selbstverständlich könnte das sein. Es handelte sich dann um das, was Dawkins im verlinkten Video das Perinormale nennt, also etwas, dass sich am Rande, an der Peripherie unserer Wirklichkeit befindet und von uns (noch) nicht erkannt wurde, im Gegensatz zum Paranormalen, das von vornherein als außerhalb der Wirklichkeit stehend definiert ist und dadurch auch von vonherein jede Relevanz für unsere Wirklichkeit eingebüßt hat.
Kehren wir Sims’ Feststellung um: Wenn ich die Existenz von etwas nicht widerlegen kann, ist sie deshalb nicht nur noch lange nicht bewiesen; je nach den Umständen kann etwas, das noch niemand widerlegt hat und vermutlich nie jemand widerlegen wird, dennoch so extrem unwahrscheinlich sein, dass es praktikabel und glaubwürdig ist, von seiner Nichtexistenz auszugehen. Russel’s Teapot lässt grüßen.
Sims Alabim:
Der Labortest hat lediglich bewiesen, dass zwei Wünschelrutengänger nicht in der Lage waren, einen vollen Wassereimer unter 12 leeren Wassereimern herauszufinden.
Korrekt. Und um nichts anderes ging es in diesem konkreten Experiment. Dass der Versuch ein Stück weit von den Journalisten zum großen Showdown über Wünschelruten und Wasseradern im allgemeinen hochstilisiert wurde, ist der Dramaturgie des Magazinbeitrages geschuldet. Keiner der beteiligten Wissenschaftler behauptet der Gleichen. Es ging um zwei Männer, die davon überzeugt waren, mittels ihrer Kräfte und Werkzeuge Wasser unter verschiedensten Bedingungen aufspüren zu können, also beispielsweise auch einen vollen Wassereimer unter mehreren. Und der Versuch hat gezeigt, dass sie dies nicht können.
Wenn nicht einmal der kleinste Effekt jener geheimnisvollen Kräfte nachweisbar ist, dann liegt der Schluss Nahe, dass wir es mit dem unsichtbaren Drachen in der Garage zu tun haben – einer These, die so konstruiert wurde, dass sie schlicht nicht falsifizierbar ist, bzw. so flexibel, dass jeder Versuch ihre Richtigkeit zu untersuchen durch ein neu hinzugefügtes Detail abgeschmettert werden kann: Zwei Wünschelrutengänger waren in einem Versuch, dessen Aufbau und Methode sie offenbar vorher zugestimmt hatten, nicht im Stande, die Wirkung ihrer Kräfte auch nur im Ansatz zu demonstrieren. Aber das liegt selbstverständlich nicht daran, dass die beiden sich über ihre Fähigkeiten getäuscht haben, sondern vielmehr daran, dass “ein zugedeckter Wassereimer in einem sterilen Labor (…) doch was anderes” ist “als irgenwelche Kräfteverhältnisse in der freien Natur” (S. Alabim). Und sicher ließe sich, wenn ein größer angelegtes und aufwendigeres Experiment in der freien Natur zu einem ähnlichen Ergebnis käme, mit Leichtigkeit im Nachhinein ein neuer Grund finden, warum gerade dieser spezielle Versuch nun leider doch wieder nicht aussagekräftig ist. Im Zweifelsfall ist die bloße Anwesenheit von Skeptikern und deren negativen Schwingungen eine beliebte Lösung.
Ob Glaube nun Berge versetzt, oder nicht, jedenfalls ist er hervorragend gegen jegliche Art von kritischen Nachfragen gewappnet. Sims selbst demonstriert dies anschaulich in der Diskussion zum Waldorf-Artikel, wenn er über den Brunnen im Garten seines Elternhauses schreibt:
Der Wünschelrutengänger hat nicht einen alten, verschütteten Brunnen aufgespürt, sondern den ursprünglichen Bohrpunkt für den Brunnen bestimmt. Dieser versorgt seit Jahrzehnten unseren Garten mit Wasser.
Hätte ein Geologe diesen Bohrpunkt auch gefunden? Vermutlich. Wären wir immer auf Wasser gestoßen, egal an welcher Stelle auf dem Grundstück wir gesucht hätten? Vermutlich.
Hat uns der Wünschelrutengänger deshalb beschissen? Vielleicht.Das alles ist lange vor meiner Zeit passiert, und wie auch immer die Sachlage sein mag: Der Typ kam, sah und siegte.
Mit Verlaub, Herr Kollege, du hast die Antwort eigentlich selbst schon gegeben, aber ich kann mir diese Nachfrage nicht verkneifen:
Wenn ich nun also nächste Woche mit einer Wünschelrute aus dem Ypsheft in eurem Garten (der, wenn ich mich recht entsinne unmittelbar neben einem größeren stehenden Gewässer liegt, also vermutlich zu allem Ãœberfluss noch einen recht hohen Grundwasserspiegel hat) vorstellig würde und nach einer halben Stunde meditativen Schreitens auf eine Stelle zehn Meter neben eurem Brunnen zeigte die sich bei einer Probebohrung als potenzieller Brunnen entpuppen würde, wäre dass Anlass genug für dich, davon auszugehen, dass auch ich die hohe Kunst des Wünschelrutengehens beherrsche?
Der Vollständigkeit halber sei auch auf diesen Absatz von Sims noch eingegangen:
Was gar nicht zur Sprache kam: Das Ergebnis der Wünschelrutengänger lag nicht nur daneben, es lag signifikant daneben. In beiden Fällen hieß es: Allein durch das Zufallsprinzip hätten die beiden Männer mehr Treffer haben müssen. Nun könnte man daraus auch ableiten, dass die Methode der Wünschelrutengänger schon einmal nicht auf das Zufallsprinzip beruht, sondern sie offenbar in der Laborsituation sogar richtiggehend fehlgeleitet hat. Das ist nun schon interessant: Hätten die beiden das Wasser aufspüren können (was stochastisch natürlich noch unwahrscheinlicher, dennoch aber nicht unmöglich ist) wären die Versuchsleiter bereit gewesen, dies als Beweis zu akzeptieren, und hätten dafür sogar eine hohe Summe bezahlt.
Verzeihung, aber das ist nun reiner stochastischer Blödsinn. Bei einem Experiment, dass in seiner Gänze nur zwei Mal durchgeführt wird, sind kleinere Abweichungen vom Mittelwert immer zu erwarten. Wenn ich einen handelsüblichen Würfel zwölf Mal werfe, wird höchstwahrscheinlich nicht jede Augenzahl exakt zwei Mal fallen. Bei zweitausend Würfen jedoch wird jede Seite in ziemlich genau einem Sechstel der Fälle oben liegen. Wenn ich widerum beim zwölfmaligen Würfeln jedes Mal sechs Augen sehe, ist dieses Ergebnis schon unwahrscheinlich genug (1/2176782336), dass ich mit Recht annehmen darf, einen getürkten Würfel vor mir zu haben.
Auch zwei oder drei Treffer wären noch kein Grund gewesen, sonderlich überrascht zu sein. Vermutlich hat man sich vor Beginn des Experiments auf einen gewissen Schwellenwert oberhalb der Hälfte geeinigt, der zwar noch lange nicht als endgültiger Beweis gegolten hätte, aber als bemerkenswert genug, die Fähigkeiten des Probanden eingehender zu untersuchen, und ihm die Million auszuzahlen. Denn wie Randi selbst im oben verlinkten Video zu Protokoll gibt:
First of all, say that if we had to pay out the Million Dollars, I’d happily do it. We would have discovered something wonderful and new and it would be worth one Million Dollars to have that phenomenon established.
Bisher ist es allerdings noch nie dazu gekommen, und die Zahl der durchgeführten Experimente ist riesig. Bei keinem Versuch, der wissenschaftlichen Kriterien genügte – was nichts weiter heißt, als dass nach bestem Wissen und Gewissen absichtlicher Betrug ebenso weitgehend ausgeschlossen werden kann wie individuelle Fehleinschätzungen oder zufällige Verzerrungen – konnte irgendein Hinweis auf derartige Phänomene gefunden werden.
Um es zu betonen: Nie ging es darum, die bösartigen Krebsschwingungen oder auch das (u. a. von Homöopathen) vielgeliebte “Wassergedächtnis” Â als solche nachzuweisen oder zu widerlegen. Denn dass diese – wenn es sie denn gäbe – mit heute bekannten wissenschaftlichen Methoden nicht messbar wären, steht außer Frage. Man kann allerdings untersuchen, ob überhaupt irgendetwas passiert, was mit bereits bekannten Phänomenen oder Gesetzmäßigkeiten nicht schlüssig zu erklären wäre. Bei näherer Betrachtung ist das noch bei keinem Wünschelrutengänger geglückt.
Auch die Gesetze der Gravitation sind letztlich nur dadurch bewiesen, dass bisher noch jedes Mal, wenn jemand unter normalen Bedingungen einen Gegenstand fallen ließ, dieser auch zu Boden fiel, und dass sich alle bekannten Himmelskörper und sonstigen Objekte daran halten.
Freilich sind uns heute allerdings verschiedenste Phänomene bekannt, die zumindest unserer alltäglichen Wahrnehmung von Gravitation widersprechen. Sie alle wurden wissenschaftlich untersucht und mit den bisherigen Formeln in Einklang gebracht, bzw in ihrer für uns nutzbaren Form (Zeppeline, Magnetschwebebahnen, etc.) durch die Wissenschaft erst möglich gemacht.
Wenn man sämtliche aus heutiger Sicht als paranormal bezeichneten Phänomene vom Wunschelrutengehen über Thelepathie und Astralreisen bis zu diversen fragwürdigen Heilmethoden zusammen nehmen würde und diese Menge nur weit genug fasste, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass eines darunter wäre, dem von zukünftigen Wissenschaftlern in irgendeiner Form ein kleiner Funken Wahrheit attestiert werden könnte.
Demgegenüber stünde dann nach wie vor eine erdrückende, astronomisch große Vielzahl von Annahmen, die heute Schwachsinn waren und auch morgen Schwachsinn bleiben, und bis jener unerwartete spezielle Beweis erbracht ist, habe ich nicht vor, mein Vertrauen in irgendeine beliebige Voodoo-Methode zu setzen. Ebenso wenig, wie ich ohne technische Hilfsmittel vom Balkon springen würde, obwohl doch eine verschwindend geringe Restwahrscheinlichkeit besteht, dass ich in einem eleganten dreifachen Looping sanft zur Erde gleiten werde.
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Lesenswerter Link mit mehr Details zur wissenschaftlichen Untersuchung mutmaßlich mystischer Phänomene: Michael Shermer’s Baloney Detection Kit (Gesucht und wiedergefunden im Archiv von AgitPop, danke)
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Aber Sims fragt noch weiter:
Liefert die Wissenschaft überzeugende Erkärungen dafür, warum der Glaube an so viel Nichtexistentes in der Evolutionsgeschichte des menschlichen Gedankengutes so ungeheuer erfolgreich ist?
Nun, sagen wir: sie arbeitet dran, und die bisherigen Ansätze sind sehr vielversprechend. Dazu bald mehr im zweiten Teil.
Donnerwetter.
Nicht nur verstehe ich jetzt, warum Dich dieser Artikel so viel Zeit gekostet hat, es wird mir auch ganz angst und bang bei dem Gedanken, in derselben Ausführlichkeit etwas erwidern zu müssen.
Vielleicht warte ich den zweiten Teil ab.
Nur auf eine Kleinigkeit möchte ich eingehen, denn in Deiner Einleitung fühle ich mich ein wenig mißverstanden.
Mein Wünschelrutenartikel war nicht als “flammendes Pladoyer für Wünschelrutengänger” gemeint (und erst recht nicht für Hundeleser, von denen ich hier zum ersten mal höre…), sondern als Erwiderung auf eine Aufforderung, mit doch bitte Mal über Wünschelruten zu informieren, der implizit der Gedanke innewohnte, wenn ich nur erst die wissenschaftlichen Argumente dagegen gehört hätte, müsste ich schon überzeugt sein.
Ich habe die Argumente gehört, sie haben mich nicht überzeugt.
Meine persönliche Meinung zu Wünschelruten ist überhaupt nicht ausgeprägt genug, um mich zu einem Pladoyer für oder gegen sie hinreißen zu lassen. Der Artikel war als Gedankenspiel zu dem Thema gedacht, dass die die Argumentationsweise der Wissenschaft auch nicht ohne das auskommt, was jedes andere Glaubenssystem auch braucht: die Bereitschaft, es gelten zu lassen.
to be continued…
PS:
Was den Hundeleser angeht: Ich stelle mich jetzt für eine halbe Stunde schämend in die Ecke.
Nicht nur, weil ich erst geantwortet und dann auf den Link geklickt habe, sondern hauptsächlich, weil ich diese Anspielung eigentlich hätte verstehen müssen!
Jetzt kann ich nur hoffen, dass mir weder der Himmel noch der Venusmond Tetra auf den Kopf fallen.
Ja eben, der Hundeleser war doch ein speziell für dich ausgesuchtes Schmankerl.
Das flammende Plädoyer war natürlich eine polemische Ãœbertreibung, die ich jetzt editiert habe. Mir ging es im Wesentlichen darum, festzustellen, dass diese Diskussion – wie ja auch dein Beitrag – nicht zwangsläufig auf Wünschelruten beschränkt ist, sondern die gleichen Argumente (von beiden Seiten) auch für diverse andere Phänomene herangezogen werden können.
Dann will ich an dieser Stelle noch einmal direkt auf die Aspekte des Fernsehbeitrages antworten, um die vermaledeiten Wünschelrutengänger aus weiteren Antworten heraushalten zu können.
Okay, so sind es eben nicht die ausführenden Wissenschaftler selbst, sondern die Dramaturgen von “Welt der Wunder†gewesen, die dem Eimer-Experiment den Stellenwert einer finalen Aussage zum Thema Wünschelrute beigemessen haben. Da habe ich die Falschen abgewatscht. Und es ist mir auch klar, dass die offenkundige Naivität der Probanden im Bezug auf ihre Fähigkeiten meine Argumentation nicht gerade leichter macht. Das ändert nichts an der von Dir ebenfalls festgestellten Tatsache, dass das Experiment und sein Ergebnis nur ein Puzzlestein im ganzen Bild ist. Es bleibt die Frage bestehen, ob man hier bei dem Versuch, alle „störenden“ Faktoren auszuschließen, nicht auch ganz entscheidende Faktoren ausgeschlossen hat.
Natürlich können die Pendler und Wunderheiler (oder ihre Anwälte) die Argumentation, warum ihre Fähigkeit unter von außen gestellten Bedingungen nicht nachweisbar sei, unendlich weitertreiben. Nur geben sie sich damit irgendwann der Lächerlichkeit preis. Wann dieser Punkt erreicht ist, ist aber leider eine individuelle Sache. Der eine mag Uri Gellers peinliches Versagen in der Tonightshow gar nicht brauchen, um ihn für einen Scharlatan zu halten, der andere kann sich auch dieses Versagen schön reden. Hier hat jeder Mensch andere Gewichte in seiner inneren Waagschale, von denen es abhängt, wann sie in eine gewisse Richtung kippt.
Ich persönlich würde jedenfalls nicht wissen wollen, ob Wünschelruten Wassereimer aufspüren können, sondern ob ich tatsächlich besser schlafen würde, wenn ich mein Bett dort aufstelle, wo sie es mir raten. Wenn ich dann als Antwort bekäme, es würde nur helfen, wenn ich daran glaube, würde ich mein Bett wieder an die alte Stelle schieben.
Um damit Deine provokante Nachfrage zu beantworten:
Ob Du mich von Deiner Gabe als Wünschelrutengänger überzeugen könntest, hinge zunächst einmal von Deiner Performance des meditativen Einherschreitens ab, (wobei ich nüchternen Pragmatismus überzeugender fände) von den von Dir vorgebrachten Erklärungen zum Thema Wasseradern, von Deiner Reaktion auf provokante Gegenfragen, und davon ob Du das Yps-Emblem an Deiner Wünschelrute erfolgreich von mir verbergen könntest.
Hilfreich wäre außerdem, wenn Du (wie der besagte Wünschelrutengänger Irlmaier es zu Zeiten meines Großvaters selig gewesen ist) eine im ganzen Chiemgau als Hellseher bekannte Persönlichkeit wärst, die immerhin von sich sagen könnte, dass sie vor dem Gericht in Rosenheim ihre hellseherischen Fähigkeiten zur Genüge bewiesen hatte, um von einer Anklage des Betrugs freigesprochen worden zu sein, oder wenn Du (wie es einem anderen Wünschelrutengänger gelungen ist) meinem ganz und gar nicht esoterisch angehauchten Vater Deine Wünschelrute in Hand geben und Dir sicher sein könntest, dass er den Ausschlag der Rute genau an der von Dir bezeichneten Stelle deutlich spürt, wie auch der Rest von etwa einem Dutzend Anwesenden (in Deinem Fall natürlich inklusive meiner Wenigkeit).
Ach ja, und Dein Brunnen müsste natürlich mindestens ebenso gut funktionieren, wie der erste.
Würdest Du diese Kriterien erfüllen können, würde ich in Deine Fähigkeiten mehr Vertrauen setzen, als ich es –ganz offen gesagt- bei den beiden Figuren aus dem Fernsehbeitrag täte.
Noch kurz zur Stochastik:
Gut, dass jemand rein zufällig eine signifikant hohe Trefferquote bei so einem Experiment erzielt, ist nicht unwahrscheinlich, sondern sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich. Wenn aber die Trefferquote der Beiden noch im Bereich der anzunehmenden Abweichung vom Mittelwert lag, warum wird dann bei der Auswertung trotzdem darauf rumgeritten? Entweder, diese Abweichung hat etwas zu bedeuten, dann sollte man darauf auch eingehen, oder sie hat nichts zu bedeuten, dann sollte man sie nicht so hämisch erwähnen.
Eine ketzerische Forderung wäre natürlich die, das Experiment sollte so gestaltet sein, dass nicht nur eine signifikant hohe, sondern auch eine signifikant niedrige Trefferquote festgestellt werden könnte, einfach nur um der peniblen Gründlichkeit halber auszuschließen, dass die Wünschelrute ihren Träger nicht nur nicht führt, sondern konsequent irreleitet.
Noch kurze Anmerkungen von mir dazu:
“Der eine mag Uri Gellers peinliches Versagen in der Tonightshow gar nicht brauchen, um ihn für einen Scharlatan zu halten, der andere kann sich auch dieses Versagen schön reden. Hier hat jeder Mensch andere Gewichte in seiner inneren Waagschale, von denen es abhängt, wann sie in eine gewisse Richtung kippt.”
Sicher, der eine mag sich auch durch Abbildungen von Teleskopen oder Satelliten und die Berechnungen von Astronomen davon überzeugen lassen, dass die Erde um ihre eigene Achse rotierend die Sonne umkreist, während andere sich lieber auf ihre eignen Sinne verlassen, die doch Tag für Tag bestätigen, dass die Erde stillsteht, während die Sonne sich bewegt.
Manche glauben die in den Medien verbreitete Behauptung der Schulmedizin, HIV löse Aids aus und treffen Vorkehrungen, um sich selbst und Mitmenschen zu schützen, andere nicht.
Es ist alles eine Frage des Standpunkts und der persönlichen Maßstäbe. Ber als Menschen, die darum bemüht sind, arbeitsteilig die Rätsel der Natur zu ergründen, ihre Potentiale nutzbar zu machen und ihre Risiken zu minimieren, sollten wir doch im Stande sein, gewisse Faustregeln zu entwickeln, was plausibel und/oder relevant ist und was nicht.
Im Falle eines mittelmäßigen Taschenspielers, der von Schwingungen und Aliens faselt, mag diese Diskussion haarspalterisch wirken. Bei ernsteren Fragestellungen wird aber schnell deutlich, wo derartig postmoderner Relativismus hinführt.
“Okay, so sind es eben nicht die ausführenden Wissenschaftler selbst, sondern die Dramaturgen von “Welt der Wunder†gewesen, die dem Eimer-Experiment den Stellenwert einer finalen Aussage zum Thema Wünschelrute beigemessen haben. Da habe ich die Falschen abgewatscht.”
Genaugenommen wird sogar nur in der Anmoderation ausdrücklich behauptet, die Frage würde sich an Hand des einen Experiments klären lassen.
Unabhängig aber von der journalistischen Qualität des Beitrags lässt sich festhalten:
Das Experiment steht exemplarisch für Unmengen ähnlicher Versuche. Was an der Aussage des Geologen überzeugt ist ja auch nicht die eine wasseraderlose Felswand, aus der er einen einzigen faustgroßen Stein kloppt, sondern seine Erfahrung und Expertise in seinem Fachgebiet.
Die GWUPler stützen sich auf unterschiedlichste – auch deutlich ausführlichere – von ihnen und anderen Gruppen (beispielsweise der JRef) durchgeführte Versuchsreihen, die alle zu ähnlichen Ergebnissen kamen. (Und bei denen die gescheiterten Wünschelrutengänger selbstverständlich immer im Nachhinein sagen konnten woran es lag – mal waren es die Plastikflaschen, in denen das Wasser aufbewahrt wurde, mal die schwingungsstörenden Walkie-Talkies des anwesenden Fernsehteams).
“Ich persönlich würde jedenfalls nicht wissen wollen, ob Wünschelruten Wassereimer aufspüren können, sondern ob ich tatsächlich besser schlafen würde, wenn ich mein Bett dort aufstelle, wo sie es mir raten. Wenn ich dann als Antwort bekäme, es würde nur helfen, wenn ich daran glaube, würde ich mein Bett wieder an die alte Stelle schieben.”
Mir fehlt die Zeit um konkrete Quellen zu recherchieren, deshalb kann ich hier (zunächst) nur die Behauptung in den Raum stellen, dass es genug gute Gründe gibt, anzunehmen, dass (sehr, sehr stark vereinfacht) genau dass der Fall ist: Es funktioniert nur, wenn man daran glaubt.
Ob das ein Grund ist, das Bett wieder an die alte Stelle zu schieben, bleibt übrigens eine andere Frage. Solang du besser schläfst, könnte es dir ja ein Stück weit egal sein warum.
Ich meine das ganz ernst: Ein Homöopath beispielsweise, der mittels Gesprächstherapie in Kombination mit dem Verabreichen von Placebos die Leiden eines Patienten lindert, an dem die Schulmedizin kläglich gescheitert ist, hat – zumindest in diesem Einzelfall – ein gutes Werk getan.
Wenn dieser Homöpath allerdings dazu noch die Offenheit aufbringen würde, die er von seinen Kritikern immer wieder einfordert und die Möglichkeit in Betracht zöge, dass er zwar durchaus über gewisse Fähigkeiten verfügt, kranken Menschen zu helfen, sich über die Natur dieser Fähigkeiten aber getäuscht hat, dann könnte dies der Beginn eines Erkenntnisprozesses sein, der zu universellen Erfahrungswerten über das Heilen an sich und zur Perfektion medizinischer Tätigkeit beiträgt.
Umgekehrt gilt das natürlich genauso: Wenn Krankenkassen und Gesundheitspolitik endlich die Konsequenzen aus der – mehrfach gesicherten – Erkenntnis zögen, dass in nicht wenigen Fällen der Arztbesuch selbst und dessen Verlauf mindestens ebenso bedeutsam für die Genesung sind wie die verschriebenen Pillen, dürfte dies die Gesundheit des durchschnittlichen Patienten signifikant erhöhen.
Damit sind wir auch bei der kulturgeschichtlichen Rezeption und Ãœberlieferung vermeintlich übernatürlicher Phänomene angekommen, die wie angedeutet Thema meiner Fortsetzung sein sollen.
Diese wird allerdings wohl noch bis mindestens Mitte Mai auf sich warten lassen. Erstmal wartet da ein Drehbuch auf seine Verwertung.
Da ich gerade nicht pennen kann und die anstehende Bettelmail an alle Freunde und Kollegen, sie mögen doch bitte Komparsen in meinem Film sein, gerne noch etwas vor mir herschiebe, will ich dann auf unser kleines Scharmützel noch eingehen:
Den Stunt mit der persönlichen Demonstration würde ich mir durchaus zutrauen. Vorrausgesetzt ich hätte einige Zeit intensiv Suggestionstechniken trainiert oder wäre tatsächlich ehrlich von meinen Fähigkeiten überzeugt.
Das geht ungefähr so (und funktiniert am besten bei kleinen bis mittelgroßen Gruppen): Ein Mensch von sehr charismatischer Persönlichkeit erklärt dem Publikum, sie würden – wenn sie nur ganz entspannt und frei von Vorurteilen das Werkzeug locker schwingen lassen – ganz sicher an dieser Stelle einen Ausschlag spüren. Freiwillige vor.
Mit ziemlicher Sicherheit werden unter den ersten Voluntären vor allem jene sein, die schon von sich aus eher offen für die Idee des Wünschelrutengehens sind und sich deshalb unbewusst schon dafür entschieden haben, den Ausschlag an der jeweiligen Stelle zu spüren. Sie werden deshalb um so aufmerksamer für kleine unkontrollierbare Muskelzuckungen, je näher sie der bezeichneten Stelle kommen. Eben diese Zuckungen verstärkt das Unterbewusstsein dann entsprechend und zack – ist man überzeugt davon, tatsächlich eine äußere Krafteinwirkung gespürt zu haben.
Gleichzeitig steigt mit jedem erfolgreichen Tester der Druck auf die Nachfolger, sich von ihrer Skepsis freizumachen und offen und unvoreingenommen auf die Signale ihres Körpers zu hören und sie im Zweifelsfalle im Sinne des Phänomens zu deuten.
Natürlich gibt es einzelne unverbesserliche Skeptiker, die sich aktiv gegen die Suggestion wehren und unter keinen Umständen irgendetwas spüren werden. Sie dürften aber meistens in der Minderheit sein.
Das mag in deinen Augen jetzt nur jene neue Form des Aberglaubens sein, von der du schreibst. Die beschriebenen Mechanismen wurden allerdings tatsächlich zur Genüge von Psychologen und Verhaltensforschern untersucht und bestätigt.
Ziemlich sicher beruhen einige der Tricks aus The Next Uri Geller darauf, und auf künstlerisch hohem Niveau bedient sich ihrer (in Kombination mit allen Arten von Taschenspielertricks und Illusionstechniken) beispielsweise der britische Mentalist Derren Brown
Wie gesagt: Ausführlicher gehe ich darauf in ein bis zwei Monaten ein.
Für Aberglauben halte ich Deine Ausführungen ganz und gar nicht. Ich habe nur in Zweifel gezogen, ob mit dem Beweis, dass man die Beweise für die Funktion von Wünschelruten fälschen kann, schon das letzte Wort gesprochen ist.
Ehrlich gesagt bin ich inzwischen richtig neugierig geworden, und hätte wirklich Lust, tatsächlich einmal mit einem Wünschelrutengänger Ringelpiez mit Anfassen zu spielen. Gleichzeitig frage ich mich ernsthaft, ob der Entschluss, den ich dabei fassen würde, auf keinen Fall auf Suggestion hereinzufallen und mir nicht von irgendwelchen Muskelkontraktionen einen Bären aufbinden zu lassen, mir nicht genau bei der Umsetzung seiner selbst im Wege stünde.
Würde der Mann mich trotzdem einwickeln können, einfach nur, weil ich mich auch des Urteils enthalten wollte, ihn zu Unrecht für einen Betrüger zu halten?
Würde ich einen Ausschlag spüren? Und würde ich diesem Sinneseindruck dann selbst noch vertrauen?
Es könnte mir natürlich egal sein, warum ich auf der neuen Position besser schlafe, wenn ich dort wirklich besser schliefe, doch würde ich dort noch besser schlafen, wenn mir der Wünschelrutengänger vorher den Placebo-Effekt mit der Aussage ruiniert hätte: “Klappt aber nur, wenn Du daran glaubst.”
Würde ich dann die Kraft noch aufbringen, wirklich daran zu glauben?
Diese Fragen stelle ich eher mir selbst, die nächste geht an Dich: Wenn ich Dir nun zur Behebung Deiner Schlafstörungen das neue Medikament XY vorbeibrächte, sowie einen Zeitungsartikel über eine Studie in England, die besagt, dass 9 von 10 Patienten nach der Einnahme von XY wie ein Baby geschlafen hätten, möglicherweise sogar noch einen Kollegen im weißen Kittel dabei hätte, der einen Doktortitel trägt und Dir erklärt, auf welche Weise XY mit der Cholinesterase in Deinen Nervenenden verfährt, und Du dann XY einnehmen und wahrhaftig wie ein Stein durchschlafen würdest – würdest Du Dir am nächsten Morgen trotzdem die Mühe machen, nachzuprüfen, ob der Mann im weißen Kittel seinen Doktortitel verdient oder erkauft hat (oder überhaupt einen besitzt), ob die Studie in England wirklich stattgefunden hat und unter welchen Bedingungen das Medikament getestet worden ist, und ob Cholinesterase wirklich etwas mit dem Wach- oder Schlafzustand des Menschen zu schaffen hat – oder würde Dir der Gedanke, dass Du das alles (zu einem gewissen Grad) nachprüfen könntest, wenn Du nur wolltest, schon genügen, um auch in Zukunft XY zu nehmen, wenn Du nicht schlafen kannst?
[…] eine gewisse Art des Skeptizismus zu Felde zu ziehen, während andere Kollegen auf dieser Seite Gegenpositionen formuliert haben und noch zu formulieren gedenken, habe ich mir jetzt ein Grundsatzpamphlet dazu […]
[…] Jetzt war es hier allzu lange so schön ruhig. Wir haben aus so feinen Themen wie Atheismus und Esoterik schon vor langer Zeit alle Luft rausgelassen und als der mächtige Sims Alabim und der nicht minder […]