Neurolügologie (ja ok sorry..)


Malibu Aircraft; 2009-07-26

Wollte nur eben den Link zu einem Video einstellen, das ganz gut den aktuellen Forschungsstand der Neuroforschung im Bezug auf “Gedankenlesen” zusammenfasst. Enthält unter anderem ein Interview mit einem Berliner Forscher, der angibt bereits von deutschen Behörden kontaktiert worden zu sein. Interessantes, vor allem rasend fortschreitendes Feld und die moralischen und ethischen Fragen ergeben sich natürlich spielend.

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6 comments

  1. Auch wenn mir dieser Beitrag bei einer ersten Betrachtung wie ein Aprilscherz erschienen ist, habe ich Angst bekommen.

    Wenn ein Begriff wie “Neuromarketing” bereits existiert, versteht Ihr dann, warum ich so große Angst habe vor einer Wissenschaft, der – tatsächlich im religiösen Wortsinne – nichts heilig ist? Die so berauscht ist von der Machbarkeit von Dingen, dass die obligatorischen Fragen nach den Konsequenzen ihrer Erfindungen hinter den großen, strahlenden Kinderaugen dieser Wissenschaftler einfach ins Leere laufen? Die Vorstellung, dass sie auf Orwells 1984 hinarbeiten, scheint diesen Kerlen ja nichts auszumachen. Oder sie reden sich darauf hinaus, dass sie ja damit zum Kampf gegen den Schwarzen Mann (neudeutsch: Terrorismus) beitragen.

    Ja, ja, ich weiß: ich sehe das alles wieder zu einseitig und sollte aufhören, auf diese intelligenten Menschen zu schimpfen, denen ich schließlich auch meinen Flatscreen verdanke. Und ich sollte auch wissen, dass sich in einem Beitrag dieser Art immer alles dramatischer und undifferenzierter anhört, als es in Wahrheit ist.
    Trotzdem möchte ich Mal wissen, warum diejenigen, die darüber nachdenken, wie man etwas machen könnte, und diejenigen, die darüber nachdenken, ob man etwas machen sollte, niemals ein und dieselben zu sein scheinen.

    Sims Alabim, July 27, 2009
  2. Wer sagt denn, dass ich da keine Angst kriege? Dass mir nicht fast körperlich schlecht wurde, als ich in einer ähnlichen Doku, zufälligerweise mit meiner damalige Freundin im Arm, dreidimensional vorgeführt bekam, wo genau meine Liebe zu dieser Frau sitzt? Dass ich nicht insbesondere Neuromarketing für perverse Scheiße halte?

    Mir ist das alles zumindest teilweise so unheimlich wie es den Menschen in der Renessaince gewesen sein muss, dass es da Leute gab, die Leichen aufschnitten und in ihnen herumwühlten. Das passt wiederum zu dem Statement des freundlichen Herren am Ende des Clips: Warum sollte es in Ordnung sein, zu forschen wie unsere Muskeln, unsere Blutbahn oder die Nervenzellen in unserer Hand funktionieren, nicht aber die Nervenzellen im Gehirn? Bzw. wo sollten wir da die Grenze ziehen, bzw. wer soll das entscheiden?

    Die Wissenschaft verspricht ja nicht nur dem Sims und dem Cabuflé neue Flatscreens zum Killerspielen. Die Neurowissenschaften werden höchstwahrscheinlich schon bald neue Heilmethoden bei Schlaganfällen, Blindheit, Epilepsie oder bestimmten psychischen Erkrankungen und bessere Prothesen für Unfallopfer ermöglichen. Und beängstigende Eingriffe in die Persönlichkeit des Einzelnen. Und sinnlosen Blödsinn, den kein Mensch braucht. Und vielleicht wird uns Neuromarketing geradezu lachhaft harmlos vorkommen, wenn wir erst wissen wie neurologische Kriegsführung aussehen könnte.

    Doch was ist die Alternative? Gar nicht erst forschen? Die Ergebnisse totschweigen oder nur einem elitären auserwählten Zirkel zugänglich machen?

    Und letztlich ist die neurologische Forschung doch nur der fortgesetzte Versuch, einer Antwort auf die Frage “Was ist der Mensch?” etwas näher zu kommen. Die Frage, die, seit dem ersten Homo Sapiens irgendwann bewusst wurde, dass er jemand ist, uns alle bewegt. Sollen wir die Frage jetzt zurückziehen, weil uns die Antwort nicht gefallen könnte?

    Cabuflé, July 27, 2009
  3. Während ich auch das Gefühl habe, dass es bald Zeit für eine neue Version von 1984 (vielleicht 2014, wenn der Typ am Ende Recht hat) wird, weiß ich nicht, ob man Forschung prinzipiell aufhalten könnte, selbst wenn man wollte. Angst habe ich vor allem, wie sehr derartige Technologie beispielweise Nordkorea helfen könnte, die Bevölkerung in ihre 51 Stufen der Loyalität einzuordnen oder für Experimente in ihren KZs einzusetzen.
    Zumindest besser, wenn die Technologie in den USA oder Deutschland zuerst enwickelt wird und dann in Nordkorea anstatt umgekehrt.
    Die Alternative wäre aber, gar nicht erst zu forschen und das missfällt mir mindestens genauso. Wie Cabuflé schon sagte, wer entscheidet dann, was geforscht wird und was nicht? Steht dann ab jetzt immer ein Forschungspolizist mit im Labor und ruft: “Stop, mir gefällt vielleicht nicht, was dabei herauskommt?”
    Das faszinierenste bei diesem ganzen Thema finde ich aber, welche Emotionen es in mir auslöst. Fast ständig in letzter Zeit, wenn ich vergleichbare Nachrichten lese, bin ich hin- und hergerissen zwischen absoluter Faszination und Begeisterung und Angst vor den potentiellen Folgen.

    Malibu Aircraft, July 27, 2009
  4. Auch wenn sich das ketzerisch (oder unglaublich konservativ) anhört: Ist denn der Gedanke, auf bestimmten Gebieten nicht mehr zu forschen, wirklich genauso furchterregend, wie der an all das Schindluder, das auf diesen Gebieten getrieben werden kann?

    Wäre die Vorstellung, wir würden Atome noch immer für die kleinsten Bausteine der Materie halten, wirklich schlimmer, als die von einer Welt ohne Hiroshima, Harrisburg, Tschnernobyl und Gorleben?

    Ich finde, diese Frage sollte man schon stellen dürfen, und sei es nur, um die Forschenden daran zu erinnern, dass Entdeckungen Konsequenzen haben, und die Entdecker für diese Konsequenzen mitverantwortlich sind.
    Es ist wirklich ein schwieriges Terrain, und ich gebe Dürenmatt schon recht, wenn er sagt: Was einmal gedacht ist, kann nicht mehr zurückgenommen werden, und was alle angeht, können auch nur alle lösen. Aber die Forscher sollten sich aus diesem “alle” nicht ausnehmen, sondern ein gewisses Verantwortungsbewußtsein entwickeln.

    Keine Angst, ich möchte hier kein Plädoyer dafür halten, das Forschen zu verbieten, wohl aber eines dafür, es nicht für eine wertneutrale Tätigkeit zu halten. “So funktioniert nun einmal das Gehrin, und so funktioniert nun einmal thought-detection, wir haben das nur herausgefunden, ist doch nicht unser Bier, wenn die Regierung das für neue Waffensysteme nutzt.”
    Sorry, das ist mir zu einfach!

    Und es ist mir auch – mit Verlaub – ein wenig zu simpel, sich darauf zu berufen, dass es doch besser sei, die USA und Deutschland würden diese Systeme entwickeln, bevor es Nordkorea tut. Bitte nicht immer alles auf die zwei, drei bösen Buhmänner schieben, mit denen der Westen sein Weltbild austariert. Waffensysteme sind Waren, und wer Geld hat, kann sie kaufen, egal wer sie für wen entwickelt hat.

    Um zum Thema zurückzukommen: Ich vermisse bei manchen dieser Herrschaften jene Art von Respekt gegenüber ihrem Tätigkeitsfeld, die adäquat wäre zu der Furcht, die die Beschäftigung mit dem Thema bei mir auslöst. Hat der Typ in dem Beitrag denn zu seiner Forschung keine andere Einstellung, als das alles “a-ma-zing!” zu finden?
    Anders gefragt: Warum sollte jemand, der vor einer Gedankenanalyse nicht Halt macht, plötzlich Halt vor einer Beschäftigung mit den gesellschaftspolitischen Folgen machen? Kann ich denn als Wissenschaftler dem Rest der Menschheit jede Art von Information vorsetzen, ohne mir zu überlegen, was der wohl damit anfängt?

    Und wenn das im Einzelfall dazu führt, dass ein Forscher sagt: “Hier ziehe ich die Grenze zu dem, was ich für vertrebar halte” – wäre das nicht eher ein menschlicher Sieg als gleich ein Rückschritt ins finstere Mittelalter?

    Sims Alabim, July 28, 2009
  5. Hi, sorry für die etwas späte Antwort. Mit der Anspielung auf Nordkorea meinte ich lediglich, mir ist es lieber, wenn entsprechende Technologie zuerst in Ländern entwickelt wird, in denen noch eine einigermaßen hohe Chance besteht, dass man zumindest was davon erfährt. Im Wesentlich geht es mir um die Frage, ob man Wissenschaft überhaupt aufhalten könnte, wenn man wollte. Es ist das gleiche Argument, dass auch ein Wissenschaftler für seine eigene Forschung benutzen könnte, selbst wenn ihr oder ihm die potenziellen Folgen seiner Forschung Angst machen.
    Aber die andere Frage ist ja, ob man überhaupt so einfach entscheiden kann, wo Gefahr und wo Nutzen anfängt, bzw. ob sich beides nicht oft überschneidet. Ich finde die Tatsache, dass unsere “thought patterns” für Dinge wie “Hammer” sich doch so ähnlich sind, allein schon wertvoller und interessanter, als viele mythologisch anmutenden Seiten in Psychologiebüchern. Das meiste, was ich über Neurobiologie gelesen habe, hilft mir besser, menschliche Psychologie zu verstehen als fünfzig Bücher zur Psychoanalyse.
    Eine Atombombe zu bauen ist vergleichsweise einfach, wenn man genug spaltbares Material hat. Dafür muss man wiederum, wie du ja angedeutet hast, auf Theorien zurückgreifen, die bis auf Rutherford zurückgehen (eigentlich sogar noch weiter), der ja nichts anderes bewiesen hat, als das Atome eben aus mehr als einem Teil bestehen. Aber sollte man ihn dafür verurteilen? Kann man wirklich jemanden, der lediglich herausfinden wollte, woraus die Bausteine des Universums wirklich sind für die Folgen dieser Theorie, die sich ganz nebenbei auch in dem Notebook in das ich gerade tippe finden, verantwortlich machen? Ich fühle mich sehr, sehr unwohl dabei, wenn man versucht bei der Wissenschaft anzusetzen. Den Drang zum Wissen kann man nicht einfach ausschalten. Aber die Nutzung dieses Wissen muss selbstverstädnlich reglementiert werden.

    Malibu Aircraft, July 31, 2009
  6. […] einem neulich von Malibu Aircraft verlinkten CBS-Beitrag über den aktuellen Stand der Neurobiologie tauchte auch der Begriff “Neuromarketing” auf. Mit diesem Thema beschäftigte sich […]