Spaß mit der Wünschelrute


Sims Alabim; 2009-03-06

Nachdem ich darum gebeten wurde, mich über Wünschelruten zu informieren, habe ich das getan und bin auf die “Skeptiker” von GWUP gestoßen, und auf einen lustigen Fernsehbeitrag, in dem Wünschelruten als Humbug entlarvt werden.

Zunächst: Persönlich habe ich keine Meinung zu Wünschelruten. Weder bin ich davon überzeugt, noch hat es für mich jemals einen Grund gegeben, ihre Funktionsweise anzuzuweifeln. Wer aber der Meinung ist, der unumstößliche wissenschaftliche Nachweis durch GWUP müsse mich nun eindeutig vom Aberglauben bekehrt haben, der irrt. Ich werde jetzt einmal so tun, als wäre ich fest von dem Funktionieren von Wünschelruten überzeugt, und ein paar Gründe nennen, warum an dieser Ãœberzeugung dann so leicht nicht zu rütteln wäre, wie die Schulweisheit sich das gerne erträumt. Schon Weiland Fox Mulder hat auf die Frage, warum er so hartnäckig an UFOs glaube, geantwortet: Because all the evidence to the contrary is not entirely persuasive.

Um die Pointe gleich vorwegzunehmen: Ich will damit keine Lanze für Wünschelruten brechen, sondern nur aufzeigen, dass auch die Gegenposition letzlich nur eines ist: another belive-system.

Das fängt ja schon bei der Frage an: Wer ist überhaupt aufgebrochen, um etwas über Wünschelruten herauszufinden? Waren es unvoreingenommene, neugierige Wissenschaftler? Nein, es waren Angehörige einer Gruppe von “Skeptikern”, die Homöopathie im selben Atemzug mit UFO-Sichtungen nennen, und von denen man erwarten darf, dass sie schon vor dem Experiment von seinem Ausgang überzeugt waren.

Rudolf Steiners Begriff der „Geisteswissenschaft” wird immer wieder mit dem Argument kritisiert, er sei ein Oxymoron: Der Geist als solches sei ein (Wunsch-) Gedankenkonstrukt, dass sich der physischen Wahrnehmung entziehe und deshalb auch nicht wissenschaftlich untersucht werden könne. Witzigerweise kann man dieses Argument umgekehrt auch auf die Grundprämisse von GWUP anwenden: Wissenschaftler, die versuchen, auf der Ebene der Wissenschaft Dinge zu widerlegen, die dadurch definiert sind, dass sie dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nach jenseits wissenschaftlicher Erklärungen liegen. Deren unausgesprochenes Kredo lässt sich meist auf folgenden Gedanken herunterbrechen: Was nicht beweisbar ist, existiert nicht. Von dieser ausgehend, wirken die Argumente der Wissenschaft plausibel.

Nur: So gemein das auch ist, wenn ich die Existenz von etwas nicht beweisen kann, habe ich sie damit noch nicht widerlegt. Die Frage ist also: Liefert die Wissenschaft überzeugende Erkärungen dafür, warum der Glaube an so viel Nichtexistentes in der Evolutionsgeschichte des menschlichen Gedankengutes so ungeheuer erfolgreich ist?

Kommen wir aber nun zu dem Fernsehbeitrag. (Da ich mich hauptsächlich auf diesen und nicht auf die Textpassagen beziehe, wollen wir dafür fairerweise außen vor lassen, dass allein aufgrund ihres Entstehungsprozesses dem Inhalt von Fernsehbeiträgen weitaus mehr Skepsis entgegenzubringen ist, als schriftlichen Publikationen).

Was mich überzeugt ist die Erklärung des Geologen, es gäbe gar keine Wasseradern, weil hier ein Experte auf dem Gebiet seines Expertenwissens argumentiert. Nur weil es aber keine Adern gibt, muss das zwangsläufig schon heißen, dass es nichts gibt, was Wünschelruten aufspüren können? Könnte es denn nicht sein, dass auf dieser Welt Kräfte wirken, in Ermangelung besseren Wissens bis Dato als “Wasseradern” erklärt, die zwar wissenschaftlich noch nicht erfasst, einem Menschen mit der entsprechenden geistigen Disposition jedoch vermittels Wünschlruten, Pendeln o.ä. zugänglich sind?

Das hat der Labortest nämlich nicht widerlegt. Der Labortest hat lediglich bewiesen, dass zwei Wünschelrutengänger nicht in der Lage waren, einen vollen Wassereimer unter 12 leeren Wassereimern herauszufinden.

In anderen Gebieten der Wissenschaft ist es längst offen ausgesprochenes Gedankengut, dass eine Laborsituation immer Einfluss auf das Ergebnis hat, egal um wie viel Neutralität man sich bemühen mag. Und ein zugedeckter Wassereimer in einem sterilen Labor ist doch was anderes, als irgenwelche Kräfteverhältnisse in der freien Natur.

Was gar nicht zur Sprache kam: Das Ergebnis der Wünschelrutengänger lag nicht nur daneben, es lag signifikant daneben. In beiden Fällen hieß es: Allein durch das Zufallsprinzip hätten die beiden Männer mehr Treffer haben müssen. Nun könnte man daraus auch ableiten, dass die Methode der Wünschelrutengänger schon einmal nicht auf das Zufallsprinzip beruht, sondern sie offenbar in der Laborsituation sogar richtiggehend fehlgeleitet hat. Das ist nun schon interessant: Hätten die beiden das Wasser aufspüren können (was stochastisch natürlich noch unwahrscheinlicher, dennoch aber nicht unmöglich ist) wären die Versuchsleiter bereit gewesen, dies als Beweis zu akzeptieren, und hätten dafür sogar eine hohe Summe bezahlt. Die signifikant niedrige Trefferquote ist ihnen jedoch Beweis für gar nichts, weil sie ihren Erwartungen entspricht, und sich die damit zusammenhängende Schadenfreude on screen auch gut macht.

Warum aber waren die Herren mit Wünschelrute und Pendel so überzeugt von sich selbst? Haben die beiden wirklich aus reiner Geldgier ein Lottospiel versucht? Immerhin sind sie das Risiko eingegangen, vor laufender Kamera und damit in der breiten Öffentlichkeit ihre Reputation und ihre Karriere zu ruinieren. Wären sie Schwindler, hätten sie sich auf den Deal niemals eingelassen. David Copperfield erfüllt auch keine Publikumswünsche.

Irgendwie müssen die beiden also geglaubt haben, dass ihre Methode funktioniert. Die Erklärung, die GWUP dafür liefert: Die Männer waren unbewusst selbst für die Bewegung ihrer Wünschelrute bzw. ihres Pendels verantwortlich. Dort, wo eine Reaktion erwartet werde, würden minimale Bewegungen der Wünschelrute als Ausschlag interpretiert, durch die Erregung über den Ausschlag entstünden dann unbewußte Bewegungen der Hand, die sich weiter auf die Wünschelrute übertragen und zu einem verstärkten, nun als eindeutig wahrgenommenen Ausschlag kulminieren würden.

Ich stehe damit vielleicht allein da, aber ich muss einfach sagen: Die Vorstellung, das Menschen sich ein Leben lang derartig selbst bescheißen und so wenig psychische Kontrolle über ihre Physis haben, sich damit bis zu dem Labortest jedoch irgendwie durchschlagen konnten, halte ich persönich für ebenso abenteuerlich wie die von herumwabernden Kraftfeldern, die sich mit Pendeln und Wünschelruten aufspüren lassen. Sicherlich mag diese psychologische Wirkung ein Teil des ganzen Spaßes mit Wünschelruten sein, aber reicht sie über alle Einzelfälle hinweg als Erklärung dafür aus, warum sich dieser Aberglauben seit 500 Jahren gehalten hat?

Weil das offenbar auch die Wissenschaft nicht so ganz überzeugt, wird noch eine zweite Erklärung herangezogen: Dass Gustav Freiherr von Pohl 1930 in einem Dorf nämlich gelungen ist, was im Labor immer fehlschlägt, nämlich allein anhand einer Wünschelrute exakt zutreffende Aussagen über die Krebserkrankungen in einer Gemeinde zu treffen, sei nichts anders als ein Taschenspielertrick gewesen. Der Mann soll nicht an seiner Wünschelrute, sondern allein an den (wieder unbewußten) Reaktionen seiner Begleiter festgestellt haben, wenn auf dem Grundstück, das er abging, Todesfälle aufgetreten waren. Donnerwetter! Auch das ist ein Kunststück, das Applaus verdient. Wenn Uri Geller das könnte, könnte er sich eine Menge peinlicher Fernsehauftritte sparen.

Man könnte jetzt doch die Summe, die den Wünschelrutengängern für das Aufspüren von Wassereimern versprochen worden ist, auch für denjenigen ausloben, der (ohne Wünschelrute) von ein paar alten Herren durch ein Dorf geführt, allein an deren unbewußten Reaktionen Aussagen über die Krebstode der Ortschaft treffen kann. Der Ausgang dieses Feldversuches würde mich interessieren.

Wir halten also fest: Wünschelrutengänger sind je nach Trefferquote entweder Scharlatane mit bewundernswertem Talent, oder Selbsttäuscher, die über Jahre hinweg nicht bemerken, dass sie die Ausschläge ihres Instrumentes selbst produzieren.

Haben wir hier nicht einfach nur alten Aberglauben durch neuen Aberglauben ersetzt? Früher haben wir Erklärungen in „Zwergen, Gnomen, Elfen” gesucht, heute machen wir für all das die Unzulänglichkeit unseres eigenen Denk- und Wahrnehmungsapparates verantwortlich und verpflanzen alle Ursachen ins menschliche Gehirn. Wir sind also eher bereit, zu akzeptieren, dass wir alle potenziel etwas irre und disfunktional sind, als dass es mehr zwischen Himmel und Erde geben könnte, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.

Vom Standpunkt eines -sagen wir- Drehbuchautoren gesehen, ist beides gleich phantastisch. Man muss sich jetzt nur zwischen einer Folge Akte X und einer Komödie entscheiden. Wenn man sich unsere Gesellschaft allerdings so anschaut, ist die zweite vielleicht sogar tatsächlich die weitaus plausiblere Variante.

Ohne Worte (#2)


Cabuflé; 2009-02-25

Dailyshow-Direktlink

Cabuflés persönliche Empfehlungen zur kulturellen Weiterbildung


Cabuflé; 2009-02-12

– Zwei Männer, die ich beide aus unterschiedlichen Gründen sehr schätze (wofür ich in beiden Fällen regelmäßig von meinen Kumpels aus der linksliberalen Gosse auf die Mütze kriege), haben sich neulich auf einen kleinen Plausch im Görli getroffen:

YouTube-Direktlink; Teil 2; Teil 3.

– Unter anderem weil ich demnächst gerne davon leben möchte, dass Leute Geld bezahlen um meine Filme zu sehen, würde ich mich prinzipiell als Freund des Rechtes am geistigen Eigentum bezeichnen. Gerade als solcher halte ich es allerdings für offenkundig, dass das Urheber- und Lizenzrecht in seiner jetzigen Form ein bösartiges außer Kontrolle geratenes Monster ist, das die vermessenen Interessen jener schützt, die die Infrastruktur zur Verbreitung kultureller Werke verwalten, während es die beiden wichtigsten Parteien – namentlich Künstler auf der einen Seite und Endverbraucher auf der anderen – im besten Fall nervt, im schlimmsten Fall auf perfide Weise kriminalisiert.
Der Batzman weist bei den fünf Filmfreunden in seiner wunderbar geschriebenen Polemik “Raubkopien sind besser! – Serien-DVDs und das Geheimnis der verschwundenen Musik” auf einen bislang wenig beachteten Aspekt dieser Problematik hin.

– Und da mir wenig so am Herzen liegt wie die Lebensqualität meiner Leser, ohne weiteren Kommentar Clifford Stolls Vortrag von der TED-Konferenz 2006:

TED-Direktlink.

Deutsche Bahn mahnt Netzpolitik ab


Cabuflé; 2009-02-04

Bekenntnisse eines Waldorfopfers


Sims Alabim; 2008-12-19

Aus einigermaßen aktuellem Anlass möchte ich diesen Blog als Plattform für ein recht persönliches Thema nutzen, das im Netz gerade heiß diskutiert wird. Vorher eine Warnung: Der Text ist etwas ausführlicher geraten und gründet sich nicht auf kolportiertes Halbwissen, unreflektierte Heiligenverehrung oder Verweigerung eigenständiger Denkarbeit, sondern auf persönliche Erfahrung, selbstgebildete Meinung und logische Schlussfolgerung. Ich weiß, dass ich damit gegen die aktuelle Netz-Etikette verstoße, aber manche Leser werden es mir vielleicht verzeihen. Dafür hat sich oftmals eine gewisse Polemik eingeschlichen, und das ist auch gut so.

My Secret History

Meine gesamte Jugend hindurch bin ich das Opfer einer gefährlichen Sekte gewesen, deren Mitglieder sich „Anthroposophen“ nennen. Ich bin 13 Jahre lang auf eine Waldorfschule gegangen. Als ob es für mich als Junge nicht schon schlimm genug gewesen wäre, am Stricken und Häkeln zu scheitern, für den Eurythmieunterricht in Kleidchen in blässlichen, naturbelassenen Farben gesteckt zu werden, oder auf Blockflöten spielen zu müssen, vor allen Dingen hat man mir in diesen 13 Jahren Unterrichtsstoff präsentiert, der durchsetzt war von weltanschaulichen Absonderlichkeiten eines Gurus, den das Licht der Aufgeklärtheit unseres Jahrzehnts jetzt endlich als radikalen Rassisten entlarvt hat. Und das Schlimmste daran ist: Ich habe es nicht einmal bemerkt.

Der Samen der Indoktrination keimt so sehr im Verborgenen, die Spuren der Gehirnwäsche sind derartig subtil, dass ich eigentlich bis heute nichts davon merke. Natürlich, da waren die schrägen (bis entsetzten) Blicke mancher Lehrer, als sie mitbekommen haben, dass ich zuhause mit Masters of the Universe spielte oder regelmäßig Spider-Man las. Aber ansonsten habe ich meine Schulzeit allgemein als durchaus positiv in Erinnerung. Der Unterricht hat mir Spaß gemacht, mein Klassenlehrer hat mich bei der Entwicklung meiner persönlichen Fähigkeiten und Vorlieben unterstützt, niemals bin ich körperlich gezüchtigt worden, ich habe dem Stoff fast immer folgen können und hatte keinerlei Schwierigkeiten im letzten Schuljahr das bayerische Abitur in allen Fächern und mit guten Noten abzulegen, ohne mich sonderlich anstrengen zu müssen oder jemals Nachhilfeunterricht zu brauchen. Und ich war nicht einmal eine Ausnahmeerscheinung.

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Realsatirisches Laienkabarett


Cabuflé; 2008-12-15

Im Augenblick läuft der Prozess gegen drei angebliche Mitglieder der “Militanten Gruppe”. Das zugehörige Verfahren dürfte Lesern vor allem durch die reichlich absurden Erlebnisse des Stadtsoziologen Andrej Holm bekannt sein.

Seine Partnerin Anne Roth hat in ihrem Blog die Vernehmung der zuständigen BKA-Beamtin auszugsweise protokolliert:

Verteidigerin: “Das Wort ‘Reproduktion’ ist kein Allerweltsbegriff?”

Und hier ein Schmankerl: der Richter lehnte die Frage von sich aus ab, das könne die Zeugin nicht wissen. Wer wissen wolle, ob “Reproduktion” ein Allerweltsbegriff sei, müsse einen Sachverständigen befragen.

Am kommenden Donnerstag geht das Theater weiter. Details im verlinkten Post.

(via)

Filmstudentenparty


Cabuflé; 2008-11-29

Ich hätte was zu lesen mitnehmen sollen.

Von Helden und Clowns


Cabuflé; 2008-11-15

Hier nun wie versprochen mein Senf auf das neue Bat-Würstchen.

DISCLAIMER: Das letzte Mal, dass ich ein Batman Comic in der Hand hatte, dürfte in der Grundschule gewesen sein, und vermutlich handelte es sich um ein besonders billiges irrelevantes Franchise-Exemplar. Auch wenn ich mir im klaren darüber bin, dass ich dies schnellstmöglich ändern sollte: Ich habe nicht die geringste Ahnung von der Comicfigur Batman. Mein Bezug zu dem Character und dem zugehörigen Universum beschränkt sich auf die rührend billige Kultserie mit Adam West (dem deutschen Publikum auch als der auf Filmlänge geprügelte Zusammenschnitt Batman hält die Welt in Atem bekannt), die emmygekrönte Zeichentrickserie aus den Neunzigern und vor allem die beiden grandiosen Spielfilme von Tim Burton.

Mit letzteren wären wir auch schon beim Thema. Meine Freunde, Kollegen, Liebhaber und Todfeinde (andere Leute lesen dieses Blog vermutlich ohnehin nicht) wissen, wie sehr ich Burton bewundere, was es mir prinzipiell schon mal nicht leicht macht, eine abweichende Batman-Interpretation auch nur in Betracht zu ziehen. Deshalb habe ich auf Batman Begins wohlweißlich verzichtet.

Nachdem aber auch meine Hype- und Blasenresistenz ihre Grenzen hat, beschloss ich mir den Dark Knight anzutun und zwar so offen und unvoreingenommen wie es nur geht.

Ach ja: stellenweise Spoilergefahr!

Ich will mich also gar nicht mit geschmäcklerischen Albernheiten wie dem SUV-Batmobil, der klinisch geleckten Bathöhle oder dem NuMetal-Fledermauslogo aufhalten. Alles Sachen, die mir nicht sonderlich gefallen, im Rahmen einer ästhetischen Neuinterpretation des Stoffes allerdings durchaus machbar sind. Und nachdem im Vorbeigehen auch noch anerkannt werden soll, dass der Film als unterhaltsamer Actionkracher auf hohem Niveau hervorragend funktioniert und nachdem ich betont wissen will, welche Freude es war, Michael Caine nach Children of Men erneut auf der großen Leinwand zu sehen, muss ich der unkritischen Baggage, die den Dark Knight zum Jahrhundertwerk hochjazzt sogar in einem Punkt vollständig recht geben:

Der Joker!

Anders als der Batzman (dessen Kritik ich im Ãœbrigen wärmstens empfehle), sehe ich diesen kleinen fiesen Psycho als absolut ebenbürtig mit dem was Burton und Nicholson 1989 geschaffen haben. Heath Ledger balanciert gekonnt zwischen Charge und Charakter und präsentiert uns einen kleinen fiesen dreckigen Wichser, der ähnlich wie der Scorpio Killer aus Dirty Harry gerade deshalb so gut funktioniert, weil für seine Bosheit kein Kontext existiert, der Erklärungsversuche und damit letztlich eine Relativierung des von ihm ausgehenden Terrors anbieten würde.
Im Gegensatz zu Scorpio jedoch, der durch seine zur Schau gestellte Armseligkeit den gerechten Hass des Publikums auf sich zieht und uns als Zusachauer kompromisslos auf Callahans Law-and-Order-Linie einschwört, ist der Joker mit seiner stylishen Aufmachung, all den heroischen Kamerawinkeln, Zeitlupen und trockenen Onelinern, die Nolan ihm spendiert, zu allem Ãœberfluss auch noch eine verdammt coole Sau – der eigentliche Held des Films. Leider degradiert er damit Batman zum Pausenclown.

Nun warten ordentliche Heldenepen ja traditionell mit liebevoll gestalteten Bösewichtern auf – schließlich soll sich ein Superheld, der diese Bezeichnung verdient, nicht mit einem x-beliebigen Suppenkasper kloppen. Umgekehrt wünscht man aber eben auch einem Schurken wie dem Joker einen Gegner, der mehr drauf hat als seine aufrechte Haltung, ein Arsenal an cleveren Gadgets und eine nach unten gepitchte Stimme.
Wenn Michael Keaton in Batman und Batman Returns einsam in einem viel zu großen Salon zu Abend aß und mit seinem kauzigen Butler Zwiegespräche hielt, ahnte man nur zu deutlich, dass dieser Mann auf den dunklen Straßen Gothams letzlich einen Stellvertreterkrieg führte, dass sein Kostüm nicht nur dem Schutz seiner Privatidentität diente, sondern tiefe seelische Wunden verbarg, dass Batman jene Macht ausübte, die Bruce Wayne trotz seines Reichtums versagt blieb.
Bei dem eindimensionalen Strahlemann, den ein chronisch unterforderter Christian Bale hier gibt, muss man sich vielmehr fragen, warum er sich nicht einfach eine kleine Privatarmee leistet, die unter dem Beifall der Bevölkerung in Gotham aufräumt, während Bruce Wayne sich mit seinen russischen Ballettschneckchen die Zeit vertreibt oder der kleinen Anwältin endlich das Leben bietet, dass sie sich wünscht (“Die kleine Anwältin” halte ich übrigens tatsächlich für eine adäquate Charakterisierung dieser bemerkenswert eindimensionalen Frauenfigur, deren Aufgabe sich darauf beschränkt, die Beziehung zwischen zwei Männern zu verkomplizieren, hin und wieder ein bisschen zu weinen, zu zicken und in Gefahr zu geraten und schließlich unspektakulär geopfert zu werden).
Was den Bösewicht so bemerkenswert macht – der Verzicht auf Komplexität – funktioniert beim Helden eben gerade nicht. Zumindest nicht so wie Nolan und seine beiden Co-Autoren Jonathan Nolan und David S. Goyer es hier vormachen.

Die Ästhetik des Films, die sich hier und da eine Prise Neo-Noir leistet, ansonsten aber jegliche Ãœberhöhung oder Stilisierung geflissentlichst vermeidet, tut ein übriges, um der Heldenfigur noch die letzte Plausibilität zu nehmen. Anders als der Joker, der sich dank des verwischten Make-Up und der generell – im Vergleich zum Comicvorbild – eher dezenten Aufmachung organisch in das konventionelle Thriller-Setting einfügt, stolpert Batman wie ein hoch aufgeschossener Lord Helmchen durch Chicago, das hier offenbar aus irgendeinem Grund “Gotham City” heißt. Nach der grandiosen Eröffnungssequenz fragte ich mich ernsthaft, was plötzlich der Typ in dem Fledermauskostüm da soll…
Ähnliches gilt leider für Twoface. Speziell um diese – für sich genommen bemerkenswerte – Design- und Effektleistung ist es echt schade. Ähnlich wie um all die großartigen Schauspieler, einzelne Kameraeinfälle und vieles andere.

Was sonst noch zu Twoface zu sagen wäre? Nichts! Er interessiert mich nicht. Genauso wenig wie den Autorenstab, der beim Versuch ein Epos zu schaffen, scheinbar zum Ende hin die Lust oder zumindest den Ãœberblick verloren hat, so dass dieser Film trotz seiner epischen Länge am Ende immer noch seltsam gehetzt daher kommt und dramaturgisch aus allen Nähten zu Platzen scheint.

Im Ãœbrigen und bei aller Liebe zu moralischer Ambivalenz: Hätte man sich nicht entscheiden können, ob die Bürger Gothams nun so gutherzig und moralisch sind, dass sie sogar das eigene Leben und das diverser Mitmenschen opfern wollen, um das von ebenso vielen Schwerverbrechern zu schonen, oder doch so blöde und unberechenbar, dass man sie über Dents Ende belügen muss? Diese Scheinheiligkeit verhagelte mir sogar noch den doch eigentlich gut gelungenen Schluss.

Ach ja, und wenn irgendjemand bei Gelegenheit Hans Zimmer endlich mal umweltgerecht entsorgen könnte, wäre ich sehr dankbar!

…so, Kollege Sims. Jetz lass ma sehen!

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