Werter Cabouflé: Aus einer kämpferischen Laune heraus, die ich im Augenblick an anderer Stelle zur Genüge auslebe (Beitrag dazu folgt) habe ich eine Gegenrede zu Ihrer Batman-Kritik angekündigt.
Ãœber diese Ankündigung ärgere ich mich nun etwas, denn die Kritik ist – wie ich leider eingestehen muss- nicht nur vergnüglich zu lesen sondern auch sehr nachvollziehbar. Vor allem hatte mich in der Ankündigung der Kritik die Bezeichnung von The Dark Knight als “überschätzter” Film gestört.
Selbst als bekennender Fan des Films muss ich zahlreichen Kritikpunkten zustimmen und zugeben, dass auch ich die nach unten gepitchte Stimme des Batman eher als Anlass zu unfreiwilligem Schmunzeln denn als überzeugende Erklärung dafür nehme, warum kein Mensch trotz der Halbmaske Bruce Wayne in seiner Kostümierung wiedererkennt.
Das neue Desing der Batgimmicks, einzelne schauspielerische Leistungen oder gewisse dramaturgische Kniffe des Films, der Soundtrack, all dies ist durchaus disktuabel. Doch “The Dark Knight†ist schließlich auch ein gesellschaftliches Phänomen, und ich glaube, dass sich der Erfolg eines Films – zumindest wenn es ein rekordbrechender ist – nicht allein durch gute Machart, gute PR, einen Medienhype oder den tragischen Tod eines Hauptdarstellers erklären lässt. Ich glaube, dass Nolans zweiter Batman den Nerv der Zeit getroffen hat, dass er vor allem als eine Art moderer Mythos zu lesen ist, und deshalb in seiner Breitenwirkung auch nicht als “überschätzt†begriffen werden kann.
Wie mein geschätzter Kollege mache ich die Darstellung des Joker als essentiell für diese Wirkung aus. Der Joker ist mehr als viele andere Filmschurken eine Darstellung des “Bösen†an sich, eben durch die Negierung jeglicher erklärbarer menschlicher Motivation für sein Handeln. Gleichzeitig ist er die coolste Sau des ganzen Films, dem man einfach viel lieber zusieht als Batman, Two-Face oder der kleinen Anwältin. Menschlicher ist er dadurch aber nicht. In seiner puren Durchtriebenheit ist der Joker wie alle anderen Figuren des Films ein Symbol für etwas. Der Joker steht für das Böse wie Saurons Ring und Batman und Two Face für das, was mit jenen Kräften geschieht, die sich ihm entgegenstellen: Entweder, sie sind wie Batman von Anfang an bereit, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, oder sie verlieren ihre Unschuld wie Harvey Dent die Hälfte seines Gesichtes. Das Bemerkenswerte an dem Film ist das Fehlen eines unschuldigen Frodo und eines strahlendweißen Gandalf. Und das ist meines Erachtens auch der Kommtar zum Zeitgeschehen, den der Film abgibt: Wir haben zwar eine äußerst lebendige Vorstellung von den zerstörerischen Kräften unserer Gesellschaft, aber keinen adäquaten Gegenentwurf.
Auch ich sehe in Batman und Two Face schwächere Figuren, die in ihrer Funktion zu offensichtlich und zu konstruiert sind, um als Menschen glaubhaft zu sein. Aber ist das die Schwäche des Films oder der Grund für seine Relevanz? Dass die Bürger von Gotham dringend einen strahlenden und unbefleckten Helden wie Harvey Dent bräuchten, ist eine dramaturgische Behauptung des Films, über deren psychologische Realität man streiten kann. Das Besondere an dem Film (und der Grund für das daramturgische Hin- und Her) ist jedoch die Verweigerung, diesen Helden lebendig werden zu lassen. Dent, der versucht, diese Rolle einzunehmen ist zu verletzlich und wird durch seinen Schmerz korrumpiert. Batman bleibt zwar seiner Linie treu, aber die ist von Anfang an in einem zwielichtigen Bereich gezogen. Er ist im Kampf gegen den Joker zwar effektiver als Dent, wird aber vom Volk gefürchet, so dass er als Coverfigur für das Gute nicht taugt. Wie heißt es im Film: “You die as a hero or you live long enogh to see yourself become a villan.â€
The Dark Knight ist eine Bebilderung des Mythos von der Unbesiegbarkeit des Bösen. Ob einen dieser Mythos überzeugt, ist eine andere Frage. In einer Filmkritik in der Münchnher Kulturzeitschrift “cult†wird der Erfolg des Films damit begründet, dass sowohl die Republikaner als auch die Demokraten darin ihre Thesen wiederfinden könnten. (Eine Deutung des Joker als “internationalen Terrorismusâ€, Batman als Bush und Two Face als Obama werde ich jetzt persönlich an dieser Stelle nicht abliefern, aber sie wäre durchaus möglich). Auch ob der Film nun Batmans Selbsjustiz als einzig möglichen Ausweg propagiert, oder ob vielleicht gerade die spürbare Konstruktion des Schlusses, der auf den Pfeilern von Behauptungen wie “Gotham braucht einen strahlenden Helden†errichtet ist, uns ein Gefühl davon vermittelt, dass irgendwas an diesem Mythos nicht ganz stimmt, lasse ich jedem Zuschauer anheim gestellt.
Ich vertrete lediglich die Ansicht, dass dieser Film mehr ist als ein gut fotografierter, spannender, kurzweiliger und stellenweise bemühter Superheldenthriller mit einer starken Schurkenfigur. Der Film behandelt auf durchaus mehrdeutige Weise eine sehr aktuelle gesellschaftliche und politische Fragestellung, gerade weil er mit Ikonen und nicht Menschen erzählt. Das kann man gut finden oder schlecht, auf alle Fälle ist es beachtlich.