Fälschung Teil 1
Malibu Aircraft; 2011-06-20
Der Moment in dem Jonathan Baumann aufwachte und feststellte, dass er im falschen Programm war, hätte ganz einfach verdrängt werden können oder abgetan als ein besonders realistischer Traum, nicht zu unterscheiden von der Wirklichkeit, außer eben durch die Tatsache, dass es einfach nicht sein Leben war in dem er aufwachte.
Nur es war kein Traum. Und Jonathan Baumann wusste dies in dem Moment, in dem er die Augen öffnete, nicht in seiner kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin Neukölln, sondern in einem geräumigen, hell erleuchteten Apartment auf einem geradezu gigantisch großen Bett, das frei im Raum schwebte und das, nachdem es ihn freundlich flüsternd gefragt hatte, sich langsam auf dem Boden absetzte. Neben ihm schlief zu seiner Rechten eine nackte Schönheit mit feuerroten Haaren, die ihr bis zum Po reichten, und eine nicht minder umwerfende dunkelhäutige junge Frau mit stachelartig abstehenden schwarzen Haaren zu seiner Linken. In diesem Moment wusste Jonathan ohne den geringsten Zweifel, dass dies die Realität war und sein bisheriges Leben eine Fälschung.
Jonathan Baumann kroch aus dem Bett, in dem die beiden Nymphen ruhig weiterschliefen, und das sich wieder zum Schweben erhob, nachdem er es verlassen hatte. Ein kleiner Roboter mit einem kugelförmigen Körper und einem knubbelartigen Kopf kam herbeigesaust und fragte ihn freundlich und unterwürfig, ob er sich wünsche, ein Bad zu nehmen, was Jonathan bejahte, seine leichte Unsicherheit unterdrückend.
Der Roboter führte ihn in ein hohes Badezimmer in dessen Mitte sich eine runde Wanne befand. Die Wände änderten ihre Form und Textur und bald hatte sich das Zimmer in eine sonnige Lichtung verwandelt in der ein kleiner Wasserfall die Wanne füllte.
Eine weiche weibliche Stimme flüsterte ihm zu und fragte, ob er ein wenig Unterhaltung wünsche. Gleich darauf huschten in weiße Tücher gekleidete Schönheiten vor ihm herum und formierten sich zu einem herrlichen Tanz, anmutig, dann kraftvoll, dann artistisch beeindruckend, dann umwerfend durch die Ehrlichkeit, die im körperlichen Ausdruck lag.
Nach seinem Bad brachte ihm der Roboter seinen Anzug und führte ihn zur Haustür, vor der ein motorradartiges Gerät bereitstand. Er setzte sich und ihm selben Moment umfing ihn ein flüssiges Material. Er bemerkte schnell, dass er die Form des Geräts durch seine Gedanken steuern konnte und verwandelte sich in einen großen metallenen Vogel, der sich mit mächtigen Schwingen in die Höhe stieß. Er lebte wohl am Rand einer Stadt, denn unter ihm war weite Natur und für ein paar Minuten nahm er die Form einer Rakete an und raste durch Schluchten, tauchte in Flüsse ein und durchstieß Wolkenfelder.
Sein Gefährt erinnerte ihn nun daran, dass er bald zur Arbeit müsse und ein Signal zeigte ihm die Richtung an. Er flog zu einem Hochhaus, das mitten in der futuristischen Stadt lag, in welcher Kraftfelder wie unsichtbare Airbacks die zahlreichen fliegenden Objekte vorm Zusammenstoßen bewahrten. Er landete auf dem Dach und verließ sein Fluggerät. (Ein entsprechender Gedanke genügte, damit die seltsame Maschine sich in den Ausgangszustand zurück versetzte und seinen Körper aus der innigen Umarmung entließ.)
Jonathan betrat das Innere des Gebäudes und wurde sofort von einer schwebende Luftblase umhüllt. Die Blase begrüßte ihn mit seinem Namen und brachte ihn zu einer Andockstation, einige Meter weiter unten, während sie eine leichte Melodie säuselte.
Eine weitere Tür öffnete sich vor ihm und er kam in einen langen Raum mit einem ebenso langen Tisch an welchem zahlreiche Männer und Frauen in Anzügen saßen, während Hologramme auf dem Tisch wie Notebooks vor den Sitzenden flimmerten.
Am Kopf des Tisches, ihm am nächsten, stand ein hoher, schmaler Herr mit einer weiß umrahmten Brille und einem großen, perfekt weißem Gebiss und genauso weißen, zurück gekämmten Haaren.
Dieser drehte sich zu ihm um und sagte so laut, dass seine Stimme den Raum füllte als käme sie aus gleichmäßig verteilten Lautsprechern: „Da bist du ja, Jonathan! Lass uns gleich anfangen. Wie du weißt bist du heute hier, um uns zu beweisen, dass du keine Fälschung bist…“