When did you all learn to stop worrying and love the bomb?
Sims Alabim; 2011-05-03
Gegenrede zu 80% der in den letzten Wochen hier veröffentlichten Posts
Werter Kollege Malibu Aircraft,
ich wollte mich zu dem Thema Libyen nicht weiter äußern, ich war zu beschäftigt und des Themas zu müde. Aber die Beharrlichkeit, mit der Du hier im Blog immer wieder drauf herumreitest, wie gerechtfertigt der Nato-Einsatz dort unten eigentlich sei, zwingt mich jetzt doch zu einer Gegenrede. Meine Argumente sind weder neu noch so toll recherchiert wie Deine, aber die müssen jetzt hier einfach stehen, damit ich auch zukünftig andere Menschen guten Gewissens auf die Existenz dieses Blogs hinweisen kann.
Du unterstellst Gegnern des Kriegseinsatzes „Naivität“, stützt Deine komplette Argumentation jedoch auf eine einzige, auch nicht gerade durch intellektuellen Tiefgang auffallende Grundannahme: Gaddafi ist ein böser Mensch, der böse Dinge tut und ausgeschaltet werden muss, weil es dann mit den bösen Dingen ein Ende hat.
Wäre es doch nur so einfach. Wäre Frieden doch einfach damit erreicht, dass man die fünf, sechs bösen Diktatoren auf der Welt (mehr sind es ja nicht) einfach mal wegputzt. Alle übrigen Staatsmänner, Kriegsminister, Generäle, Feldwebel, Korporäle, Tamburmajore, Fußsoldaten, Söldner und wie sie alle heißen (die Waffenindustrie nicht zu vergessen), sind ja im Grunde friedlebende Menschen, die diesen dreckigen Job eigentlich nur machen müssen, weil die fünf, sechs Bösewichte auf der Welt sie beständig aufmischen. Mit irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen hat das nüscht zu tun.
Nein, nein, nein, so sieht die Welt leider nicht aus.
Du selbst hast dich ja schon darüber gewundert, warum es legitim sein soll, Soldaten zu töten, aber nicht die Menschen, die ihnen befehlen (also Gaddafi selbst als primäres militärisches Ziel). Damit hast Du die Absurdität des Kriegseinsatzes, den Du die ganze Zeit verteidigst, selbst schon auf den Punkt gebracht. Allerdings halte ich Deine Argumentation, Gaddafis Soldaten würden alle „von ihrem Diktator unter Todesdrohung zum Kämpfen gezwungen,“ für fadenscheinig. Zwischen Gaddafis Soldaten, die zu ermorden Dir allerdings in einem früheren Artikel eine Sache schien, „von der man nicht einmal weiß, ob sie ein Ãœbel ist“ und den Soldaten der Nato (oder der Bundeswehr, for that matter), besteht kein nennenswerter Unterschied. Beide befolgen denselben Ehrenkodex, gehorchen demselben Pflichtgefühl, sind getrieben von der gleichen Vaterlandsliebe und Autoritätshörigkeit. Die einen haben eben nur das Pech, dass ihr oberster Befehlshaber der böse Gaddafi ist, die anderen das Glück, dass sie dem guten Obama unterstehen. Mehr Unterschied besteht nicht. Ob es „Zivilisten“ oder Soldaten erwischt, es erwischt immer Menschen, die nicht aufgrund ihrer Schlechtigkeit den Tod verdient haben, sondern die einfach zur falschen Zeit im falschen Staat leben.
Nebenbei gesagt halte ich es auch für ein etwas absurdes Bild, sich vorzustellen, wie ein Diktator bei Todesstrafe die eine Hälfte seines Volkes zwingt, die andere Hälfte umzubringen. Wie kann eine Armee von sich behaupten, nicht anderes handeln zu können, als eben zu kämpfen, weil sie von ihrem Diktator dazu gezwungen wurde? Das Druckmittel, das ein Diktator auf andere Menschen ausüben könnte, besteht eben nur darin, eine Ãœbermacht bewaffneter Männer auf seiner Seite zu haben – die bewaffneten Männer können sich also schlecht darauf hinausreden, von sich selbst zum Kriegseinsatz gezwungen worden zu sein – obwohl das ironischerweise auf einer übergeordneten Ebene der Wahrheit wieder Nahe kommt, denn Diktatoren funktionieren nur in einem System, in dem die Legitimation von Waffengewalt eine erhebliche Rolle spielt.
Und nach diesem System funktionieren dann auch jene Kriege, die uns von diesen bösen Diktatoren befreien sollen. Freilich bleiben dabei einige von ihnen (den bösen Diktatoren) auf der Strecke. Aber das System erhält sich weiter. Das System, das sie besiegen soll, ist dasselbe, das sie erst hervorgebracht hat – und wir wundern uns dann, dass es Neue hervorbringt.
Also gut: Dann eben nicht Soldaten töten, sondern gleich nur ihre bösen Anführer. Möglichst gezielt ausschalten. Sich ruhig die Finger dabei dreckig machen. Auch wenn das heißt, dass man die Völker- und Menschenrechte, die man dabei verteidigt, im Einzelfall eben brechen muss. Schnelle militärische Konfliktlösungen (früher Blitzkriege genannt) und internationales Recht beißen sich eben. Da muss man durch, wenn es darum geht, den Bodycount gering zu halten. (Man sollte dann allerdings schon auch zusehen, dass man die Typen auch sauber erwischt. Erst ihre Söhne und Enkelkinder abknallen ist strategisch vielleicht kein so guter Move…)
In meinen Augen geht es bei dem Einsatz aber nicht vordringlich um das Niedrighalten des Bodycounts. Dieses Zurückhalten von Bodentruppen, dieses halbherzige Eingreifen, dieser verquere Vorsatz, der regulierenden Gerechtigkeit von außen sei genüge getan, wenn man durch Waffenlieferungen an die Rebellen ein „Gleichgewicht der Kräfte“ herstellte, ist nichts anderes als der Versuch, zu demonstrieren, wie zivilisiert, überlegt, zurückhaltend und streng nach Protokoll man also einen Krieg führen kann. Man will damit zeigen, dass man das Leid der Zivilbevölkerung ernst genug nimmt, um nicht „beiseite zu stehen“, aber den Krieg doch so weit verachtet, dass man ihn eben nur so ein Bisschen einsetzt, so viel wie gerade sein muss, aber auch nicht mehr. Und damit verlängert man das Leiden aller Beteiligten. Für mehr war Krieg auch noch nie gut.
Wir werden hier Zeuge der Neuinszenierung einer Farce, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges schon mehrfach aufgeführt worden ist. An unterschiedlichen Bühnen, mit unterschiedlichen Akteuren und mit unterschiedlich überzeugender Inszenierung, aber letztendlich ist es immer dasselbe: Auf der einen Seite der böse Diktator, der wahlweise damit droht, den Kommunismus auf der Welt zu verbreiten, waffenfähiges Plutonium zu horten, oder eben, Zivilisten umzubringen, auf der anderen die humanitäre westliche militärische Ãœbermacht, die aus reiner Menschenfreundlichkeit eingreifen muss. Hier geht es doch auch wieder darum, der ziviliserten Welt zu beweisen, dass das Militär eine zwar unschöne aber notwenige Einrichtung ist, weil manchmal nur so das Blutvergießen gestoppt werden kann. Ein moderner Mythos, der immer wieder genährt werden muss, um die Existenz von Armeen zu legitimieren.
Während des ersten Irakkrieges hieß es, die Soldaten Saddam Husseins hätten kurdische Babys aus den Brutkästen gezerrt und in Öfen verbrannt. Später stellte sich dann heraus, dass die Augenzeugen, die davon berichteten, von den USA geschmierte Schauspieler waren. Beim letzten Irakkrieg hieß es, Saddam hätte Massenvernichtungswaffen. Sie wurden nie gefunden. Jetzt heißt es: Gaddafi tötet Zivilisten. Gibt es irgendein neues, irgendein originelles, irgendein nachvollziehbares Argument für diesen Kriegseinsatz, das sich nicht herunterbrechen lässt auf: „Diesmal aber echt. Zivilsten, wirklich. Kam auf BBC. Der Typ is so übel!“
Ich will damit nicht einmal unterstellen, dass das genauso gelogen ist, wie die Argumente gegen Saddam Hussein. Ich will damit nicht einmal unterstellen, der Bürgerkrieg sei durch den CIA angezettelt worden, obwohl dieser Gedanke naheliegt und ich die Selbstverständlichkeit, mit der die Rebellen militärische Unterstützung der Nato verlangen, verdächtig finde. Traurigerweise kommt es darauf gar nicht an, sondern darauf, dass diese Buhmannagrumentation impliziert, das Problem wäre nicht die Existenz von Militär (oder die jahrzehntelange Fremdbestimmung sämtlicher Politik im Nahen Osten durch die USA), sondern immer nur einzelne, durchgeknallte Bösewichte.
Was uns hier verkauft wird, ist das Idealbild eines gerechtfertigten, aus humanitären Gründen geführten Krieges. An dieses Bild müssen wir glauben können, wir müssen es am Leben erhalten, wenn wir weiterhin Armeen unterhalten, Waffen herstellen und uns die Mittel über die wirtschaftliche Kontrolle anderer Völker in der Hinterhand behalten wollen. Und damit läuft eine Maschinerie weiter, die den Nährboden für Kriege und für Typen wie Gaddafi überhaupt bereitet: Wieder sind es die USA und andere westliche Industrienationen, die darüber entscheiden, welche Regierung ein arabischer Staat, auf dessen Boden sich Öl befindet, haben darf und welche nicht. Wieder wird es nicht das Volk selbst sein, das über seine Regierung bestimmt, und das kann einfach nicht zu einer dauerhaft stabilen Lage führen.
Es gibt keine in sich stimmige Logik der humanitären Kriegsführung, die nicht irgendwann auf Widersprüche und Paradoxien stößt, wie sie dir ja teilweise selbst aufgefallen sind. Es gibt kein Recht, keine internationalen Verträge, keine Genfer Konventionen, keine Un-Resolutionen, die in letzter Konsequenz nicht lächerlich wären, denn sie alle sind ein Versuch, das Töten als Mittel zur Verhinderung des Tötens weniger grausam zu machen, was nicht funktionieren kann. Die einzige Logik, nach der ein Krieg letztlich funktioniert, ist das Recht des Stärkeren. Nicht wer für die richtige Sache ist, sondern wer stärker zuschlagen kann, gewinnt. So einfach ist das. An einer Gesellschaft zu glauben, in der Krieg als Mittel zur Gerechtigkeitsschaffung wirksam sein kann, hieße also, an eine Gesellschaft zu glauben, in der der Gute auch immer die Stärkere und der Böse immer der Schwächere sein muss. Dann aber bitte gleich Schluss mit der Heuchelei und her mit einer Weltpolizei, die einfach ohne Mandat überall eingreifen kann, wo es kracht, um sämtliche Streithähne sofort und gezielt auszuschalten. Wenn du mir jetzt erklären kannst, wie eine solche Weltpolizei sich legitimieren und vor jeglichem Machtmissbrauch schützen kann, bin ich wirklich bereit, dir zuzuhören, wenn Du mir weiterhin etwas von humanitären Kriegseinsätzen erzählen willst.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin kein Fan von Gaddafi, ich sehe in ihm keinen verleumdeten Staatsmann, der Gutes für sein Volk will, ich bestreite nicht einmal, dass es Situationen gibt, in denen ein gezielter und übermächtiger Kriegseinsatz unterm Strich Menschenleben rettet – wenn man nur die Parameter unter denen man die Lage betrachten will, eng genug fasst. Ich bestreite nicht einmal, dass meine Forderung, Krieg als Mittel zur Konfliktlösung kategorisch und unter allen nur erdenklichen Umständen schlicht und einfach abzulehnen, mit Recht ebenfalls naiv genannt werden kann.
Aber wenn es erwachsen ist, Kriegseinsätze für gerecht zu halten, weil man viel Christopher Hitchens gelesen hat, und stolz darauf ist, zu was für einer kontroversen Meinung man sich als eigentlicher Kriegsgegner durchgerungen hat – dann will ich nicht erwachsen werden.
Nein, ich habe auch keine Patentantwort auf die Frage, die unvermeidlich kommen wird: Was will man denn dann gegen Typen wie Gaddafi unternehmen, bitteschön? Wenn solche Typen erst einmal da sind und genug Macht in ihren Händen haben um damit übel anzurichten, ist die Lage wirklich vertrackt. Aber dass man mit militärischen Mitteln immer nur mit viel Blut erkaufte Teilsiege erringt, die letztendlich die gleiche Ausgangslage früher oder später erneut heraufbeschwören, sollte uns nach einigen tausend Jahren Menschheitsgeschichte inzwischen klar sein…
Mit besten Grüßen,
Sims Alabim.
Sehr geschätzter Kollege Sims Alabim,
ich danke für deine Antwort und heiße die Chance der Diskussion willkommen. Wobei es wohl auch diesmal unwahrscheinlich sein wird, dass wir unsere Grunddifferenz überbrücken können.
Leider unterstellst du mir einige Dinge, die ich weder so geschrieben, noch so gemeint habe. Der Klarheit halber und um Missverständnisse zu vermeiden, will ich die als erstes abarbeiten.
1.: Selbstverständlich glaube ich nicht, dass es nur fünf oder sechs böse Diktatoren auf der Welt gibt. Meinst du immer noch ernsthaft, dass ich das denke?
2.: Ich habe nie bezweifelt, dass wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen.
Zum Fall Libyen:
A.: Die Tatsache, dass es für das libysche Volk eigentlich keinen Grund gibt, Hunger zu leiden, ein vom Westen die letzten Jahrzehnte hofierter Ausbeuter das Ölgeld aber für Waffen und Privatzwecke verwendete hat, macht die Situation umso tragischer.
B.: Den USA kann man den Vorwurf des Hofierens in diesem Fall aber weit weniger machen, als Europa. Weder diplomatisch, noch wirtschaftlich. Der Prozentanteil an libyschen Ölexporten, der in der Vergangenheit an die USA ging liegt unter dem der beispielsweise an China oder Deutschland ging. (http://www.eia.doe.gov/cabs/Libya/Full.html)
C: Italien und Frankreich nahmen zwar in der Vergangenheit einiges an libyschen Öls ab. Unter Gaddafi wird dies spätestens nach dem UNO-Votum aber definitiv nie mehr der Fall sein. Aus rein wirtschaftlicher Sicht wäre es weit intelligenter gewesen, Gaddafi nicht zu verärgern und ihn den Osten Libyens einfach zurückerobern zu lassen, was er kurz vor Beginn des Militäreinsatzes fast geschafft hätte.
3.: Ich habe natürlich nicht gemeint (und nicht behauptet), dass ALLE, oder auch nur die Mehrheit, der Gaddafi-Streitkräfte die erwähnte Motivationshilfe brauchen. Dass es aber Fälle gegeben hat, in denen Deserteure exekutiert wurden, davon kann man ausgehen. Ich habe dazu bereits in einem der vorherigen Posts Links gegeben, aber hier ein weiterer: Laut der International Federation for Human Rights wurden 130 Soldaten in der ersten Woche der Proteste in Benghazi erschossen, weil sie sich weigerten in die Menge zu feuern. (http://www.news24.com/Africa/News/Libya-130-soldiers-executed-20110223 ) Das war nicht der einzige Bericht dieser Art.
4.: Mein Zitat „Wir haben hier aber nicht die Wahl zwischen zwei Ãœbeln, sondern die Wahl zwischen einem Ãœbel bzw. einer Regierung, die sich kaum schlimmer verhalten könnte, und etwas, von dem wir noch nicht richtig wissen, inwieweit oder ob es ein Ãœbel ist.“ bezog sich, wie ich dachte recht eindeutig, nicht auf das Töten von Menschen (Hallo??), sondern auf das Gegenüberstellen zweier Regierungen: Die Gaddafis und die potenzielle Regierung, welche die Rebellen aufstellen würden.
Natürlich ist der Tod von Menschen immer ein Ãœbel. Aber leider manchmal auch, im Vergleich zum Tode einer viel größeren Masse an Zivilisten, nicht immer das größtmögliche.
Ich hoffe, du unterstellst mir nicht die (rassistische) Annahme, libysche Soldaten wären aus Prinzip entbehrlicher als „westliche“!!
Es scheint mir, du hast es ungern, in dieser Sache festgenagelt zu werden. Aber da für mich Passivität nach genausoviel Rechtfertigung wie Aktivität verlangt, muss ich dich trotzdem fragen: Was würdest du tun? Du sagst selbst, dass das halbherzige Eingreifen der NATO pseudo und scheinheilig ist. Dem kann ich absolut zustimmen (und habe das ja auch in einem vorherigen Post). Also nur damit wir klare Verhältnisse haben: Wofür plädierst du in diesem konkreten Fall? Voller Einsatz (mit Bodentruppen) oder überhaupt kein militärischer Einsatz? (Der Mittelweg scheint für dich ja ebenfalls nicht tragbar zu sein.) Ich geh im weiteren mal davon aus, dass deine Antwort letzteres sein wird. (Deine unterstützenswerte Kritik der NATO-Strategie hat mich kurz zweifeln lassen…)
Nimm es nicht persönlich, aber folgende Dinge finde ich billig und zynisch:
-Das Unterstützen eines unterdrückten Volkes (nach dessen ausdrücklicher Forderung) mit der Nazi-Taktik des Blitzkrieges zu vergleichen.
-Die zahlreich bewiesene und völlig offensichtliche, brutalste Unterdrückung der Zivilbevölkerung in Libyen mit der nur auf Geheimdienstaussagen basierenden Behauptung der Massenvernichtungswaffen im Irak oder der Brutkastengeschichte zu vergleichen und so einfach alles über einen Kamm zu scheren.
-Die (entschuldigung) ABSOLUT blödsinnige Behauptung, es würde naheliegen, die CIA hätten den Bürgerkrieg angezettelt für die du weder Grund, noch Beweise lieferst.
-Die Verdächtigung der Motive der Rebellen, um militärische Hilfe zu bieten. Was ist daran schwer zu verstehen, wenn die Alternative Tod und Niederlage ist?
Ich halte Abkommen wie die Genfer Konventionen für extrem wichtig, hätte den Einsatz in Libyen aber auch ohne ein UN-Mandat unterstützt. Es ist nun mal eine traurige Wahrheit, dass, solange Russland und China alles mit einem Veto blockieren können, die Funktion des Sicherheitsrates ad absurdum geführt wird.
Du schreibst: „Wieder sind es die USA und andere westliche Industrienationen, die darüber entscheiden, welche Regierung ein arabischer Staat, auf dessen Boden sich Öl befindet, haben darf und welche nicht.“ Wenn ich darauf hinweise, dass die Arabische Liga eine Flugverbotszone noch vor der UN unterstützt hat und dass sich Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate aktiv am Militäreinsatz beteiligen, sagst du wahrscheinlich zu Recht, dass es sich bei den entsprechenden Regierungen auch nicht um Demokratien handelt. Gut, dann antworte ich mit dem simplen Slogan: Solidarität mit den Opfern und nicht mit den Massenmördern, daraus ergibt sich wer Libyen als nächstes regiert.
Du schreibst: „An einer Gesellschaft zu glauben, in der Krieg als Mittel zur Gerechtigkeitsschaffung wirksam sein kann, hieße also, an eine Gesellschaft zu glauben, in der der Gute auch immer die Stärkere und der Böse immer der Schwächere sein muss.“ Darf ich dich daran erinnern, dass es Gaddafi war, der den Krieg gegen sein eigenes Volk begonnen hat. Und dass bis zum Einschreiten der NATO seine Seite die stärkste in Libyen war. Nein, ich glaube, dass Macht nicht das Geringste mit moralischer Integrität zu tun hat.
Und bevor ich es vorerst dabei belasse: Ich kann militärische Abrüstung nur unterstützen, genauso wie es ein großer Plus für jede Partei gibt, die sich beispielsweise glaubhaft gegen die exorbitanten Waffenexporte Deutschlands einsetzt. Natürlich wäre die beste Welt eine, in der keine Militärs mehr nötig sind. Und wieder tut es mir leid, aber ich muss dich jetzt einfach festnageln: WIE kommen wir zu so einer Welt? Denn dein beharrliches Festhalten an dieser Vision muss entweder bedeuten, dass du etwas weißt, was ich nicht weiß oder es könnte auch eine Andeutung sein, dass bei dir auch etwas mehr blinde Ideologie mitschwingt als dir vielleicht bewusst ist. Oder etwas drittes an dass ich noch nicht gedacht habe….
Als letzter Punkt: Ich habe nie behauptet, dass „Gaddafi ist ein böser Mensch, der böse Dinge tut und ausgeschaltet werden muss“ eine Aussage mit besonderem intellektuellen Tiefgang ist. Das macht sie aber nicht unbedingt schlecht. Sie ist selbstverständlich auch vereinfachend und unvollständig, aber wenn du meinen Standpunkt kurzmöglichst zusammenfassend wolltest, dann hast du es damit tatsächlich geschafft.
Ich danke dir ehrlich für deine Antwort und die Möglichkeit zur Diskussion.
Allerbeste Grüße,
Malibu Aircraft
Lieber Malibu,
ich entschuldige mich gleich dafür, dass aus der Diskussion so viel nicht werden wird, weil ich nicht immer dazu kommen werde, unser beliebtes tägliches Ping Pong zu spielen. Aber versuchen wir noch eine Runde…
1. Wieso “immer noch”? Ich habe Dir das nie so direkt unterstellt. Das mit den fünf, sechs bösen Diktatoren war eine polemische Ãœberspitzung einer generellen Ideologie von der ich starken Grund zur Annahme habe, dass Du ihr in weiten Teilen anhängst. Ich habe versucht, direkte Zitate von Dir von solchen polemischen Ãœberspitzungen zu unterscheiden, aber ich habe das wohl nicht deutlich genug getan.
Da Du aber auf diesen Punkt so beharrst, werde ich schon neugierig: Wieviele sind es denn Deiner Meinung nach?
2B und 2C: Klingt also nach guten politischen Gründen dafür, warum Gaddafi weg muss.
3. Es ist gängige Praxis beim Militär, Fahnenflucht, Desertation und Befehlsverweigerung hart zu bestrafen. Natürlich fällt so etwas in Libyen drakonischer aus, als in Europa oder den USA. Wenigstens derzeit. Wenn Dir aber klar ist, dass nur ein Bruchteil der libyschen Soldaten mit diesem Argument in Schutz genommen werden kann, warum fährst Du es dann auf?
4. Da habe ich Dich wohl falsch zitiert und entschuldige mich dafür. Ich hattte den Satz so verstanden, dass sich die vermeintliche Wahl zwischen zwei Ãœbeln auf die Wahl zwischen militärischem Eingreifen und dem Verzicht auf selbiges bezog.
Richtig, ich plädiere für den Verzicht von militärischem Eingreifen. Und ich muss gleich dazu sagen, dass mich diese “Was würdest du tun?”-Fragen ein wenig aufregen, weil ich eben nicht in der Position bin, es niemals war und niemals sein werde, etwas “tun zu müssen”. Es regt mich auf, dass man nicht sagen darf, dass man etwas Scheiße findet, nur weil man keine unfehlbare Alternative in der Tasche hat.
Die Nazi-Taktik des Blitzkrieges ist immerhin effizienter als die Nato-Taktik der gemäßigten Kriegsführung. Wenn eine klare militärische Ãœbermacht nicht eine Show abziehen sondern schnell einen Krieg gewinnen will, dann ist sie nicht zimperlich. Aber ich weiß schon: Ich habe wieder ein böses Naziwort gesagt, das wird einem grundsätzlich übel ausgelegt. Aber in einem gebe ich Dir recht: Ich bin zynisch.
Und es geht mir auch eben genau darum, die Argumentation (nicht die Beweislage!) der Irakkriege mit diesem Krieg über einen Kamm zu scheren. Dass Geheimdienstberichte (im Augenblick) nicht ausreichen, um die öffentliche Meinung auf einen Krieg einzuschwören, ist George W´s Verdienst. Jetzt müssen eben massig authentische Presseberichte her. Danach läuft im Prinzip alles wie gehabt.
Das Anzetteln von “Revolutionen” (oder wahlweise auch das Exekutieren vom Volk gewählter Staatsoberhäupter) war gängige CIA-Praxis und lange Zeit Teil des Spielchens, das hier betrieben wird. Ich habe auch extra gesagt, dass ich in diesem Fall nicht einmal glaube, dass es so war, deswegen bin ich auch in keiner Beweispflicht.
Worauf ich mit diesen ganzen Anspielungen hinauswill ist Folgendes: Wir sind so oft verarscht worden, dass ich was vorgebliche humanitäre Absichten kriegführender Nationen angeht, so dermaßen zum Zyniker und Verschwörungstheoretiker geworden bin, dass das Argument “Diesmal ist es aber wirklich so, es gibt viele Presseberichte” bei mir einfach nicht mehr zieht. Sorry.
Richtig, Macht hat nichts mit moralischer Integrität zu tun – eher im Gegenteil. Und genau deshalb ist es ja so fatal, dass so lange es Militär geben wird, immer auch die Möglichkeit zu blutigem Machtmissbrauch gegeben ist.
Zu Deinem Wunsch, mich festzunageln: Es ist ja nun nicht so, als ob Du im Gegensatz zu mir eine im entferntesten funktionierende Lösung anzubieten hättest (was das langfristige Ziel einer gewaltlosen Gesellschaft angeht). Genau das versuche ich ja die ganze Zeit zu sagen. Ich könnte also die Frage zurückgeben, denn die einzig klare und ohne Konjunktivformen formulierbare Antwort auf Deine Frage WIE ich mir das vorstelle, ist diese: “Sicherlich nicht durch Kriege.”
Und der erste konsequente Schritt auf dem Weg dahin ist nun einmal, sich selbst der Teilnahme an diesem ganzen Spektakel komplett zu verweigern.
Und zumindest das tun, was in der eigenen Macht steht, um den Mitmenschen irgendwie klar zu machen, dass wir dieses ganze Problem nicht mehr hätten, wenn jeder bereit wäre, diesen einen Schritt zu machen.
Ich weiß, dass das schmalzig klingt. Ich weiß, dass das eine Utopie ist. Aber ich ziehe nun Mal eine Utopie jener Art von “Pragmatismus” vor, die eigentlich eine Resignation ist.
(Weitere Schritte bestehen vor allem darin, über Wirtschaftsformen und Technologien nachzudenken, mit denen die ungleiche Verteilung von Gütern sowie die Abhängigkeit von global ungleich verteilten Bodenschätzen verringert wird, also die wirtschaftlichen Gründe für Kriege zu minimieren. Dann kann ich mir gut vorstellen, dass die ideologischen von selbst verschwinden. Eine komplette Einstellung nicht nur von Waffenexporten sondern auch von der Herstellung und Entwicklung von Waffen gehört natürlich auch dazu).
Nur für das Protokoll und ein letztes Mal in dieser Deutlichkeit: Kann man damit verhindern, dass Gaddafi sein eigenes Volk umbringt? NEIN. Sowenig wie die Abschaltung deutscher Kernkraftwerke den Strahlenopfern in Japan irgenwie weiterhilft. Aber die Notwendigkeit der militärischen Vorherrschaft einer Gruppe von Staaten als notweniges Ãœbel zur Kontrolle solcher Situationen anzuerkennen entspricht ungefähr dem Plan, neue Kernkraftwerke an der japanischen Küste zu errichten, um die Krankenhäuser dort mit Energie zu versorgen.
PS: Mein obiges NEIN soll natürlich nur heißen, es gibt keinen wasserdichten bzw. so vordergründig effizienten Weg wie einen Militärschlag, aber nicht, dass es gar keine unmilitärischen Mittel gäbe, von Außen etwas gegen Gaddafis Behandlung seines Volkes zu unternehmen. Bei einer Nation bzw. einer Regierung, die nur durch Ölexporte reich bleiben kann sind wirtschaftliche Sanktionen ein gutes Mittel. Man könnte es aber natürlich auch Mal andersherum probieren, und das Geld, das so ein Militäreinsatz kostet, direkt in das Land und seine hungernde Bevölkerung investieren.
Eine wirkliche Revolution aber kann nur von dem Volk kommen, das revoltiert. Und die muss nicht einmal mit gewalttätigen Mitteln erfolgen. Aber so bitter das auch ist: So lange es in einem Staat genug Menschen gibt, die bereit sind, in militärischen Operationen gegen Zivilbürger ihres eigenes Landes (oder gegen Befehlsverweigerer in den eigenen Reihen) mit Gewalt vorzugehen, die weiterhin ihrer Regierung treu bleiben oder die einfach nur ducken, stillhalten und hoffen, sich aus dem Schlamassel raushalten zu können, ist es eben nicht ein Volk, das revoltiert, sondern ein Teil des Volkes. Dann ist es ein Bürgerkrieg, und wenn es ein Bürgerkrieg ist, ist ein militärisches Eingreifen von außen auch immer eine von außen gefällte Entscheidung über die Legitimität des in dem Land herrschenden Regimes.
Und um auch dieses mögliche Mißverständnis auszuräumen: Raushalten ist nicht gleich Raushalten – sich der aktiven Teilnahme an einem ungerechten Staat zu verweigern ist etwas anderes, als sich der Teilnahme an einem friedlichen Protest oder Generalstreik gegen dieses Regime zu verweigern.
Wenn wirklich ein ganzes Volk gegen einen Tyrannen aufsteht, hat der Tyrann wenig Chancen.
Aber eine weinende Mutter, die das Bild ihres toten Sohnes in die Kamera westlicher Reporter hält, und fordert, dass der Westen nun Waffen schicken soll, mit denen die Kameraden ihres Sohnes Vergeltungsschläge gegen anderer Mütter Söhne führen können, hat bei allem Schmerz dieser Frau und aller Tragik dieser Situation nichts mit einer solchen Revolution zu tun. Und wer der Bitte dieser Frau nachkommt, mischt sich in einen bewaffneten Konflikt ein.
Verzeih, ich werde wohl auch erst am Wochenende dazu kommen, zu antworten.
Lieber Sims Alabim,
hier jetzt endlich meine Antwort. Leider habe ich auch gerade nicht soviel Zeit und sie fällt nicht ganz so ausführlich aus, wie sie vielleicht sein sollte, aber naja…
1. Sieben. Spaß beiseite, ich weiß es nicht. Ich hoffe, ich hänge gar keiner Ideologie an und habe statt dessen eine Meinung, aber man kann das ja nie so genau sagen.
3. Es ging mir um die Heuchelei in einigen Medien, den (geplanten) Tod von Hauptverantwortlichen wie Gaddafi und Osama als Anstoß zu hochmoralischen Debatten zu nehmen, während es beim Fußvolk ungleich weniger interessiert, selbst dann, wenn sie zum Teil gezwungen werden.
4.kP
Im Gegensatz zu dir (wie ich vermute), glaube ich nicht daran, dass es jemals eine völlig gewaltlose, menschliche Gesellschaft geben wird. Ich denke, wir können nur unser bestes tun, uns so nah wie möglich an dieses Ideal anzunähern.
Wenn Presseberichte unterschiedlichster Quellen, Direktberichte, Bilder, Videos von Libyern, zu einem großen Teil verbreitet über „social media“, Aussagen von NGOs wie Amnesty und zahlreicher Gruppierungen, die alle nicht die geringste Motivation haben, den USA Propagandafeuer zu liefern, wenn dich all das nicht überzeugt, dann weiß ich tatsächlich nicht mehr, was ich noch sagen soll. Aber ich weiß auch nicht wirklich, warum du dann überhaupt noch Medien benutzt.
Deine Metapher mit den japanischen AKWs würde nur ziehen, wenn Atomkraftwerke die einzig mögliche Energiequelle wären. Ein weiterer Unterschied ist, dass ich durchaus glaube, dass Demokratien im Durchschnitt Diktaturen moralisch überlegen sind, ich es also unterstützenswert finde, dass sie eine größere militärische Macht als Letztere besitzen. Natürlich ist keine heutige Demokratie bis ins Letzte auch wirklich demokratisch. Man kann auch überlegen, ob man beispielsweise Deutschland angesichts des Bundeswahlausschusses überhaupt als Demokratie bezeichnen will. Das ist dann aber eine nützliche, provokante These, um etwas zu verbessern, was jedenfalls Vergleich zu Staaten wie Libyen ganz klar eine Demokratie ist oder zumindest viel, viel, viel, viel demokratischer als die meisten der real existierenden Alternativen.
Da ich nicht behaupte und ganz und gar nicht glaube, dass Demokratien irgendwie kulturell exklusiv westlich sind, und da wir ja auch einfach in eine Demokratie hineingeboren wurden und weit weniger dafür getan haben, als die Menschen in Ägypten, Libyen, usw. gerade tun, ist diese Position weder arrogant, noch imperialistisch, noch sonst was.
Ja, eine wirkliche Revolution kann nur von einem Volk kommen, aber das tut sie auch gerade. Wir leben in einer anderen Zeit, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Heute kann ein Diktator tatsächlich mit einer kleinen Minderheit seines Volkes die überwältigende Masse ausbeuten und niedermetzeln (ich möchte auch daran erinnern, dass all das angefangen hat, als Gaddafi auf friedliche Demonstrationen schießen lies, zum Teil mit Scharfschützen und Kampfjets) solange er weiterhin die technologischen und militärischen Mittel in seiner Hand hält, die ihm zu einem Großteil (wenn auch nicht ausschließlich) der Westen in selbige gedrückt hat.
Pragmatismus bedeutet nicht Resignation, es sei denn im Sinne von: Die Unterschrift zurückzuziehen (was das Wort ursprünglich bedeutete) aus einem Vertrag, der von Anfang an nicht im Dienste der Menschheit stand. Aber es bedeutet für mich das Auflösen von Illusionen, gerade wenn diese Passivität prinzipiell moralisch verführerisch erscheinen lassen.
Gut, du bist nicht für eine komplette Passivität, das habe ich dir auch nicht unterstellt. Nur, wie du selbst bemerkst, reichen deine Lösungsvorschläge bei weitem nicht aus. (Gegen Sanktionen bin ich auch ganz grundsätzlich skeptisch. In diesem Fall sicher angebracht, aber in „Friedenszeiten“ treffen sie immer auch, und womöglich hauptsächlich, das Volk und trocknen es für lange Zeit aus.)
Der „Westen“ (ich beanspruche diese Verallgemeinerung in letzter Zeit vielleicht etwas über, aber letztendlich weiß ja jeder, was ungefähr gemeint ist) hat sich imo bereits in den Konflikt eingemischt, als er Gaddafi jahrelang unterstützt hat. Das bringt auch Verantwortung mit sich…
Ein letzter Punkt: Ich bin auch gegen das Versorgen der Rebellen mit Waffen. Argument genug dürfte dafür ein Blick auf die AK-47er der Taliban sein und die Frage, woher die wohl kamen. Waffen halten leider eine Ewigkeit.
Lieber Malibu Aircraft
1. Ich hoffe das natürlich auch, aber im Augenblick scheint sich Deine Sicht auf die Lage in Libyen zu decken mit einer Auffassung über die moralische Pflicht zum Sturz übler Diktatoren, die sich vor Jahren wunderbar zur Irakkriegspropaganda instrumentalisieren ließ.
3. Mir ist schon klar, worum es Dir ging, und ich stimme Dir darin zu, dass es absurd ist, sich über den gezielten Mord an einem Kriegsherren aufzuregen aber am Krieg an sich (der ja immer gleichbedeutend ist mit der Tötung von Soldaten) nichts zu finden. (Wobei das auch nicht wirklich der Tenor der Deutschen Presse war, denn die waren nicht nur gegen die Mordanschläge sondern auch gegen die Kriegseinsätze generell). Diese Absurdität taucht aber – und darauf wollte ich hinaus – grundsätzlich immer dort auf, wo man etwas so tief barbarisches wie Krieg mit humantär anmutenden Regeln und Gesetzen versieht.
Du magst mich jetzt zurecht einen versponnenen Idealisten nennen, aber gerade erst wieder hat mich ein Satz aus einem Buch über Michael Ende daran erinnert, warum ich sozusagen aus Prinzip daran glaube, dass eine menschliche Gesellschaft ohne Gewalt möglich ist: “Nur wer von einer besseren Welt wenigstens träumen kann, gewinnt die Kraft für ihre Verwirklichung”. Wenn wir von vorn herein sagen (und in diesem Sinne meinte ich das Wort “Resignation”): “Es wird immer Krieg auf der Welt geben, also müssen wir lernen uns mit ihm zu arrangieren und Regeln zu finden, wie wir ihn im Zaum halten” – dann resultiert daraus eine andere Denk- und Herangehensweise, eine andere Geisteshaltung als wenn wir in der Ãœberzeugung handeln, dass wir Menschen tatsächlich auch zum völligen Frieden fähig sind. Martin Luther King hat nicht davon geträumt, einer Welt ohne Rassismus möglichst nahe zu kommen, sondern sie zu erreichen!
Und bei solchen Ãœberlegungen steht halt irgendwann die grundsätzliche Frage an: Heiligt der Zweck der Mittel oder gibt es Dinge, die grundsätzlich verwerflich sind – und zwar immer, überall und ohne Ausnahme? Ich glaube, in dieser Frage ist es recht klar, auf welcher Seite jeder von uns steht…
Was die Presseberichte angeht ist halt die Frage wovon die mich überzeugen sollen? Davon, dass Gaddafi ein brutaler Machthaber ist? Dass das Sterben der Menschen keine Inszenierung ist? Davon bin ich überzeugt. Aber das überzeugt mich noch längst nicht davon, dass dies das komplette Bild ist, dass ein Militärschlag die einzig mögliche Lösung ist, und dass eine Militärmacht wie die USA und die Nato nicht noch andere Interessen verfolgen. (Und, ja: Ich bin Medienberichten gegenüber grundsätzlich skeptisch und benutze Medien lieber für den Genuss reiner Fiktion, wenn es sich machen lässt.)
Der Westen hat sich ja weltweit in so ziemlich jeden Konflikt eingemischt oder kann meistens (eher über finanzielle und wirtschaftliche als über direkte politische Zusammenhänge) als einer der Urheber identifiziert werden. Also hat er für jeden Konflikt eine Verantwortung und schon sind wir wieder beim Thema Weltpolizei.
Womit Du mich leider auch nicht wirklich kriegst, ist das Schlagwort Demokratie. Da muss ich jetzt gleich die nächste Hose runterlassen: Ich halte von Demokratie als Staatsform nicht so wahnsinnig viel, muss ich sagen. Demokratie ist halt per Definition die Herrschaft des Kompromisses (oder der Mehrheit) was in beiden Fällen keinesfalls etwas gutes heißen muss, und in Entscheidungsfindungen ungeheuer schwerfällig. Jetzt könnte man speziell in der Frage von Kriegseinsätzen darüber froh sein, weil eine Demokratie es eben auch viel schwerer hat, einen militärischen Einsatz zu beschließen, als ein einzelner Diktator. Aber führt das nicht auf der anderen Seite wieder genau zu diesen halbgaren und unausgegorenen Militäreinsätzen, die das Leiden tatsächlich nur verlägern, und die Du ja auch kritisierst?
Zudem glaube ich, dass es im Moment ein glücklicher Zufall und keine politische Notwendigkeit ist, dass die militärische Ãœbermacht auf der Welt im Augenblick in den Händen sogenannter Demokratien liegt. Das hat mehr mit dem wirtschaftlichen Vorsprung dieser Demokratien zu tun, und der baut ja eigentlich wieder auf sehr, sehr undemokratischen Vorgängen auf.
So, ich hoffe, jetzt habe ich alle Leser komplett verwirrt und verabschiede mich in die Nacht.
Wo wir schon dabei sind:
http://www.wecker.de/tagebuch.php?ide=184
Den Text habe ich übrigens erst heute entdeckt. Trotzdem gebe ich unumwunden zu, dass Konstantin Weckers Lieder einen sehr wichtigen Einfluss auf meine Art, die Welt zu sehen, gehabt haben.
Aber wir haben ja alle unsere Gurus…
[…] feinen Themen wie Atheismus und Esoterik schon vor langer Zeit alle Luft rausgelassen und als der mächtige Sims Alabim und der nicht minder mächtige Malibu Aircraft rund um Bin Laden und Libyen über den totalen […]